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Dark water

Kelian_


Without you
17.08.1461


Natürlich sind es genug Gründe, es hätte auch ein weitaus schlechterer gereicht und vor allem weniger. Ja, ein einziges Wort hätte gereicht, ein 'Bleib' oder ein 'Bitte'. So wie sie sich meinem Bann nicht entziehen kann, kann ich es auch nicht. Jede Minute, die wir zusammen verbringen. lässt mein Herz ein wenig schneller schlagen. Die Augen verfolgen den Riegel, wie er sich unbarmherzig vor die Tür schiebt und alle anderen von unserem Glück, welches meiner Ansicht nach für den Rest der Welt ebenfalls reichen würde, ausschließt. Ein Zimmer mit Verbindungstür? Wir sollten ein gemeinsames verlangen mit einem großen Bett. Ohja, dies wäre das einzig richtige für uns beide. Ein Zimmer, in welchem wir uns gemeinsam austoben könnten. Minuten, Stunden, Tage, Wochen, Monate und Jahre. Einmal ohne auf die Zeit zu schauen, denn es ist immer dasselbe. Ich sehe es, in ihren Augen wie auch sie sich bewusst ist, dass sie ablaufen wird. Ein Schmunzeln schiebt sich zurück in mein Gesicht, ich mache Ungeschehen was eben doch Wahrheit ist. Erneut legen sich meine Arme um sie, ziehen sie zurück an meinen warmen Körper. Zur Not springe ich aus dem Fenster. Vielleicht ist es sogar nicht einmal gelogen, vielleicht würde ich es tatsächlich machen nur um diesen Besuch auszuweiten. Wieder folgen Lippen auf Lippen, so zart dass es beinahe unschuldig wirkt. Ein junger Mann, der seiner Liebsten unter Aufgebot all seines Mutes ein paar Küsse stiehlt, Berührungen so zart, dass sie fast nicht vorhanden sind aus Angst, man könnte das zulässige überschreiten und gegen IHN sündigen. Doch was sind all die sanften Avancen, wenn sich dann doch die Finger langsam unter das Hemd schleichen, voller Eifer über den Bauch streichen. Nein, sie hat recht, ich würde nicht freiwillig darauf verzichten. Ich liebe die Vorstellung, dass unser gemeinsames Kind in ihrem Bauch heranwächst und längst habe ich die Sorgen in eine kleine Ecke meines Kopfes verbannt. Es ist mein Kind. Hey little one. Say happy birthday to your mum. Sicher wird es nichts sagen, aber vielleicht sich bemerkbar machen? Immer noch ist es einer meiner Wünsche, zu erleben wie das Kind sich bewegt oder sogar tritt. Wohl weniger, wenn man dazu das Weib befragen würde.
Unartigerweise gleiten meine Finger noch ein wenig höher, das Kind wieder Kind sein lassend und die Vorzüge dieses Kleidungsstils erkundschafte. Leise brumme ich. Schade, dass wir keine Zeit haben. Sonst würde ich dieses Hemd Hosen Konstrukt näher begutachten. Neckend streife ich den äußeren Rand ihrer Brüste, als meine Hände wieder abwärts gleiten, um unter den Hemd hervorzukriechen - sichtlich ein wenig enttäuscht. Doch wie könnte es lange währen, wo sie doch das Kistchen wieder in meine Gedanken bringt. Nein Weib, du wirst es dir allein ansehen müssen, ich kenne es schon. Ich begleite dich aber bis zum Nachttisch. Ein letzter kleiner Kuss auf ihre roten Lippen bevor ich sie recht bestimmt in meinen Armen drehe und meine Hände somit erneut auf dem Bauch zu liegen kommen. Mein Kinn lehnt sich vorsichtig auf ihre Schulter und während meine Lippen nun ihren Hals begrüßen, sind es gemeinsame Schritte, die uns vorwärts führen. Den Schlüssel hast du ja jetzt. Natürlich grinse ich, wie auch nicht bei der Vorstellung, wie sie probiert hat es aufzubekommen und die Neugier in gleichem Maße wie der Frust gewachsen ist.

