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Grafschaft Leoben - Die Massenburg

Leom
Auf dem Weg nach Leoben
11.03.1462 - Vormittags

Unnatürlich früh hatte sich Leom am Morgen aus dem Bett im Gasthof geschält und frisch gemacht, um den Weg zum Haus der Wahlasé noch vor dem Frühstück zu schaffen. Das gemeinsame Essen und vor allem das Einweihen seines Geburtstagsgeschenkes hatten die Kinder herzlichst erwartet. Zu diesem Zeitpunkt verschwendete der Blonde unerwarteter Weise nur wenige Gedanken an den Weg und vor allem das Gespräch, was später am Tag auf ihn warten würde.
Als Aaron, Kataldo und Silja sich mit Marleen aus dem Haus machten um den herrlichen Tag mit einem Spaziergang im Wald zu beginnen, schien Ronda vom aller Schlimmsten auszugehen. Es belustigte und erschreckte ihn zugleich – nie hätte er erwartet, jemals in so einer Situation zu stecken. Natürlich hatte sie sich wie Leom auch Gedanken über das Treffen gemacht. Immerhin war auch sie in gewisser Weise betroffen. Aber während Leoms Vorstellungen eher ohne wirkliche Erwartungen waren, fürchtete Ronda die dunkelsten Möglichkeiten.

Es gab am Ende nicht viele Worte, denn Leoben lag nicht so weit, dass er am Abend noch nicht zurück sein würde. Trotzdem überschattete eine bedrückende Stille die ersten Minuten der Fahrt das rattern der Kutsche. Am Vorabend erhielt er von Rondra die knappe Nachricht, dass sie kein Problem mit Noras begleiten hatte und entschied sich deshalb noch kurzfristig, Gaius zu schonen und lieber die Kutsche zu nehmen. Neben Nora und Leom saß auch Amalie, das Kindermädchen, mit in der Kutsche. Das kleine Mädchen hatte sich an sie gewöhnt und zumindest für die An- und Abreise würde sie mit Sicherheit großen Nutzen bieten.
Während das Gefährt die Stadtmauern Brucks passierte und auch die ersten Felder hinter sich ließ, warf Leom ein Blick auf die Landschaft. Er hatte mit Arioste darüber gesprochen. Eines der wenigen Themen, die man miteinander ansetzen konnte, ohne irgendwelche Fronten zu überschreiten. Man musste der Fugger zwar durchaus recht geben: die Landschaft war schön. Trotzdem wollte sich bei Leom nicht wirklich Interesse dafür einstellen.
Ihn bewegten ganz andere Dinge. Wichtigere Dinge. Zum Beispiel überlegte er, wie groß seine Chancen standen Johanna endlich wieder zu sehen. Leoms Blick fand in diesem Moment den Weg von der Landschaft zum brabbelnden und fröhlich quickenden Mädchen ihm gegenüber. Sie brachte ihn wie so häufig zum Lächeln. Natürlich. Sie war seine Tochter. Doch trotzdem konnte er sich jeden Tag neu für sie begeistern und fand neue Facetten, die sein Herz erwärmen ließen. Als das Mädchen die Arme nach ihrem Vater ausstreckte, nahm er sie der Amme ab. Es war faszinierend, wie die kleinen Händchen sich über den rauen Bart ihres ‚Papa’s bewegten und sie das Gefühl zum überschwänglichen Lachen brachte. Die Ablenkung tat gut – auch wenn er sich bewusst war, dass sich das Problem dadurch nicht in Luft auflöste.

Eine Weile später saß Nora wieder auf dem Schoss Amalies und fand bei ihrem Kindermädchen Beschäftigung. Zwar betrachtete Leom das Schauspiel, aber eigentlich war er wie so oft abgelenkt. Während die Kutsche eine gefühlte Ewigkeit brauchte und sich die Landschaftskulisse nur sporadisch wechselte, ließ auch Leom endlich mögliche Ergebnisse der kommenden „Klärung“ durch seinen Kopf gehen. Wie schon an den Tagen und Nächten zuvor ging er gänzlich ohne Erwartungen an die Sache heran. Er war ohnehin überrascht, dass Rondra sich zu diesem Schritt hat durchringen zu können. Was er bis zum Zeitpunkt des Briefes in der Provinz alles gehört hat, ließ ihn darauf schließen, nie wieder auch nur ein Wort mit Rondra zu wechseln.
Als die Massenburg schon sichtbar wurde, erkannte Leom erst die schwache Nervosität, die sich in ihm breit machte. Er hatte nicht die Befürchtungen, wie Ronda sie hatte – und auch keine Bedenken, Rondra zu sehen. Leom saß schließlich aufrecht in der Kutsche. Er war nicht depressiv, hatte keine überwältigenden Schuldgefühle mehr. Er wusste ganz genau, um was es hier für ihn ging.
Und während die Kutsche zu halten begann, warf er seiner Tochter ein fröhliches Lächeln zu.


Rondra
11.03.1462

Die Verabschiedung von Arioste fällt recht beiläufig aus, auch wenn ihr ein Blick in die Blauen genügen müsste um zu sehen dass es so eben nicht ist. Johannas aufgeregte Winken in Richtung der Fenster hinter ihr, lässt sich den Blondschopf umwenden. Der schrille Pfiff ist nicht ungehört geblieben, doch hat sie einen der Knechte erwartet. Ein Lachen, eines der ersten an diesem Tag, ist zu hören, während Rondra den Freiherren belustigt anfunkelt. Gut schaut er aus, für jeden der in ihren Kopf schauen könnte wohl ein ermüdendes Thema, sie kann sich immer wieder dafür begeistern. Doch im Augenblick ist wenig Zeit für Schwärmereien, der kleine Trupp macht sich bereit den Hof zu verlassen. Fast würde Rondra am liebsten Johanna vom Rücken des Pferdes heben und selber vor die Cousine steigen. Rondra ist kein Hasenfuß, aber dieser Tag liegt ihr schwerer im Magen als ein bevorstehendes Treffen beim Zahnarzt – mit eitrigem Backenzahn.
Noch einiges an Winken und lustigen Rufen, dann ist es auf dem oberen Burghof plötzlich erschreckend still und der Blondschopf fühlt sich beinahe verlassen – denn alle übrigen Schaulustigen nehmen ihre Arbeit oder ihre Wege wieder auf. Beide Arme verschränkt sie vor dem Körper, immerhin ist da kein wärmender Mantel oder Umhang und es ist noch recht früh. Trotzdem dreht sich Rondra recht langsam in Richtung des Eingangs und geht den eben gekommen Weg zurück.
Auf dem Weg ins Kaminzimmer wird Tee bestellt und Gebäck. Hunger hat sie keinen, der Magen fühlt sich schon wieder an wie ein wundes Loch und ist definitiv nicht bereit irgendwas aufzunehmen. Aber wer weiß, vielleicht würde sich das auch bald wieder ändern und Tee ist nie falsch. Hinein in das Zimmer und die breite Tür wieder geschlossen. Einen Moment muss sich Rondra suchend nach Kelian umblicken, denn am Fenster steht er nicht mehr und die Blauen fallen nicht sofort auf die Sessel. Ob sie selber sitzen könnte? Rondra bezweifelt es.
„Ein Freiherr der so unverschämt pfeifen kann, das lässt tief blicken… auch wenn er dabei so atemberaubend aussieht wie du.“ Wieder lächelt sie, durchaus ehrlich, aber der neckende Schalk will sich heute nicht so recht einstellen. Ihr Weg führt zu seinem Sessel, wo die Blauaugen schließlich an dem blank schimmernden Gegenstand auf dem dunklen Stoff seines Hemdes hängenbleiben. Ein Stirnrunzeln, ein ganz kleines ist da. Manchmal fragt sich das Weib ob sie wahnsinnig ist dass sie ihn dabei haben wird. Doch die Vorstellung es könnte nicht so sein, ist auch keine schöne. Letztendlich ist er in den letzten Wochen immer an ihrer Seite gewesen, seit dem Ablauf der Zeit der Gnade. So recht will Rondra Leom nicht unterstellen mit der Inquisition im Bunde zu stehen, es würde nicht zu ihm passen, auf keinen Fall. Selbst wenn er sie tatsächlich loswerden wollen würden – wovon sie nicht ausgeht, dann wäre die Scheidung wohl nicht nötig gewesen – das wäre zu unsauber, zu grundauf Böse und würde berechnende Planungen voraussetzen, zu denen sie ihn beim besten Willen nicht fähig hält – auch wenn sie in den letzten Monaten gelernt hat allen zu misstrauen und alle in Frage zu stellen, außer einer Handvoll Menschen. Nein, er wäre dazu nicht fähig und so grotesk dieser Gedanke auch scheinen mag, es ist kein Kompliment.
Die gerunzelte Stirn glättet sich wieder und Rondra beugt sich über Kelian hinab. Ihre rechte Hand angelt sich den Siegelring und zieht vorsichtig daran. Ein leichter aber nachdrücklicher Zug der Kelian nah genug bringen soll um ihn küssen zu können.
„Ich mag diesen Ring, weißt du?“ Da ist er für einen kleinen Augenblick, der neckende Unterton und ein bisschen zweideutig. Ein kleiner Kuss ist es, eher nur ein sanftes Auflegen der Lippen, aber es dürfte offensichtlich sein dass ihr seine Art den Ring zu tragen gefällt. Der Griff würde sich erst lösen wenn der Kuss beendet ist.
Lange Zeit scheint ihnen nicht vergönnt, womit aber auch nicht zu rechnen gewesen ist, wieder ist es eine gewisse Unruhe die hereingetragen wird. Kutschen nähern sich eben nicht unbemerkt und wie bei jeder Ankunft wird es deshalb im Hof wieder lauter. Nach außen hin ruhig richtet sich Rondra auf, gerade, fast zu gerade. Es ist wohl das was Kelian als Eis bezeichnen würde, das ihre Gesichtszüge erstarren lässt. Während ihr Herz viel zu schnell zu pochen beginnt und sich ein dünner, kalter Schweißfilm auf ihren Handinnenflächen sammelt. Kann sie denn wirklich noch bleicher werden? Sicherlich muss sie fast durchsichtig sein. Welch‘ wahnwitzige Idee ist das hier nur gewesen?

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--Arnest
11. Lenzing 1462

Inzwischen ist Arnest recht froh um diesen Spießrutenlauf in Aachen. Zum einen weil es vorbei ist, zum anderen, weil er weiß auf wen seiner Männer er sich zu hundert Prozent verlassen kann. Gerade an Tagen wie heute ist das durchaus eine Notwendigkeit, denn immerhin musste er zwei Männer bestimmen, die für die Sicherheit des Mädchens sorgen sollen. Begeistert ist er ja nicht davon, dass die Kleine mit der Cousine seiner Herrin irgendwo durch die Landschaft toben soll. Aber ein Urteil maßt er sich natürlich nicht an, sondern erfüllt brav seine Pflicht und stellt die beiden geeignetsten Männer – natürlich aus dem Kreis der Aachenbegleiter - für diese Aufgabe ab.
In der Tat, dafür braucht man schon eine spezielle Eignung, und ob er selbst die hätte, daran hegt er Zweifel. Immerhin ist Johanna ein Kind. Ein recht ungestümes noch dazu. Aber sie ist eben auch die Tochter der Gräfin und man muss dem Mädchen zugute halten, dass sie sich durchaus benehmen kann wenn sie will oder wenn sie soll. Insofern bildet sie eine erstaunliche Ausnahme in seiner generellen Abneigung gegen alles und jeden, der ihm auf Grund seines Alters gerade mal bis zur Brust reicht. Manchmal kommt es sogar vor, dass ihre fröhliche Art ihn sogar innerlich zum Schmunzeln bringt. Zeigen würde er das natürlich nicht, einer großer Teils einer Autorität lebt natürlich von der nicht finstren aber stets ernsten Mine.
Der erste Besuch ist also schon für den Tag verabschiedet und eine ganze Weile später kündigt sich der nächste an. Der unangenehmere Part offensichtlich, aber ebenso wenig etwas worüber er sich eine eigenen Meinung bildet, zumindest offiziell. Klare Anweisungen hat es nicht gegeben, aber der Blick der blonden Gräfin hat Bände gesprochen. Ganz geheuer ist ihr der Kerl wohl nicht, deswegen hat Arnes mehr oder weniger eigenmächtig beschlossen, dass er wohl zumindest nach Waffen gefragt werden würde und wenn es auch nur den geringsten Anschein erweckt er könnte derartiges bei sich tragen, würde er wohl eine Untersuchung diesbezüglich über sich ergehen lassen müssen, ebenso etwaige Begleiter. Erst dann würde der Kommandeur den Weg ins Innere der Burg frei geben und den Besucher in die Obhut eines der Weiber entlassen die ihm den Weg zeigen sollen.
Ganz sicher sein kann man sich leider nie, zu ausgefeilt sind die Möglichkeiten jemanden beiseite zu schaffen. Sei es Gift im Ring, ein versteckter Dolch im Schaft des Stiefels… all das würde er wohl nicht kontrollieren können, denn der Herr war trotz allem Misstrauen des Wachmannes noch immer ein Gast. Eines jedoch ist sicher: sollte er der Gräfin auch nur ein Haar krümmen würde er die Anlage wohl nicht mehr auf den eigenen Beinen verlassen können.



Kelian_


Swallowed up by the ocean
11.03.1461


Im Gegensatz zu dem Weib weiß ich natürlich genau wo mein Blick liegen muss, so dass ich sie erblicken kann. Auf der Tür - wie so oft ist mein Fokus allein auf sie gerichtet, wobei es heute wohl auch keine Kunst ist, immerhin ist niemand anders im Raum. Also warte ich, die endlose Zeit die es braucht vom Burghof hierher zu kommen, noch Bestellungen aufzugeben. Endlich als sich die Tür öffnet, ebnet sich auch ein Lächeln seinen Weg auf mein Gesicht, meine Augen ruhen auf dem Weib. Glücklicher, ja vielleicht sogar weicher als sie in diesem Moment sollten. Ich beobachte sie, wie sie mich sucht und schließlich findet, wie sich ein Bein vor das andere setzt. Ich finde sie schön, auch wenn mir heute vielleicht endlich die Blässe auffällt, die ich die letzten Tage so gekonnt ignoriert habe. Warum auch immer. Da ich diesen Fehler allerdings gemacht habe, schreibe ich es dem heutigen kleinen Besuch zu, der sie wahrscheinlich die Farbe verlieren lässt. Zumal, immer wenn ich irgendetwas zu ihr sage, dann gewinnt sie durchaus an Farbe. Ich verstehe mich darauf. Meistens.
Ihre Worte werden von einem leichten Schmunzeln begleitet. Tief blicken? Ja, ich wüsste ein viel besseres Objekt um tief blicken zu lassen, aber dies ist heute absolut unmöglich. Trotz dessen befinde ich das Kleid als hübsch. Was das unverschämt angeht, da bin ich sicher nicht alleine, denn dass sie das Lederband um meinen Hals missbraucht, um mich nach vorne zu ziehen kann man als eben dies - unverschämt - bezeichnen. Da ich kaum eine Wahl habe, hier aber auch keine möchte, sind es auch meine Lippen, die sanft auf ihren liegen, den Kuss erwidern. Ich wette mit dir, dass Johanna es nicht unverschämt fand - sicher will sie lernen, wie man so pfeift. Was mich sichtlich erheitert, denn ich kann mir schon vorstellen, dass sie dies in den unmöglichsten Situationen anwenden würde. Nein, wahrscheinlich würde ich es ihr nicht beibringen, ein weiteres Nein, was sie sich meinerseits einfangen würde, aber die Vorstellung dazu ist zauberhaft. Wahrscheinlich nur für mich. Ich stoße mich leicht aus dem Sessel ab, um nicht mehr aufblicken zu müssen, wobei es natürlich auch nicht so ganz nett ist - so muss sie es wieder machen. Vorsichtig platziere ich eine Hand an ihre Seite, bevor ich schon wieder leicht belustigt von mir gebe. Das habe ich erwartet. Oder hätte ich es erwarten sollen? Dass sie diesen Weg wählt, sobald ich das Band umhabe? Wahrscheinlich, ich kenne sie dazu gut genug. Forschend gleiten meine Grauen über das Weib, über ihr blasses Gesicht, die ernsten Augen - ja selbst über den Eisfilm der sich bildet. Mögen die Spiele beginnen. Da wir noch Zeit haben, bevor der Kerl hier ist, lasse ich sie noch nicht los. Kurz durchzuckt mich der Gedanke, dass ich ihr wirklich ein bisschen Farbe ins Gesicht treiben könnte, aber sicherlich ist es dafür auch zu spät, wir wollen dem Kerl ja nicht atemlos entgegen treten und schon gar nicht aneinanderklebend oder peinlich berührt - zum anderen ist es nun einmal so. Es kann nur besser werden. Ja, wirklich und wenn nicht, dann können wir meinen kleinen Scherz ja doch noch in die Tat umsetzen - wobei, wenn ich mich damit intensiver beschäftige, würde ich den Kerl nicht mal in einem der Kerker wollen. Verzwickt. Ein tief durchgeatmet, lasse ich schließlich von dem Weib, bleibe bei meinem Sessel stehen, in den ich mich wahrscheinlich wieder setzen würde nach der Begrüßung. Wie gut war die Idee, dass ich hier bin? Wir würden es sehen in jegliche Richtung, wobei mir die eine auch wieder vollkommen egal ist. Es wird wirklich Zeit, dass es los geht.

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Leom
In Richtung Kaminzimmer
11.03.1462 - Vormittags

Noch bevor die drei die Kutsche verließen übernahm Leom das Mädchen aus den Armen der Kinderfrau. Schon bei Rondras Briefen hatte er den Eindruck gehabt, dass man sich von ihm in irgendeiner Weise bedroht fühlte – und durch das Kind auf seinem Arm konnte man vielleicht irgendwelche auf gesponnenen Gemüter ihres Wachpersonals besänftigen. Leom ließ Amalie vortreten, während Nora sich eine ruhige Minute an seiner Brust gönnte – und als der Blonde dann endlich selbst außerhalb stand, musste er sich dem Garnisonskommandanten und wohl noch einigem Sicherheitspersonal stellen. Weder er selbst noch Amalie waren zu diesem Zeitpunkt bewaffnet. Die Kutsche hielt zwar immer eine Waffe für Leom bereit, seit er auf die Gruppe wilder Italiener gestoßen ist, aber er hatte keinen Grund sie hier noch mit sich zu führen. Als er davon berichtete hatte es den Eindruck, man wolle die zwei wirklich untersuchen. Eine Vorsichtsmaßnahme mit Sicherheit – eine, der sich Leom beugte, obgleich er sie für vollkommen absurd befand. Während Nora für kurze Zeit zurück zu Amalie wechselte und Leom die Durchsuchung über sich ergehen ließ, legte sich sein Blick unschlüssig an die Mauern der Burg. “Was ist aus dir bloß geworden..?“ ging es ihm durch den Kopf und ein abschließendes Urteil schien ihm noch immer nicht möglich – obwohl sich das Bild einer paranoiden, schreckhaften Rondra in seinem Kopf immer mehr festigte. Das fing schon bei dem Gedanken an, seine Motivation in die Steier zurückzukehren habe auch nur im Geringsten etwas mit der Inquisition zu tun.
Auf Leom folgte die Kontrolle der Kinderfrau. Es war fast amüsant, wenn man die Farbveränderung in ihrem Gesicht betrachtete. Aber bei dem Blonden wollte sich einfach nicht so recht der Spaß einstellen. Das Mannsweib schien mit der Idee indes gar nicht warm zu werden, ließ sich aber auf das gute Zureden Leoms letztlich dazu bringen – Nora, als Tochter der Gräfin selbst, dürfte wohl keiner Untersuchung ausgesetzt sein. Das Ergebnis fiel enttäuschend aus: nichts aufzufinden. Insgeheim ging Leom auch der Frage nach, ob er das ganze Spektakel als ‚Drohgebärden‘ aufnehmen sollte. Ein Zeichen Rondras, dass er bloß konform zu ihr antwortete. Konnte er ihr so etwas zutrauen? Natürlich nicht – aber zu Zeiten ihrer Ehe war das Weib auch kein schreckhaftes Ding sondern entschied sich quasi im Alleingang die deutsche Krone heraus zu fordern.