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Rondra
17. Ernting 1461 morgens, in irgendeinem Gasthof irgendwo an den Reiserouten westlich der Steiermark

Worte, Berührungen, seine Nähe, dieses trügerische „wir beide“. Jede Sekunde davon genießt sie, wie eine Blütenhülle der sich morgens öffnet und sich den ersten warmen Sonnenstrahlen entgegenreckt. Ein leises Lachen, so leise und versteckt dass es selbst innerhalb des Zimmers nicht weit getragen wird, es ist die Antwort auf seine „Bauchrede“ und endet in einem überraschten, scharfen Luftholen, als seine Hände zu wandern beginnen. „Kelian…“ doch es geht nicht weiter, bricht ab bevor sich ein wirklicher Zwiespalt auftun kann.
Wie oft haben sie sich schon irgendwie ineinandern und aneinander verschlungen durch Zimmer bewegt? Sehr oft und sie mag es, heute auch. Zum Nachttisch geht es also, ein äußerst schwankender Gang, fast ein wenig wie auf einem schaukelnden Schiff. Ab und an trifft ihr Fuß auf seinen, nie stark genug um schmerzhaft zu sein.
„Den Schlüssel, ach ja.“ Ihr Kopf verrenkt sich fast beim Versuch ihre Lippen seine Wange erreichen zu lassen, letztendlich erwischt sie eher seine Schläfe. „Zu aufmerksam von dir ihn mir wiederzugeben. Was wäre es für ein Verlust gewesen…“ die Antwort welche ihr vorhin durch den Kopf geschossen ist, meldet sich wieder und lässt das Weib schmunzeln – doch irgendwie hat es für den Augenblick an Reiz verloren ihn zu necken. Dafür fühlt es sich jetzt in seinen Armen zu wundervoll an, ruhig und geborgen, sie ist da wo sie hingehört. Rondras Hände finden seine, gesellen sich zu ihnen um die Finger leicht miteinander spielen zu lassen, die ihren umschmeicheln seine, streichel sie, bis Rondra sie schließlich zu einem festen Geflecht verwebt. Doch lange währt dieses Gebilde was sie abgeben nicht, denn das Zimmer ist nicht riesig und das angestrebte Ziel selbst bei dieser Art der Fortbewegung irgendwann erreicht. Still steht die Blonde einen Augenblick vor dem Kästchen, ohne Anstalten zu machen das Kästchen anzuheben, oder auch nur die Verwobenen voneinander zu trennen. „Es ist wunderschön.“ Ja, das ist es, das Kästchen. Schließlich entwirrt sie ihre Finger doch, wie bereits hinlänglich festgestellt wurde, leider haben sie nicht alle Zeit der Welt, und wenn man es genau nimmt noch nicht einmal alle Zeit dieses Tages, oder auch nur dieser Stunde. Ihre rechte Hand nestelt an der Tasche, in welcher der Schlüssel vorhin verschwunden ist und fördert ihn nach einigem Ziehen und Zerren hervor. Tatsächlich wächst die Neugier in ihr wieder, entgegen seiner Annahme ist sie nicht wirklich frustriert gewesen heute Nacht. Es hat etwas, allein schon das verschlossene Kästchen, denn es ist von ihm – und wahrscheinlich das einzige kleine bisschen Geburtstag am heutigen Tag. „Du bist sicher dass er passt?“ sicherlich mag er ihr Zwinkern nicht sehen können, aber es schwingt wohl in ihrer Stimme mit. Oh, ihr liegt noch mindestens ein Scherz auf der Zunge, doch da bleibt er auch. Stattdessen greift sich ihre linke Hand die seine, zieht sie von ihrem Bauch fort und haucht einen Kuss auf seine Handinnenfläche. Nachdem Rondra die Hand wieder entlassen hat, greift ihre linke nach dem Schloss, während ihre rechte Hand den dazugehörigen Schlüssel führt. Hoffentlich weder die Büchse der Pandora, noch ein Kastenteufel –ja, Nervosität scheint ihren Sinn für Galgenhumor zu wecken, es ist schon immer so gewesen. Mit einem leisen Klicken dreht sich der Schlüssel und die Hand, die eben noch das Schloss gehalten hat, streicht vorsichtig über das Schnitzwerk, während sie an den Deckel gleitet und ihn schließlich hochklappt.