Nachdem man von den Wachmännern weiter geschickt wurde übernahm eine der Angestellten anscheinend die Führung. Amalie würde sich recht bald von den anderen beiden verabschieden und irgendwo auf der Burg sicherlich Beschäftigung für die Zeit des Gespräches finden, Nora saß voller Faszination auf den Armen ihres Vaters. Sie liebte neue Orte und war schnell verzückt von Dingen, die sie nicht kannte.
Leom hingegen verlor sich wie schon auf der Anreise ein gutes Stück in seinen Gedanken und nahm keinerlei Notiz von der (wohlmöglichen) Schönheit der Flure. Es folgte bloß Schritt auf Schritt, während er sich den Kopf darüber zermarterte, ob die kommenden Minuten all diesen Stress wirklich wert waren. Es ging in den ersten Stock – das Kaminzimmer. Es war natürlich nicht genau dieser Raum – aber trotzdem konnte Leom nicht anders als einen Augenblick an die Bedeutung eines Kaminzimmers in der Beziehung von Leom und Rondra zu denken. “Gleich siehst du deine Mutter.“ murmelte er lächelnd an seine Tochter gewandt. Er fragte sich, in wie weit das Mädchen an Rondra noch gewöhnt war, seit sie im Oktober aus der Steiermark zu ihm gestoßen war. Aber nun war das Treffen so nah – es würde sich bald genug klären. An ihrer Destination angekommen hob er die Hand, um gegen das Türholz zu klopfen.


Mirabel
06. März 1462

Adam? Ihr Schützling? Ein Scherz, der Mira perlend lachen lässt! Ein Laut von dem Weib, was man in den vergangenen Monaten so selten zu hören bekam. Sachte wird das Köpfchen geschüttelt und der Kerl mit glitzernden Augen betrachtet, als er weiter spricht und seinen Standpunkt klar macht… und auch den des Herzogs, den er wohl sehr gut zu kennen scheint. Genickt wird deshalb und der Freund, ja Freund, angelächelt. Das freut mich, ehrlich. Und wer weiß… werden Schultern angehoben und der Schalk blitzt in ihrem Gesicht auf. …vielleicht bekommen wir doch noch unsere eigene Stadt. Dass Bruck im Grunde schon fast genau zu dieser Stadt geworden ist, lässt sie ungesagt, dürfte es eigentlich kein Geheimnis sein. Doch ist es eben keine offizielle Sache.

Als seine Aufforderung am Ende erklingt, beginnt sie zu schmunzeln und mustert den Fugger eingehend, fast skeptisch. Dir? Oder der Steiermark? Worauf sie anspielt dürfte klar sein, was sie auch sogleich laut ausspricht. Ein persönlicher Wunsch, der erfüllt werden will? Oder ein Zehnt von jedem mühsam erbeuteten Schatz? Was sie von Letzterem hält, hat sie schon einmal ihm gegenüber klar gemacht. Raubrittertum. Nein danke. Vor niemandem würde sie ihr Knie beugen und einen Eid leisten, der ihr wieder Fußfesseln verpassen würde. Auch wenn sie grundlegend ein großzügiger Mensch ist und gern gibt, so denn sie kann. Aber zwischen können und müssen ist doch ein himmelweiter Unterschied!

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Kelian_


Swallowed up by the ocean
11.03.1461


Wieder scheint es Stunden zu dauern, obwohl die Geräusche aus dem Hof schon vor Ewigkeiten verklungen sind. Dass eine Durchsuchung stattgefunden hat, haben weder das Weib noch ich mitbekommen, allerdings ist sie wohl auch eher unerwartet gewesen. Normalerweise ist Arnest eigentlich sehr umgänglich und dass er einen Mann mit einem Kind durchsuchen würde, würde mich wohl mit Staunen erfüllen. Mit Grinsen hingegen, dass er einen seiner Männer losschickt, den zweiten Kerl - äh natürlich das Kindermädchen - zu durchsuchen. Aber, im Endeffekt ist es ja auch egal, denn zum einen ist es an uns unbemerkt vorüber gegangen, zum anderen gäbe es zumindest von mir kein Mitleid. Der Abstand zwischen Rondra und mir gefällt mir nicht, ich für meinen Teil habe nichts zu verbergen - allerdings ist es ja auch so, dass ich den Abstand herbeigeführt habe, eben weil ich der Meinung bin, dass wir ihn nun auch nicht Arm in Arm begrüßen sollten. Wie gesagt, ich bin mir nicht sicher, wie es aufgefasst werden würde, dass ich hier mit im Raum bin. Also, eigentlich ist mir auch dies gleich, zumindest wie es für den Blonden aussieht, mir geht es um Rondra. Mein Weib. Ein kurzer Seitenblick streift sie, ich bin versucht zum Fenster zu gehen, zu schauen ob ich die Geräusche missgedeutet habe. Ist er vielleicht doch nicht eingetroffen? Noch unten? Mit einem leisen Brummen, als ob ich mit mir selbst geredet habe, natürlich nur in Gedanken. Weit komme ich nicht, noch nicht mal ganz am Fenster angekommen, ertönt schließlich ein Klopfen. Schon öffnet sich mein Mund, um 'Herein' zu sagen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass es ausnahmsweise nicht an mir ist. Ich würde es mir normalerweise ohne darüber nachzudenken herausnehmen, heute ist es was anderes. Man kann ja Rücksicht nehmen, weshalb ich meinen Mund wieder schließe, die wenigen Schritte zurück gehe, die mich erst mal hinter den Sessel führen. Meine Hände bleiben an meinem Körper liegen, sie vor der Brust verschränken ist sicher keine gute Idee, sie auf den Sessel zu legen auch nicht. Sollte auch so klar sein, dass dies mein Sessel ist.
Hingegen der sonstigen Gewohnheit liegt mein Blick nun nicht mehr auf Rondra, sondern auf der Tür. Ich bin gespannt, wie sehr der Kerl sich verändert hat, wobei ich auch sagen muss, dass ich ihn nur noch schlecht in Erinnerung habe. Vor allem ist es wohl auch so, dass er zwar auch einiges durchzustehen hatte, aber bei Weitem nicht soviel wie wir beide. Weshalb wir wohl auch heute hier sind, denn wäre der Krieg nicht gewesen und die Umstände, die diesen ganz natürlich begleitet haben, dann wären wir heute nicht hier. Meine Gedanken gleiten kurz zu Johanna, zu der Frage wie sie reagieren würde, wenn Rondra ihr die Neuigkeiten überbringen würde. Meine Lippen werden kurz zu einem Strich, doch noch ist nichts passiert, all diese Gedanken schwemmen in Sekunden durch meinen Kopf. Rondras Stimme erklingt ein kleines Stück entfernt von mir, diese kleine Nuance an Eisigkeit, die nur sie so beherrscht. Genau richtig, um es vor der Tür zu hören von der Lautstärke her. "Herein." Hinter dieser Schicht aus Eis, egal wie dick sie nun bereits geworden ist, bin ich mir recht sicher, dass auch Nervosität ist. Wie aber auch nicht? Vor der Tür steht nicht nur der Kerl, auf den wir wohl beide verzichten könnten - auch wenn es eine gute Idee ist, dass es nun endlich geklärt wird -, vor allem ist da eben auch das Mädchen, welches sie seit gut fünf Monaten nicht mehr gesehen hat. Fünf Monate in dem Alter sind ein ganzes Zeitalter und wahrscheinlich würde das Kind einfach fremdeln. Ich denke zu wissen, dass Rondra diese Möglichkeit in Betracht gezogen hat, zumindest hoffe ich es wirklich. Im schlimmsten Fall würde sie wahrscheinlich anfangen zu Heulen und zu Kreischen - je nachdem was sie für ein Typ von Kind ist. Eventuell würde sie auch einfach anfangen mit Rondras Haaren zu spielen, anfangen die Frau die ihre Mutter ist zu erkunden. Das Rätsel würde sich wohl tatsächlich lösen, immerhin wurde der Mann nun gebeten einzutreten. Man könnte meinen, dass die beiden Wachen vor der Tür ihn eingeschüchtert haben, denn dadurch, dass wir ihn erwartet haben, hätte er nach dem Klopfen und angemessener Zeit auch einfach eintreten können. Nun, dann legen wir mal die Karten auf den Tisch, wie uns alle das vergangene Jahr verändert hat - immerhin hatten die meisten von uns eine Katastrophe nach der anderen, währenddessen sich andere recht gut aus der Affaire gezogen haben.

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Leom
Im Kaminzimmer
11.03.1462 - Vormittags

Kelians Gedanken würden bei Leom nur ein zynisches Lachen als Reaktion erhalten. Seine Zeit mit Rondra begann deutlich später als die des Blonden und Leom hat in der Zeit zuvor einen sehr großen Anteil an Unterstützung und Rückhalt bieten müssen. Die große Hürde, die das Kartenhaus letztlich hat einstürzen lassen, ist der Seemann selbst.
Als Rondras Stimme letztlich erklang und das ‚Herein‘ ihn erneut an die bitteren Situationen im Grazer Kaminzimmer erinnerte, musste er zuerst Luft holen. Im vergangenen Jahr hatte er gelernt, mit Stress und Nervosität umzugehen – Seine Schultern und sein Rücken waren Aufrecht, sein Blick nicht gesenkt, sondern fokussiert. Seine Mimik, so verräterisch sie früher auch war, spiegelte nur mehr ein neutrales Bild wieder. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr ihn diese letzten wenigen Monate mit Rondra in dieser Hinsicht verändert hatten. Der Halt für Nora wurde unterbewusst etwas fester, als sich die freie Hand schließlich an dem Türknauf platzierte.

Der Ton in Rondras Stimme war ihm zu gut bekannt. Mehr als einmal hatte er auf beiden Seiten gestanden – sowohl als Empfänger als auch als Unterstützer. Es hatte inzwischen keinen Einfluss mehr auf ihn, denn obwohl Rondra sich ganz offensichtlich verändert hatte, nahm er sich trotzdem das Recht raus zu behaupten, dass er die Blonde kannte. Zumindest in dieser Hinsicht. Die wenigen Augenblicke zwischen Klopfen, Herein und dem Luftholen fühlten sich zäh und langsam an. Vielleicht war es das Unterbewusstsein Leoms, das ihn am Eintreten hindern wollte – vielleicht war es aber auch ein gutes Stück Intuition, dass ihn vor dem schützen wollte, was ihn im inneren erwartet.
Ohne Regung zu zeigen öffnete er die Tür, trat ein und warf einen forschenden Blick durch den Raum. Es war ein absurdes Gefühl auf diese Situation zuzugehen – etwas, auf das man sich mit noch so viel Fleiß nicht vorbereiten kann. Als Leom an ihrer Seite noch Souveränität ausgestrahlt hat, konnte man Nora kaum vor Neugierde zügeln – nachdem sie ihm aber ein deutliches Stück abhanden gekommen war, wandelte sich das Gestarre und Gebrabbel in zurückhaltendes Gucken und Schweigen. Was Noras Vater anbelangt sah die Sache nur bedingt anders aus. Nur kurz lag der Blick auf Rondra – grade so lang, dass er von ihrer Verfassung Notiz nehmen konnte - dann wanderten Leoms Augen auf den Mann, der seinen Namen damals partout nicht nennen wollte. Natürlich war selbst Leom mittlerweile so weit, dass er ihn kannte – aber in seinem Verstand hatte sich kein anderes Bild wirklich halten können. Einige Dinge erschlossen sich im ersten Augenblick, für mehr Dinge würde er wohl etwas Zeit zum Reflektieren brauchen. Auf jeden Fall die Worte des Grafen, vor einigen Tagen leichtsinnig aus dessem Munde gekommen, machten nun einen deutlichen Sinn. Eine Frage brannte sich in Leoms Schädel, noch ehe er ein einziges Wort sprechen konnte: wie lang? Und doch war ihm bewusst, dass darauf wohl niemals eine zufriedenstellende Antwort kommen würde.
“Guten Tag, Rondra.“ – keine Begrüßung für Kelian. Leom war sich sicher, dass auch dem anderen Engländer durchaus klar war, was Leom von ihm hielt – und außerdem ging der Blonde davon aus, dass das ‚Anhängsel‘ Rondras den Raum alsbald verlassen würde. Nie im Traum wäre er von sich aus auf die Idee gekommen, dass man hier tatsächlich eine „Zwei-gege-Einen“ Situation hervorrufen wollte – ganz besonders nicht, wenn es sich bei einem der anderen um diesen Mann handelt. Der Griff, der Nora hielt, wurde schlagartig ein gutes Stück fester. Eine Geste, die das Mädchen wohl tatsächlich so aufnahm, wie sie zu deuten war. Die Bereitschaft sie an ihre Mutter weiter zu geben, sank recht schnell. “Ich nehme stark an der Herr verlässt uns..?“ fragt er schließlich doch an die blonde Frau gewandt – und sein Ton lies dabei darauf schließen, dass es für ihn eigentlich gar nicht anders sein kann.


Rondra
11.03.1462

Wie langsam kann eine Tür aufgehen? Für Rondra scheint es in Zeitlupe zu geschehen und tatsächlich kleben die Blauen förmlich am Holz. Es ist nicht so, dass sie es nicht erwarten kann den Mann wiederzusehen den sie einst liebte, es ist die eigene Anspannung die scheinbar ins Unermessliche steigt. Der Blondschopf hat keine Ahnung wie sie reagieren würde, weder auf Leom, noch auf Nora. Etwas was sie verwirrt und verunsichert, denn sie ist gern Herrin der Lage und lässt sich ungern einfach in die Situation hineintreiben. Wohl genau aus diesem Grund beginnt sich das Eis Stück für Stück seinen Platz zu erobern. Keine gefühllose Kälte, aber eben der rettende Panzer, mit dem sie sich gern umgibt wenn etwas nicht an sie heran kommen lassen will. Die Einen interpretieren es als Gefühlskälte und Härte – und resignieren, Andere wiederum erkennen mehr und machen sich die Mühe das Eis zu schmelzen – auch wenn es vielleicht dauert.
Egal, tatsächlich geht Rondras Blick noch einmal kurz Kelian, bevor ihre beiden Gäste eingetreten sind. Ängstlich, wobei sie nicht weiß woher diese Angst genau kommt. Es kann nichts passieren, rein gar nichts. Ihre Wege haben sich getrennt, erst im wahrsten Sinne des Wortes und danach durch den Willen der Kirchen. Beides waren seine Entscheidungen, lediglich bei der ersten hat sie dazu beigetragen.
„Leom… auch dir einen guten Tag.“ Erstaunlich ruhig und gelassen kommt es vom Blondschopf. Ja, eigentlich sogar freundlich. Ein Blick genügt und Rondra hat die Gewissheit dass er für sie tatsächlich ein Schatten der Vergangenheit geworden ist. Diese eine Nervosität verfliegt, alles was sie vor Monaten an Fragen gequält hat, ist fortgewischt. Grotesk dass sie davor auch Angst gehabt hat, ohne genau zu wissen wovor genau. Längst ist sie das Weib eines anderen, ohne wenn und aber und ohne Zweifel. Trotzdem ist das hier eben eine seltsame Situation. Die Musterung des einstigen Ehemanns ist recht schnell abgeschlossen, zumindest für den Augenblick. Wer mag es ihr verdenken? Er hält Nora auf dem Arm, wem sonst sollte ihre Aufmerksamkeit gelten? „Nora…“ Unendlich weich und zärtlich kommt der Name ihrer Tochter über ihre Lippen, als sich die Blauen auf das Kleinkind legen. Sie hat sich verändert und es ist ein kleiner Schock für Rondra wie sehr. Es ist zu erwarten gewesen, fünf Monate. Aus ihrem Baby ist ein Kleinkind geworden, zweifelsohne. Zwei kleine Schritte sind es, die Rondra auf die Tür zu geht, ohne damit die Distanz wirklich zu überbrücken, denn dass Leom Nora fester hält ist nicht zu übersehen und so sinken die Hände, die gerade nach oben zucken wollten wieder schlaff herab. Es war zu erwarten gewesen. Weder würde sie ihm das Kind entwinden, noch Nora zu Nähe zwingen. Vermutlich hatte sie ähnliches in Nürnberg durchmachen müssen – hatte sie den Vater schließlich auch einige Monate nicht mehr gesehen. Das Lächeln welches aufkeimen wollte schafft es nur schwach auf ihre Lippen, der sich bildende Kloß in ihrem Hals will ganz andere Dinge. Alles nur das nicht.
Fast ist sie über Leoms Frage dankbar, doch die Blauen lösen sich bei ihrer Antwort noch nicht von Nora. Ja, es ist unverkennbar wessen Kind sie ist, doch nicht mehr ganz so stark, durchaus treten da auch fuggersche Züge durch – zumindest bildet sich das Weib das ein.
„ Ihr kennt euch noch nicht? Kelian Peverell Freiherr von Rabenstein, Hofrat und Wappenmaler der Steiermark.“ Immer noch scheint ihre Stimme vollkommen ruhig, während sie das sachlich darstellt. Es ist das erste Mal dass sie diesen Namen benutzt – zumindest öffentlich. Es fühlt sich ein bisschen seltsam an. Doch es unterstreicht wohl, dass Kelian dagewesen ist, in jeglicher Weise. Aber natürlich gehören zu einer Vorstellung immer zwei. „Leom Torridge.“ Sie weiß selber dass da mehr ist, Hörensagen, wie so vieles eben. Soll er es selber ausschmücken, wenn er möchte, es ist an sich Einerlei. „Kelian hat sich in den letzten Monaten als unverzichtbarer Ratgeber und Freund von mir bewiesen, ich verdanke ihm mein Leben. Er hat dieses Treffen vorgeschlagen, ich finde also schon, dass er hierher gehört.“ Erst jetzt löst sich ihr Blick von Nora, schweift über Leom, um dann mit einem leichten wenden des Kopfes bei Kelian zu landen. Schwer zu deuten was in ihren Augen steht, denn sie weiß es selbst nicht einmal. Selten ist ihr so überdeutlich bewusst gewesen wie wenig sie ohne ihn mittlerweile wäre. Kraft und Halt, er ist so viel mehr als eben der Geliebte. „Es liegt in deiner Hand, Kelian.“ Ja, wirklich, doch er sollte wissen wie sie darüber denkt. Vielleicht wäre der Besuch schnell beendet, wenn er bleibt, vielleicht wäre es nicht mal das Schlechteste, es würde keine überkochenden Gefühle geben. Aber die muss es auch gar nicht geben, nicht zwangsläufig und nicht allein durch sie hervorgerufen. Wieder findet ihr Blick ihre Tochter. Ob sie laufen kann, waren da schon die ersten Worte? Die Fragen bohren sich förmlich in ihren Kopf hinein und kaum mag etwas anderes Platz haben. Sie auszusprechen scheint allerdings im Augenblick etwas fehl am Platz. Also beschränkt sie sich darauf zu starren und sich jede kleinste Nuance des Gesichtchens einzuprägen. Wer weiß schon wie das hier enden würde.