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Kelian_


Without you
17.08.1461


Wieder ist es ein leises Lachen, welches die Worte begleitet. Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, genau das bin ich. Ein netter, zuvorkommender, fast junger Mann. Ein Grinsen schleicht sich wieder auf meine Lippen, die erneut die Haut an ihrem Hals besuchen, sanft entlangstreichen. Mhh, ich wüsste, was ich mit überschüssiger Zeit in diesem Moment anfangen würde, falls unten ein Problem auftreten sollte, aber ich fürchte diesen Gefallen tut mir heute niemand. Oder auch sonst irgendwann. Flüsternde Worte, die es weiter treiben als meine Hände. Weißt du, wenn dir der Schlüssel nicht so wichtig ist und das Öffnen, dann kundschafte ich lieber noch einmal die Gebiete unter deinem Hemd aus... Da hat es mir gefallen. Hat es wirklich und wie um sie leicht zu ärgern, bewegen sich meine Hände mit sanften Druck Richtung Saum. Nie würde ich wagen, sie jetzt weitergehend zu berühren, Gefühle in ihr zu wecken, die vielleicht unterschwellig schwelen. Zum Glück hast du heute Abend auch noch Geburtstag. Falls es wirklich klappen sollte...dann können wir weiter feiern. Wie so oft besiegelt ein Kuss - allerdings halb am Hals, halb auf der Schulter - diese Worte, nur um sich fest mit ihrer Hand zu verweben.
Ewig kann der Weg nicht dauern, auch wenn es vielleicht ein Wunsch wäre. Denn ewig würde bedeuten, dass wir auch die Ewigkeit für uns hätten, verschlungen ineinander. Keine Angst, kein Trennen oder Flüchten, kein in Achtnehmen. Nur wir beide. Doch es geht vorbei, wie auch ein Sonnenauf- oder -untergang zu Ende gehen muss. Die Finger streichen aneinander, reiben und lassen Energie fließen, bevor sie sich letztendlich wieder trennen und beide Hände erneut auf ihrem Bauch zu liegen kommen. Ebenso wie ihre Neugier wächst, da wächst meine Nervosität. Es besteht die Möglichkeit, dass es ihr nicht gefällt und schlimmer als dies wäre die Nettigkeit, als ob sie so tut. Während sie also das Schloss klacken lässt und sich daran macht den Deckel zu öffnen, murmel ich leise. Wenn es dir nicht gefällt, dann musst du es sagen. Ja, keine Lügen zwischen uns, auch was sowas angeht.
In diesem Moment bin ich mir absolut sicher, dass es ihr nicht gefallen wird und wenn die Chance bestehen würde, es ihr zu entreißen, dann würde ich es in diesem Moment tun. Wie bin ich nur auf diese Idee gekommen? Meine Herzfrequenz steigt merklich an, spürbar für sie, so wie ich ihren Herzschlag spüre. So sehr, dass er meinen eigenen dazu bringt sich in ihren Rhythmus zu bequemen, nur um nun wieder aus der Reihe zu tanzen. Obwohl ich weiß, was darin ist, so kann ich meinen Blick nicht von dem öffnenden Deckel nehmen und sehe somit, wie die kleine Notiz sichtbar wird, die oben auf liegt. Ein kleiner Zettel, zusammengefaltet mit nur wenigen Worten darauf, unverkennbar in meiner Handschrift. 'Schön, dass es dich gibt.' Sie würde es auseinanderfalten müssen und wenn es mir gelingt, dann würde ich den Moment abwarten, um es ihr nun persönlich zu sagen. Wer hat denn auch damit rechnen können. Ich nicht, wirklich.