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Kelian_


Swallowed up by the ocean
11.03.1461


Was hätte, wäre, wenn, gewesen. Alles Wörter, die mir kurz durch den Kopf fluten, als sich die Tür in Zeitlupe öffnet. Wäre vielleicht das nicht gewesen, dann wäre er hier und dieses Gespräch würde nicht stattfinden. Hätte vielleicht etwas anderes stattgefunden... Hach. Dieses Spiel kann man ja auch wirklich fortführen und am Ende bringt es eben doch nichts, weil sich für diesen Augenblick wohl auch überhaupt nichts ändert. Dieses Spiel war wohl schon immer eher verboten in meinem Kopf, denn würde ich es wirklich spielen, wo sollte ich ansetzen? Bei meiner Geburt? Bei meinem Eltern und ihrem Stand? Bei dem Umstand, dass ich zur See fahren musste? Vielleicht doch erst beim Tod meiner Frau? Bei dem Treffen von Rondra? Nein, es gäbe zuviel, was ich vielleicht bereuen könnte oder was vielleicht unter ein wenig anderen Umständen auch anders passiert wäre. Dies ist müßig, heizt nur Gefühle an, die man Eifersucht oder Neid nennt. Nichts, was ich eigentlich gerne empfinde, denn ich habe schon immer annehmen müssen, was das Leben mir gibt. Sei es nun die Seefahrt, den Tod oder nun zuletzt eine Freiherrschaft.
Meine Augen ruhen ruhig auf dem Kerl, vielleicht wäre es jetzt an der Zeit ihm ein fieses Grinsen zuzuwerfen, denn ich habe bekommen, was ich von Anfang an wollte, aber es gibt Dinge, die macht man einfach nicht. Ich hege keinen Groll gegen den Blonden außer dem Offensichtlichen, dass er dem Weib in unmittelbarer Nähe zu mir sehr viele Stiche ins Herz versetzt hat. Die Umstände dazu waren sicher nicht immer einfach, es gehören zu allem zwei. Zum Betrug, zum Verletzen und auch zum Verlassen, ja natürlich auch zum Lieben. Ich schätze letzteres haben wir beide bisher ganz gut für uns hinbekommen, den Rest irgendwie noch nicht - ist ja aber auch kein Muss für eine erfolgreiche Beziehung. Einmal schweifen meine Grauen über das Gesicht von Leom, ausdrucklos. Neutral vielleicht. Der Bart wird registriert, bevor sich meine Aufmerksamkeit dem Kind zuwendet. Ich könnte mich jetzt darüber wundern, dass sie groß geworden ist, aber zum einen ist dies wohl sehr natürlich für Kinder in diesem Alter, zum anderen ist es tatsächlich das erste Mal, dass ich sie sehe. Nun, niedlich ist sie. Klar, es gibt kaum Kinder, die in dem Alter nicht süß sind und die Großen in ihren Bann ziehen. Nur, dass es das Kind bei mir nicht macht beziehungsweise ich mich dagegen sperre. Ich rechne nicht damit, dass sie Teil meiner Familie werden würde, kann gut darauf verzichten. Allein der feste Griff des Kerls zeigt wohl an, dass hier einiges nicht nach seinen Wünschen läuft. Ich kann es ihm nicht verübeln, allerdings hat er es versäumt dem Treffen seine eigenen Konditionen aufzudrängen, indem er sich gemeldet hat. Wenn seine Intentionen so rein waren, wie er überall rumerzählt - er hat ja nun wirklich nicht versäumt mit möglichst vielen zu sprechen -, dann wäre vielleicht auch ein Brief an Rondra angemessen gewesen. Schon würde man vielleicht in Bruck sitzen oder auch in Graz, gibt ja genug neutrale Orte, die man hätte betreten können.
Von den beiden gleitet mein Blick dann also zu Rondra, die die ersten zaghaften Schritte macht und dann eben doch abgekühlt wird. Keine Begrüßung für mich? Hey, ist nicht so schlimm, wir haben alle das ein oder andere Defizit an Manieren. Ich ja auch, ich erinnere mich noch gut an unsere ersten Treffen, wo er so verzweifelt versucht hat meinen Namen zu erfahren. Sicher war das nicht ganz gerecht von mir, aber meine Angelegenheiten galten nun doch eher Rondra. Nur, erinnere ich mich auch daran, dass ich mich als eine Art Friedensangebot vorgestellt habe. Es ist fast als sind wir wieder vor dem Haus der beiden, wie sich das Thema hochschaukelt und wie man sie wenig später schreien hört. Schon komisch, dass Rondra und ich uns noch nie so angeschrien haben, es bestand irgendwie nie die Notwendigkeit dafür. In jedem Fall kratze ich meine Manieren heute zusammen, nicke dem Blonden zu. Torridge. Ebenfalls neutral, ist ja nicht so, dass ich mich freue ihn nun zu sehen - es ist eben notwendig. Die folgenden Worte lassen mich dann doch leicht grinsen, nur für ein paar Sekunden, denn die Worte des Weibes wischen dies wieder fort. Nicht, weil sie mich als ihren Ratgeber, Freund und Lebensretter vorstellt - es enthält alles, was der Kerl wissen muss und eben doch soviel mehr. So vieles, was darin mitschwingt, denn ich habe ihr vielleicht auf mehrere Arten das Leben gerettet, so wie sie es irgendwie eben auch mit mir gemacht hat. Nein, ich reibe mich ein wenig daran, dass sie die Entscheidung mir überlässt. Ich beuge mich ein Stück nach vorne, meine Arme legen sich nun doch auf den Sessel, ich falte meine Hände ineinander. Es ist, als ob ich dadurch näher am Geschehen bin, dennoch haben sich meine Füße nicht einen Zentimeter bewegt. Ich ziehe kurze in Erwägung die beiden allein zu lassen, so wie ich es zwischendurch auch vorgeschlagen habe, allerdings hätte dann auch ich den Tag mit Johanna verbringen können oder mit den beiden Weibern zusammen. Ich runzel meine Stirn leicht, bevor ich mich an Leom wende. Ich fürchte meine Anwesenheit steht nicht zur Disposition. Ich habe es Rondra bereits mehrfach freigestellt, ich bin nicht zufällig in diesem Raum. Nein, weder Fenster noch Tür stand offen, so dass ich einfach hereinflattern konnte. Natürlich bin ich hier, weil es gewünscht wurde. Was auch sonst. Lasst euch nicht stören, ich schätze dieses Treffen ist längst überfällig, schließlich soll das Mädchen doch ihre Mutter sehen, oder nicht? Mein Blick liegt auf Leom. Dies ist doch, was er erzählt - Wahrheit oder nicht? Denn wenn es so ist, dann sollte ich nicht das Problem in dieser Geschichte sein, schließlich stehe ich nur hier, beobachte - vorerst.

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Leom
Im Kaminzimmer
11.03.1462 - Vormittags

Die folgenden Worte der beiden anderen Erwachsenen in diesem Raum brachten Leom definitiv zum nachdenken. Rondras Vorstellung Kelians war in seinen Augen eine bloße Farce. Natürlich war die Blonde für Leom weit mehr als nur ein ‚Schatten der Vergangenheit‘ – aber im Gegensatz zu ihr hatte er bei seiner Abreise damals längst noch nicht mit der Ehe abgeschlossen. Rondra im Gegensatz, zumindest konnte Leom nun endgültig davon ausgehen, schon. Unausgesprochen prangerte schon seit Beginn der absurden Situation die Frage „Wie lang?“ in seinem Kopf – Ihre und seine Worte verstärkten das Ganze nur. Die Bootsfahrt? Graz, während man sich für jene verabredete? Die wirrsten Gedanken fanden alle ein kurzes Gastschauspiel – selbst die Möglichkeit „England“. Wobei nicht einmal das wirklich absurd war: er ist ihr schließlich von dort bis nach Graz nachgereist und dann geblieben – obwohl er sich selbst Seemann schimpfte. Nein. Leom wurde einmal mehr bewusst, dass er seine Gedanken, also zumindest diesen Gedanken, auf einen späteren Zeitpunkt schieben musste.
Nora hat inzwischen Notiz von ihrer Mutter genommen. Vielleicht war es tatsächlich die Erinnerung oder das Zureden Leoms wenige Augenblicke zuvor, aber die dünnen Ärmchen lösten sich von ihrem Vater und streckten sich voller Erwartung in Rondras Richtung. Ein leises, überglückliches “Mama..“ perlt über die kleinen Lippen und Leoms Tochter fällte damit zumindest eine grundlegende Entscheidung, die erst kurz zuvor überhaupt anders gelautet hatte: Rondra würde Zeit mit ihr verbringen können. Gleichzeitig hieß das aber keines Falls, dass er sich zu einem Gespräch verleiten lassen würde. Nachdem Kelian geendet hatte, brauchte Leom ein paar Augenblicke um sich endgültig zu ordnen. “Ich habe sie hier her gebracht, damit du sie sehen kannst – Man sieht dir deutlich an, wie sehr du sie vermisst hast. Und du kannst sie hören – sie möchte dich auch sehr dringend sehen.“ Es schleicht sich sogar ein Lächeln auf seine Lippen, dass aber wohl vorrangig Noras Äußerung entspringt. Auch ein Stück Stolz mischt sich mit ein, als er das Mädchen schließlich langsam von seinem Arm hinab auf den Boden setzt. Nora war weiterhin auf Rondra fokussiert und auf wackeligen Beinchen machte sie sich endlich auf, um Rondra ganz nah zu sein.
Als er seine Tochter aber nicht mehr hielt, schien sich auch seine Stimmung rasch zu verflüchtigen. Der Blick ging von Tochter und Exfrau zum „Unruhestifter“ – Er hätte ihn gleich am ersten Tag in Graz aus der Stadt jagen sollen. “Ich bin hier, weil ich der Einladung Rondras auf ein Gespräch gefolgt bin – die Tatsache, dass sie eure Anwesenheit in dem Brief nicht genannt hat, zeigt mir deutlich wie genau ihr über meine Reaktion im Klaren gewesen seid. Ich frage mich bloß, wofür sie euch braucht? Sie hat von mir keinerlei Dinge zu befürchten – im Traum würde ich ihr kein Schaden zukommen lassen.“ Schon im Gespräch mit Arioste hatte er den Eindruck, dass die Steirer ihn hier für einen Massenmörder hielten. Doch er war noch nicht fertig: “Jedenfalls werde ich einem klärenden Gespräch unter solchen Umständen – und ich vermute, dass ich hiermit auf kein Verständnis treffen werde – einfach nicht zustimmen. Ich erlaube meiner Tochter Zeit mit ihrer Mutter. Wie das ganze ablaufen soll lässt sich sicher auf dem Rückweg zur Kutsche klären, während ihr hier auf Rondra wartet.“ Er war sich fast sicher, dass die Blonde darauf nicht eingehen würde. Aber das kümmerte ihn zur Zeit herzlichst wenig – nach dem Überfall hier konnte man nun wirklich nicht erwarten, dass er mit aller Herzlichkeit in ein Gespräch tauchen würde. “Aber wie gesagt, ihr habt von mir nichts zu befürchten. Die Fronten in Sachen Liebe sind zwischen Rondra und mir längst geklärt – außerdem würde ich nicht einmal meinem ärgsten Feind die Frau ausspannen, denn ich weiß wie sich das anfühlt.“ Das Kelian so plötzlich genau dieser Feind geworden ist musste Leom mit Sicherheit nicht noch extra erwähnen.


Rondra
11.03.1462

Kelians Entscheidung fällt und lässt Rondra leicht nicken. Sie hat kaum etwas anderes erwartet, auch wenn es durchaus im Bereich des Möglichen gewesen wäre. Ja, angeboten hat er es ihr bereits, doch gleichzeitig war da auch die Versicherung sie nicht aus den Augen zu lassen. Nicht in Bezug auf Leom – zumindest nicht nur, das wäre wohl ein bisschen überzogen – in Bezug auf die Gesamtsituation, die durchaus Gefahren birgt. Seine kurze Verstimmung bleibt unbemerkt von der Fuggerin, dazu hätte sie ihn ansehen müssen, doch ihr Blick hängt auch bei seinen Worten an Nora.
Mama? Zuerst verlässt ein erstickter, gurgelnder Laut ihre Kehle, bevor die Blauen kurz von dem Kleinchen zu ihrem Vater gehen und wieder zurück. Hinterfragen ist keine Option, wenn es auch sehr erstaunlich ist, dass Nora sie richtig benennt. Immerhin sind es fünf Monate und zu diesem Zeitpunkt war da kaum mehr als ein Brabbeln und Blubbern. Egal wie und weshalb, als Nora abgesetzt wird, verringert Rondra die Distanz welche sie zu bewältigen hat um einige Schritte und sinkt auf ein Knie herab. Kindern sollte man auf Augenhöhe begegnen, vor allem wenn sie solche Wunder vollführen. Sie läuft, wenn auch wacklig – ein Anblick der Rondras Herz überschäumen lassen will. Nein, sie haben es sicher nicht leicht miteinander, aber wie könnte es sie nicht bewegen, wie Nora da auf sie zu tapst. Beide Arme strecken sich ein wenig aus, die Handflächen nach oben, um der Tochter ein erreichbares und lockendes Ziel zu bieten. Seltsam in dieser Konstellation solch ein Glück zu empfinden und dass da pures Mutterglück über Rondra schwemmt ist klar zu erkennen.
„Danke…“Ohne zu Leom aufzusehen kommt auf seine Worte ihre schlichte Antwort, doch dies eine kleine Wort ist geprägt von ihren Gefühlen der Tochter gegenüber und ernst gemeint. Grotesk ausgerechnet ihm zu danken. Tatsächlich gilt der Dank lediglich der aktuellen Situation und dem Zugeständnis ihre Tochter sehen zu können. Es liegt in seinen Händen, mit solch einer Leichtigkeit könnte er ihr das Verwehren, ohne dass sie Einfluss darauf hätte.
Nora erreicht ihre Mutter, welche sie den letzten halben Meter an den Händen zu sich führt. Behutsam ist die Annäherung, denn selbst wenn Nora sich aus freien Stücken angenähert hat, so kann die Stimmung in ihrem Alter jederzeit Kippen. Es fällt schwer sie nicht stürmisch in die Arme zu ziehen, zu herzen und mit Liebe zu überschütten. Stattdessen ist es ein Strahlen was Nora bekommt und die Freiheit zu tun was sie gerade möchte. Augenscheinlich ist ihr erster Wunsch der Mutter eine Patschehand ins Gesicht zu drücken, halb auf den Mund, halb auf die Wange. Bevor ihr Blick von der Kette um ihren Hals gefangen genommen wird, das matt schimmernde Medaillon. Kinder sind sich in ihrem Tun manchmal doch recht ähnlich. Damals bei Johanna war es stets der Siegelring, welcher ihre Aufmerksamkeit bannte. Vollkommen in eine andere Welt abgetaucht nimmt Rondra das Medaillon vom Stoff ihres Unterkleides und hält es achtsam fest, um es gleichzeitig eben der Tochter zu zeigen. Drehen und wenden, aufschnappen lässt sie es allerdings nicht – zumindest vorerst nicht.
Ein guter Teil von Leoms Worten rauscht ungehört an ihr vorbei, es ist eine andere Welt, eine andere Zeit in der sie sich zu befinden scheint. Doch schließlich erreichen sie ihr Ohr eben doch irgendwann. Irritiert hebt sich ihr Kinn, als sie aufblickt. Längst hat sie Nora in eine heimliche Umarmung verwickelt, die freie Hand von Rondra ruht auf ihrem Rücken, als wolle sie ihr ein wenig Halt schenken.
Dass er kein Schaden über sie bringen will, das glaubt Rondra ihm sogar unbesehen. Ja, Unsicherheit war dagewesen, wegen des Urteils und der Inquisition. Nein, dass er ein Häscher der Inquisition sein könnte, das glaubt sie nicht und hat es auch nicht geglaubt. Zumindest nicht in Bezug auf sie selber.
Weitere Worte fallen und irgendwann öffnet sich ihr Mund ungläubig. Ihre beiden Namen und das Wort Liebe in einem Satz zu verwenden ist schon gewagt, nach all dem was gewesen ist. Doch es ist etwas ganz anderes was den Griff um ihr Medaillon stärker werden lässt, bis die Anspannung die Haut über ihren Knöcheln weiß hervortreten lässt.
„Allerdings.“ Schon dies eine Wort hat die Kälte zurück in ihre Stimme gebracht. Den Blick auf Kelian unterdrückt sie im ersten Augenblick, sie wagt es einfach nicht. „Jegliche Liebesangelegenheit zwischen uns war geklärt, als du dich für die Scheidung entschieden hast und ich das durch Schwester Ysabets Brief erfuhr, wenige Wochen nachdem du zu deiner Reise aufgebrochen bist.“ Was die Annahme nahe legt dass er es zu diesem Zeitpunkt eben doch wusste, denn nach seiner Abreise hatten sie schließlich keinen Kontakt mehr, welcher seinen Entschluss beeinflusst haben könnte. Von seiner Verwundung erfuhr sie erst durch Geralds Brief – im selben Zug wie durch seine angebliche Liaison, an welche sie heute selbst nicht mehr recht glauben mag. Zumindest nicht, dass sie mit Bakila stattgefunden hat. „Ausgespannt?!“ Oh, das hier könnte böse werden, richtig böse, denn was er da unterstellen will – und was er verschweigt – ist unfassbar. So viele Möglichkeiten zu antworten und eine ist zynischer als die andere. Wut und Zorn lassen die Wangen glühen und tatsächlich schafft es Leom das Eis in ihren Augen innerhalb von Sekunden zu schmelzen – erstaunlich, wer hätte ihm das zugetraut? „Solltest du mich mit „Frau“ meinen….“ offensichtlich, wen denn sonst? Aber vielleicht hatte er in der Vergangenheit ein Weib was ihm ausgespannt wurde – sie wurde es nicht, definitiv nicht. Sie hätte bis in alle Ewigkeit an der Ehe festgehalten und Kelian wahrscheinlich irgendwann in die Wüste geschickt und im schlimmsten Fall durch einen anderen ersetzt. Dass Gefühle wachsen konnten hat erst Leoms drängende und ungeduldige Art möglich gemacht. „Mir war nicht bekannt dass Kelian dich Anfang des Jahres ins Hurenhaus geschliffen hat. Genauso wenig wie er dir dabei geholfen haben wird den Kirchenantrag auszufüllen…“ Das ist nun wirklich absurd. „Genauso gut könnte ich behaupten Ronda von Wahlasé habe mir den Mann ausgespannt.“ Wie man doch unbewusst ins Schwarze treffen kann. Denn wenn man die Fakten auf den Tisch legt, sie war so offiziell seine Freundin wie Kelian für sie ein Freund war – und nun war sie das Weib an seiner Seite. Da hackt die eine Krähe der anderen kein Auge aus. Doch ein Mal ausgesprochen, flammen ähnliche Fragen auf, wie sie Leom sich zu stellen gewagt hat. Es ist nicht das erste Mal in diesen Tagen dass dieses ‚Seit wann?‘ durch ihren Kopf wabert – auch wenn die Antwort eigentlich keinen Belang hat. Es wäre egal. Ob nun seit ihrer gemeinsamen Abreise nach Nürnberg – und somit ungefähr seinem Entschluss sich scheiden zu lassen, oder bereits in jenen Nächten in Graz, in denen er fort war. Bei seinen Reisen zu ihr nach Rottenmann, wohin ihn seine ignorante Frau nicht begleitet hat. Ja, sogar Italien wäre eine Möglichkeit, wenn auch eine sehr zweifelhafte, aber immerhin waren sie nach seiner Rückkehr in die Steiermark recht schnell sehr eng befreundet. Eine Freundschaft die Rondra mit Kelian verwehrt geblieben ist. Eifersucht von Anfang an, Misstrauen, wo Vertrauen hätte sein müssen – denn sie hatte ihm nie einen Anlass gegeben an ihrer Treue zu zweifeln. Aber vielleicht verhält es sich tatsächlich so: Er traute anderen alles zu, damit war ihm selbst wohl auch viel zuzutrauen. Bis er sie letztendlich selber in Kelians Arme getrieben hat – sicher unwissentlich und ohne es zu wollen. Self-fulfilling prophecy. Wer hätte gedacht, dass sich eben jene Arme als so haltend herausstellen würden? Im nachhinein muss sie Leom wohl dankbar sein. „Wage es nicht mir in meinem Haus solche Dinge zu unterstellen. Es reicht wenn du überall sonst das unschuldige Opferlamm spielst. Sollte mir zu Ohren kommen, dass du meinem…. unseren Ruf absichtlich schadest, wirst du Konsequenzen zu spüren bekommen.“ Keine leere Drohung, sie hätte keine Scheu ihn vor das steirische Gericht zu zerren – und seine Aussichten dort dürften recht schlecht sein. Pech, wenn man meint sich die falsche Heimat suchen zu müssen.