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Rondra
17. Ernting 1461 morgens, in irgendeinem Gasthof irgendwo an den Reiserouten westlich der Steiermark

Es müsste schon tatsächlich ein Kastenteufel sein, damit es ihr nicht gefällt, glaubt sie zumindest in diesem Augenblick. Was könnte aus seiner Hand kommen, was ihr nicht gefallen könnte? Nichts wäre denkbar, natürlich verblendete Verliebtheit, aber so ist das wohl, wenn man sich in diesem Zustand befindet.
Verwundert zieht sich ihre Braue ein wenig in die Höhe, als sie den Zettel entdeckt und die so vertraute Handschrift. Verwunderung, die für ihn wahrscheinlich zu erahnen ist durch das leichte Neigen ihres Kopfes in seine Richtung. Ein Lächeln, klein aber dafür umso tiefgängiger, lässt ihre Mundwinkel nach oben wandern. Der eben noch wild tanzende Herzschlag wird ruhig, warum kann sie sich selbst nicht erklären, an seinem kann es kaum liegen. Ihr Oberkörper lehnt sich ein wenig fester gegen seine Brust, gerade die einzige Möglichkeit seine Nähe zu erwidern – und das eigene Schweigen zu kompensieren, es ist keins von der unangenehmen Sorte und soll es auch nicht werden.
Mit den Fingerspitzen streicht die rechte Hand über die Worte, bevor sie den Zettel entnimmt. Leise raschelt das Papier, als der Blondschopf es entfaltet.

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Kelian_


Without you
17.08.1461


Jede kleine Nuance nehme ich auf. Wie sich ihre Finger bewegen, das Papier entnehmen und berühren. Das Licht, wie es die Fasern durchdringt und meine Worte lesbar machen ohne dass sie nötig wären. Trotz dessen schiebt sich ihr schlanker Zeigefinger dazwischen, klappt das Blatt auseinander um deutlicher zu zeigen, was ich in einem Anflug von 'Wir werden uns eh nicht sehen können' auf das Papier gebracht habe. Mehr geistreiches ist mir nicht eingefallen, aufgehoben für den Moment in dem ich ihr wirklich wichtige Dinge sagen möchte. Wie zum Beispiel, dass ich sie liebe. Immer noch ist es mir nicht möglich, ich sperre mich dagegen auch wenn es in jedem Moment in dem ich alleine mit ihr bin sichtbar wird. Sie weiß es, sie muss es wissen und doch eben nicht durch meine Worte. Es würde eben doch nichts ändern.
Ich sauge auf, wie sie vorsichtig die Notiz weglegt, nun doch ohne meine Worte von mir nachgesprochen gehört zu haben. Es ist ein komischer Moment und doch wäre es irgendwie noch komischer gewesen, wenn ich mich nun selbst vorgelesen hätte - oder nicht? Leise wispere ich. Schließ deine Augen, bitte. Vorsichtig entfernen sich die Hände von ihrem Bauch, die Hoffnung aufgebend, dass das Kind sich heute erbarmen würde - wie auch, noch lange nicht sind die anderthalb Wochen, die nun noch fehlen rum und so würde ich mich in Geduld üben müssen. Ich warte bis die Blauen unter ihren Lidern verschwinden und weit weniger elegant greifen meine Hände in die Kiste. Heraus holen sie ein kleines Medaillion, befestigt an einer goldene Kette. Es ist einfach das edlere Metall und passt besser zu den beiden Wappen. Wer, wenn nicht ich würde auf so etwas achten. Kalt legt sich das Metall auf ihre Brust, nur geschützt durch den darunter liegenden Stoff der Bluse. Geschickter als man es vielleicht Männerhänden zutrauen würde, schließe ich die Kette in ihrem Nacken. darauf wartend dass sie nun, da meine Hände wieder an ihrem Anfangspunkt liegen - ihrem Bauch - ihre Augen öffnet. Bei ein wenig intensiverem Betrachten wird ihr auffallen, dass ein R verschlungen in ein F auf dem Deckel zu sehen ist und dieser sich öffnen lässt. Im Inneren befindet sich ein Portrait von ihrer Tochter, mit blitzenden Augen und einem Mund, der zum Lachen verzogen ist. So, wie Johanna eben meistens durch den Tag geht, zumindest in meiner Welt. Ich kenne nur die fröhlich anstrengende kleine Tochter, nicht die bockige.
Spannung liegt in der Luft zumindest von mir aus, denn die Unsicherheit ist immer noch da.