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Kelian_


Swallowed up by the ocean
11.03.1461


Es schockiert mich beinahe, wie zugetan ich dem Kind plötzlich bin. Doch, es muss überdurchschnittliche Intelligenz besitzen, wenn es seine Mutter in dem Alter nach fünf Monaten noch erkennt, ja sogar das richtige Wort zuordnen kann. Im selben Augenblick, wo mir diese Gedanken durch den Kopf schießen, bemerke ich, dass die Sympathie sogleich wieder sinkt, denn es ist schon manchmal mit Johanna schwierig. Sie ist sehr verständig für eine Fünfjährige, auch wenn natürlich sie ihre Anfälle von Trotz hat. Dieses Kind hier würde, wenn es wirklich so schlau ist, wie es gerade den Anschein gibt, der Horror werden. Erst als Kleinkind, sobald die ersten ganzen Sätze herauskommen, später dann in der 'Schule'. Wissbegierig bis zum Ende, Fragen die einen irgendwann nur noch nerven würden und jeden Hauslehrer aus dem Haus treiben würden. Am Ende müsste man jemanden finden, der das Mädchen heiraten wollten würde - kaum zu glauben, dass sich jemand freiwillig ein Weib ins Haus holen würde, welches alles besser wusste - bleibt nur zu hoffen, dass sie wenigsten genügsam ist, ihren Platz im Leben kennt. Nein, ich beruhige mich wieder, da ist keine Sympathie für das Kind vorhanden, eher für den Moment, der sich da vor meinen Augen abspielt. Die Vereinigung von Mutter und Kind. Reines Glück, wie es sich selten abspielt. Mein Gesichtsausdruck wird sicher für meinen Moment weicher, als ich die Szene beobachte, aber anscheinend gönnt jemand weder mir noch dem Weib einen Moment des Glücks. In meinem Fall verstehe ich dies durchaus, in Rondras eher nicht. Sie war mal seine Frau, er hat sie geliebt - so zumindest seine Behauptung und sein Schwur, als er vor Gott anscheinend leichtfertig gesagt hat, dass er sie bis zum Tod zu seiner Frau nehmen würde, egal ob gute oder schlechte Zeiten -, er sollte ihr also zumindest ein wenig Ruhe gönnen. Nun gut, die meisten seiner Worte sind wohl auch eher über sie an mich adressiert, scheint es so, dass er mich nicht gerne direkt ansprechen möchte. Müsste er mich ja auch begrüßen, ich kann das schon nachvollziehen, ehrlich. Vollkommen sogar. Ihr wäret wahnsinnig, wenn Ihr ihr etwas tun würdet - dafür halte ich Euch nicht. Ich hoffe die Anwesenheit von den Dienstmädchen und Wachen ist nicht ebenfalls ein Problem für Euch, immerhin hat sie die in ihrem Brief auch nicht erwähnt. Sicher hätte sie es schreiben können, dass ich mich ebenfalls hier aufhalte, allerdings wüsste ich nicht, was es Euch angeht? Es ist schlichtweg nicht Eure Angelegenheit. Sie hat mich gebeten dabei zu sein, ich habe Ihr gesagt, dass es dies sicher nicht einfacher macht. Ein bemerkenswert lasches Schulterzucken folgt meinerseits. Weiber. Machen eh was sie wollen, hören im Endeffekt doch auch eh nur auf Männer, wenn sie es wollen. Weiter werde ich die Angelegenheit mit ihm in dieser Hinsicht nicht diskutieren, aber er scheint das ganz anders zu sehen. Mir ist wieder eingefallen, warum ich den Blonden nicht mag, schon damals nicht mochte. Seine Art die Dinge anzusprechen, in den falschen Momenten auf den falschen Dingen zu beharren. Nein, er scheint stets den falschen Weg zu wählen. Hätte er Rondra damals nicht bedrängt, ja sie gar betrogen, ich wäre heute sicher nicht hier - verdammt, da ist es doch passiert. Ein hätte, wäre, wenn gewesen. Durchaus kann ich es verstehen, werde aber an diesem Umstand nichts ändern. Wie gesagt, die Anwesenheit meiner Person steht nicht zur Diskussion und wird es vermutlich auch in Zukunft nicht - zumindest nicht, wenn die Diskussion von Eurer Seite aus angeregt wird. Ein leichtes Grinsen schleicht sich auf meine Lippen, wer kann schon ahnen, dass es so schnell wieder zur Seite geschoben werden würde. Ich werde nicht hier warten, schon gar nicht, weil Ihr es für angemessen haltet. Euer Wort in Bezug auf diese Dinge, was ich zu tun oder zu lassen habe, zählt für mich nicht. Ich hoffe, ich habe dies jetzt deutlich genug gemacht. Ja, denn es ist wirklich nicht disponibel, er sollte einfach aufhören sich so sehr an meiner Anwesenheit aufzureiben. Ich will dies gerade sagen, ihm erklären, dass er von meiner Seite aus genauso wenig zu befürchten hat, wie Rondra von ihm - als er wohl einen Fehler begeht. Zumindest aus meiner Sicht.
Wir sind uns sicherlich gegenseitig nicht die Liebsten, nur die Worte, die er es da wagt auf einer fremden Grafschaft über die jeweilige Gräfin in den Mund zu nehmen, die sind schon stark. Sehr sogar. Mein Gesichtsausdruck hat sich ganz langsam gewandelt, das Grinsen ist komplett verschwunden und er hat Glück, dass Mutter und Kind mir den direkten Weg versperren. Die erste Impulshandlung, nämlich dem Kerl kräftig ein paar auf's Maul zu geben, die kann ich dadurch nicht vollführen. Man sollte ihn zu Boden ringen, seinen Mund aufmachen und mit Seife auswaschen. Dass er es überhaupt wagt in seiner Situation, die hinlänglich bekannt ist, auch nur so etwas in den Mund zu nehmen? Na klar, er trifft zumindest teilweise ins Schwarze, allerdings ist es nicht das erste Mal, dass ich dieser Situation gegenüber stehe. Ich habe gelernt meine Gedanken, die Wahrheit von meinem Gesicht zu verbannen, denn die Male, die ich es nicht gemacht habe, sind mir sehr teuer zu stehen gekommen. Es ist, als ob mein Rücken kribbelt, aber ich habe dringendere Probleme zu bewältigen. Meine Hände verkrampfen sich beide leicht, greifen in den Stoff vom Sessel. Die Anstrengung lässt meine Fingerknöchel deutlich hervortreten. Ein schöner Besuch, gut, dass wir uns alle darauf eingelassen haben. Wie sagte ich zu dem Weib? 'Kann nicht schlimmer werden.' Ich sollte mich danach vielleicht dafür entschuldigen. Noch stehe ich weit genug weg von dem Kerl. Es ist mir egal, dass er größer ist als ich, eine bessere Reichweite hätte - ich bin mir recht sicher, dass er sich bisher noch nicht sehr oft geprügelt hat. Ich hingegen habe eine langjährige Erfahrung aufzuweisen und schon früh angefangen auszuteilen. Da ich auf seiner Seite keine einfach oder mehrfach gebrochene Nase sehe, indiziert dies, dass er entweder genauso gut ist wie ich oder dass er eben keine Erfahrung hat. Nicht einmal meine verkrüppelte Hand würde mir einen Strich durch die Rechnung machen, soll sie verkrampfen oder zittern - die Faust würde so oder so bleiben. Egal, auf meiner Seite stehen noch zwei Bewaffnete vor der Tür, die er dann eben nicht so einfach wegwischen könnte. Unfair? Pirat. Zum Glück kann ich mich aber beherrschen, weshalb ich auch beim Verbalen bleibe. Beziehungsweise es versuche. Die wenigen Momente, die ich brauche um mich nicht einfach auf ihn zu stürzen, die nutzt Rondra für sich, die wohl unbemerkt wieder in das Gespräch eingestiegen ist. Ihre Worte, sie kühlen mich ein wenig ab, aber allein dass er impliziert, dass ich Angst vor ihm haben könnte, dass er es wagt die Blonde so zu beleidigen, lässt mir das Blut kochen. Langsame Schritte führen zu ihr, ich bleibe neben ihr stehen, vielleicht sogar ein Stück davor. Mein Blick liegt auf Leoms Gesicht, ein klein wenig muss ich aufschauen, aber die noch vorhandene Entfernung sorgt dafür, dass es nicht lächerlich aussieht. Ja, wir sind Feinde geworden - aber aus einem ganz anderen Grund als er vielleicht denkt. Torridge, du überschätzt dich. Es ist leise geknurrt. Welch Weib wäre so masochistisch und würde noch einem Kerl hinterher weinen, der nicht nur sie verlässt, sondern auch das Kind, das sie mit ihm hat. Nichts von ihm hört bis sie einen Brief von der Kirche bekommt. Sie hatte genug Zeit Euch hinterher zu trauern, den Verlust von Eurer Anwesenheit zu ertragen. Oh, wie ich Verlust ausspreche, sollte klar machen, dass es nun nicht ein wirklicher in meinen Augen gewesen sein kann. Aber, eigentlich ist es doch gerade nicht die Ebene, die ich anpeilen wollte. Ich gehe noch ein paar Schritte näher.Wisst Ihr, was ich zu ihr gesagt habe? Sie soll all diese Dinge bei Seite schieben, die Gründe vergessen, warum es letztendlich zur Scheidung Das Wort ist beinahe ausgespuckt, was wohl meinen eigenen Überzeugungen geschuldet ist. Eine Ehe kann man nicht scheiden, sie besteht ewig, egal wie - er hat mir damit eigentlich schon seinen Charakter bewiesen. kam - Euren Seitensprung nur wenige Zeit nach dem Kindsbett einfach vergessen. Es ist nicht das Thema für diesen Besuch, es geht um euer beider Tochter. Ihr habt beide neue Leben angefangen, ich kann mich Rondra da nur anschließen. Wie geht es Eurer sehr guten Freundin Ronda von Wahlasé? Ist ja nicht so, dass solche Nachricht nicht angekommen wäre, im Gegenteil, Borona war da sehr detailliert. Soweit ich mich erinnern kann, wart Ihr es, der es nicht geschafft hat, treu zu sein, nachdem seine Worte zu groß gewesen sind - ich bin erst lange danach etwas anderes als ein Freund für Rondra geworden. Indirekt hat er da seine Antwort, wobei 'lange' auch eher eine Definitionssache ist. Ich überbrücke den letzten Raum zwischen uns, muss nun zu ihm aufblicken, was mich aber keinesfalls stört. Leise und bedrohlich geht es weiter, auch wenn das Weib bereits alles gesagt hat. Wagt Ihr es noch einmal, Beleidigungen gegenüber Rondra auszusprechen, werde ich dafür sorgen, dass Ihr es nicht noch einmal machen könnt. Ihr mögt das Schauspiel hier in der Steiermark gut durchziehen, doch Ihr solltet vielleicht nicht Euch selbst dabei überzeugen. Ihr habt die Gesellschaft einer dreckigen Hure der Eures Weibes vorgezogen. Ihr seid abgehauen und Ihr habt Euer Kind zurückgelassen. Wohlweislich lasse ich Johanna gleich außen vor, sie würde den Kerl wenn es nach mir geht nicht sehen. Wagt es noch einmal Rondra mit einer aus dem Euch bevorzugten Gewerbe zu vergleichen und ich schleife Euch persönlich an mein Pferd gebunden vor das hier hiesige Gericht. Es wird Euch sicher freuen zu hören, dass den Vorsitz dessen bald die ehrwürdige Richterin Rondra Fugger, Gräfin von Leoben übernimmt. Soll er zulangen, soll er schreien - soll er sich sein Kind nehmen und verschwinden oder auch ohne sie. Ein falsches Wort würde bedeuten, dass ich ihm eine verpasse. Ich müsste zwar ein Stück zurück dafür, aber es wäre sicher auch irgendwie sowas wie Genugtuung für sein Schauspiel in den letzten Wochen, für die Impertinenz, die er besitzt. Rondra, selbst das Kind welches das brabbelnd am Boden hockt, die Situation noch nicht begriffen hat - ansonsten wäre sicher schon Geheule ob der Stimmung zu vernehmen -, sind für mich vergessen.

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Leom
Im Kaminzimmer und dann nach Hause
11.03.1462 - Vormittags

Es war eine groteske Situation – genau die Art von Situation, die er mit seinem Gehen eigentlich vermeiden wollte. Es hatte keinen Sinn, alles in einem Streit enden zu lassen. Und doch wurde dem Blonden deutlich bewusst wie sehr das ‚Paar‘ vor ihm es darauf anzulegen schien. Das absurdeste war ohnehin die Rolle, die man ihm wieder und wieder zuschreiben wollte: die des Bösewichtes. Natürlich war Leom sich nicht im vollen Umfang bewusst, was zwischen Rondra und Kelian über all die Zeit gelaufen ist. Aber so oft wie die beiden, also Rondra und Kelian, letztlich während der Ehe miteinander geschlafen haben war es kein Wunder, dass sie am Ende von ihm schwanger wurde – natürlich noch ein Detail, das ihm so nicht bewusst war. Arioste hatte etwas in der Art erwähnt, aber sich wohl bloß geirrt. Nein, all das störte ihn nicht. Nicht einmal die Tatsache, dass Nora in den letzten Wochen auch Ronda, Amalie und Marleen als ‚Mama‘ bezeichnet hatte. Ob es irgendetwas ändern würde? Nein.
Natürlich war ihm bewusst, in welcher Lage er sich hier befand: was die Verwirrung nur noch steigern lies. Er fragte sich ob Kelians große Klappe daher rührte, dass sein ‚Weib‘ hier Gräfin war – ob der andere Engländer ihm auch so entgegentreten würde, wenn man sich auf offenem Gelände vorfinden würde? Vermutlich. Er hatte sich eben allen Ernstes auf eine Stufe mit Dienstmägden und dem Wachpersonal gestellt – es war überdeutlich, dass ihm ein großer Batzen an Verstand zu fehlen schien. Was die Blonde wohl an ihm fand? Ein Tunichtgut hatte Zeit für sie, das war eine Sache. Seemann. Freiherr, sagte sie? Er wird ihr auf kurz oder lang langweilig werden, da war er sich sicher. Aber auch das waren Gedanken, die er nicht äußern wollte. Nicht, weil er sich vor den Konsequenzen fürchtete – ihm war bewusst, wie weit die ‚Fugger‘ einmal gingen, wenn ihnen irgendetwas nicht passte. Einmal mehr konnte man hier die Fehde anrechnen. Obwohl, vielleicht war auch sie ein Resultat von Langeweile? Er war einfach nicht mehr in der Lage irgendwelche Aktionen Rondras einzuordnen. – sondern weil er es einfach nicht für notwendig hielt. Leom hatte weder die Intention sich mit Kelian zu prügeln, noch diese Konversation mit ihm weiter zu führen. Der Blonde wusste, dass er am Ende als Sieger daraus hervor gehen würde: entweder wäre Kelian verbal geschlagen, oder er hätte sich zu einer impulsiven Handlung hinreißen lassen. Eine Sache, der Leom längst entwachsen war.

Nein. Peverell war damit für ihn abgehakt. Seine Gedanken – nicht Worte – fokussierten sich auf Rondra. Er wusste, wie all das mit Ronda abgelaufen ist. Daher stand sie für ihn auch vollkommen außen vor. Es war ein Wunder, was ihn jemals zu diesem Biest getrieben hat – und ein noch größeres Wunder war die anhaltende Zuneigung lange über die Auflösung hinaus. Genau genommen hat sie bis eben grade bestanden. Es war schon erstaunlich, was für ein Unterschied so ein kurzer Moment wirklich ausmachen konnte. Das Wort „Biest“ beschrieb sie plötzlich ziemlich genau. Was ihn aber am aller Meisten überraschte: Hier, in diesem Raum, ein Raum indem niemand sonst anwesend war.. schien sie dennoch von ihrer weißen Weste überzeugt zu sein. Was für einen Sinn hatte es einen Mann zu beschuldigen, der ganz genau über den Anteil seiner Schuld bescheid wusste? Es gab kein Publikum, das sich an ihren Hals werfen und mit Mitleid überhäufen würde. Gut, abgesehen vielleicht von Kelian. Aber der Kerl steckte nun einmal wortwörtlich in der Sache drin. Es stand außer Frage, dass sie eine gute Richterin abgeben würde – aber nach der Drohung Kelians würde er das Adverb „ehrenhaft“ streichen. Ein solcher Prozess wäre nichts als eine Farce und schmutzige Zeitverschwendung. Schließlich brach er das Schweigen aber doch. Ein einzelner Satz in kühlen Worten: “Immerhin war ich ehrlich.“
Er machte einen Schritt an Kelian vorbei, den jener sicher nicht stoppen konnte – er würde sich jedenfalls nicht von ihm aufhalten lassen. Eine Hand strich Nora besänftigend über den Kopf, mit der anderen sammelte er sie bestimmt auf. Als er sich dann abwandte um den Raum zu verlassen, sprach er doch noch weiter: “Du hast die Möglichkeit sie einmal in der Woche in Bruck zu besuchen. Niemand zwingt dich dazu, aber sie würde sich mit Sicherheit freuen.“ – nach dem heutigen Gespräch war er sich fast sicher, dass das niemals passieren würde. Aber es kümmerte ihn auch nicht länger. Nora hatte eine neue Familie, die sich offensichtlich mehr um das Kind kümmerte. Vielleicht hätte er noch erwähnen sollen, dass Rondra seit Oktober nicht mit einer Silbe nach ihrem Wohl gefragt hat? Böse Zungen könnten behaupten, sie wolle das Kind gar nicht – aber gleichzeitig hielt er sie auch nicht für eine so gute Schauspielerin, dass sie ihre Reaktion von eben nur gefälscht hat. “Ganz davon ab freue ich mich, dass ihr zwei euch gefunden habt. Es ist immer schön zu hören, wenn Menschen ihre Liebe füreinander entdecken. Immerhin brauchte Rondra sicher viel Beistand.“

Damit war das Thema für ihn gegessen. Den Weg zur Kutsche fand er sehr schnell allein und auch Amalie gesellte sich wieder zu ihm – dann ging es endlich in die Heimat. Es gab eben Menschen, auf die er wirklich verzichten konnte. Selbst, wenn ihm das erst heute klar geworden ist.


Kelian_


Swallowed up by the ocean
11.03.1461


Well und dann ist er weg. Einfach so, als ob wir ihn nun mit neuen Dingen konfrontiert haben. Das Kind mit ihm und wir sind nur noch zu zweit. Es ist ein bisschen, als ob ich an der Stelle festgefroren bin, wo ich zuletzt stehen geblieben bin. Ich starre ihm hinterher oder eher auf die Tür, die sich da vor mir geschlossen hat. Die Maserung brennt sich in meine Augen, bevor ich den Moment abschüttle, wieder blinzel. Das war unerwartet, sicher nicht meine Intention und auch nicht Rondras. Was mich nun aber nach diesem Treffen viel mehr beunruhigt ist die Tatsache, dass er und Ronda anscheinend in Bruck bleiben wollen. Ich habe nichts gegen das Weib. Ich habe nichts gegen das Mädchen. Ich habe ja eigentlich nicht mal was gegen den Kerl. Meine Feststellung, dass er mein Feind sein könnte, ist nicht richtig. Er hat nur unpassenderweise mein Weib beleidigt. Ich drehe mich im Kreis, in Gedanken und schließlich auch mit dem Körper, nur dass es diesmal nur eine halbe Drehung ist. Mein Blick sucht Rondra, findet sie und einen Moment schaue ich sie nur leicht fragend an. Vielleicht auch verdutzt. Nein, ich wollte mich nicht mit dem Kerl schlagen, es mussten nur deutliche Worte aus meiner Sicht erfolgen. Ich will gar nicht wissen, was er denkt, aber letztendlich ist es doch auch egal. Wie ich sagte: Sie haben beide neue Leben. Keine Ahnung, was ihn in dieses Land zurückführt, was er hier erwartet? Egal wie und warum, es wird sicher nicht umsonst Fuggermark genannt - mag es nun stimmen oder nicht.
Langsam, fast vorsichtige Schritte führen mich zu der Blonden, bevor ich sie dann doch recht bestimmt in meinen Arm ziehe. Würde er jetzt reinplatzen, weil er was vergessen hat - mir egal. Ich habe nix zu verbergen, außer die Tatsache, dass wir uns natürlich schon sehr viel länger miteinander vergnügen als öffentlich bekannt. Allerdings bin ich mir sicher, dass er es nicht weiß - nicht wissen kann. Die Hände an ihrer Hüfte, schieben sie sich langsam auf ihren Rücken. Es muss schrecklich sein, dass gerade erst wiedergewonnene Kind nun so gehen zu sehen. Ich... Ja was ich? Keine Ahnung, denn Leid tut es mir gar nicht. Ich habe sie verteidigt und würde es immer wieder machen. Es ist die Überlegung da ihr zu versichern, dass sie natürlich das Kind besuchen kann - aber dies weiß sie selbst. Als ob ich ihr dies verwehren würde. Da ich keine Worte für den Moment finde, bleiben es dann eben auch keine. Einfach stumm halte ich sie, solange wie sie es möchte und braucht. Vielleicht ist es ja auch unwillkommen.
Das Kapitel scheint beendet, wenn auch ganz anders als gedacht und geplant. Die Überzeugungsarbeit, die er versucht überall zu leisten, ist ihm am Besten bei sich selbst gelungen. Wir haben allen unseren Teil der Schuld, aber ich kann meinen vor mir selbst zugeben. Nun denn, schließt sich die eine Tür, öffnet sich eine neue.

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