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Rondra
17. Ernting 1461 morgens, in irgendeinem Gasthof irgendwo an den Reiserouten westlich der Steiermark

Eigentlich liegt Sprachlosigkeit so gar nicht in ihrer Natur, dafür allerdings ereilt sie Rondra in letzter Zeit sehr häufig. Vielleicht ist es in diesem Augenblick auch die Summe der Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden. Jedenfalls fühlt sich ihr Mund staubtrocken an, als die Blonde den Zettel wieder zurück ins Kästchen legt und sich halb umwendet. So viel gäbe es zu sagen. Wie unermesslich glücklich sie ist ihn an ihrer Seite zu haben, doch nicht nur an ihrer Seite - vielmehr ist es als würde er sie umgeben wie die Luft und genauso wie diese lebensnotwendigen Atem spenden. Dass sie den steinigen und unwegsamen Weg den sie eingeschlagen haben keine Sekunde bereut hat, denn sie geht ihn mit ihm – so und nicht anders soll es sein. Dass sie ihn liebt.
All das bringt sie nicht über die Lippen, in diesem kurzen Moment, bis sie seine leise Aufforderung erreicht. Es mag jedoch kurz in den Blauen stehen, bevor sich die Lider gehorsam über sie senken.
Die Berührung des Medaillons auf ihrer Brust, einhergehend mit der leichten Kälte die es ausstrahlt lässt sie die Lippen überrascht öffnen. Es ist keine unangenehme Kälte, es dauert auch nicht lange bis die Wärme die ihr Körper ausstrahlt sie verdrängt hat und sich die Temperatur angleicht.
Unsicher öffnen sich ihre Augen wieder, das Zeichen seiner auf ihren Bauch zurückkehrenden Hände als stumme Aufforderung nehmend. Natürlich greift die rechte Hand tastend nach dem Schmuckstück und erfasst es erst so wie es auf dem Stoff ihres Hemdes liegt, während Rondra sich in seinen Armen umdreht. Nein, wie könnte sie weiter von ihm abgewandt stehen? Keine unangenehme Stellung, doch sie hat den riesengroßen Nachteil dass sie ihn nicht sehen kann – und sie sieht ihn furchtbar gerne an.
Abermals suchen die Blauen die so vertrauten Grauen.
„Kelian du bist einfach unbeschreiblich wundervoll…“ stockend kommt es, denn sie ringt immernoch um ihre Sprache. Dabei hilft dem Weib keinen deut, dass sie nun das Medaillon anhebt um es sich ansehen zu können. Ein leises, fast entsetztes, Luftholen. „und vollkommen verrückt!“ Es gefällt ihr, auch jetzt schon, wo sie die innere Schönheit noch gar nicht entdeckt hat. Daran dass er verrückt sein muss besteht für Rondra kein Zweifel. Andächtig, beinahe scheu streichen die Fingerkuppen über das Kleidod, während ihre Augen auch bei dieser Betrachtung immer wieder seinen Blick suchen – und somit hin und her schweifen. Ja, verrückt. Nicht genug dass es anscheinend zur Gewohnheit geworden ist dass er für sie seine Speisekammer plündert, nun auch das noch. „Es ist wunderschön…“ und am allerschönsten macht es, dass es von ihm kommt. Zumindest bis Rondra herausfindet, dass das Medaillon sich öffnen lässt, dann wird das Bildnis ihrer Tochter dieser Tatsache wohl Konkurrenz machen.Ohne dass sich ihre Hand davon lösen würde, reckt sich der Blondschopf nach seinen Lippen. Ein Dankeskuss, der den kleinen Tadel der Verrücktheit fortspült, denn er ist weniger zurückhaltend als die vorangegangenen Küsse, zärtlich und voller Begeisterung und doch darauf bedacht eben nicht zu stürmisch zu werden – man lernt aus Erfahrung. „und ich bin unsagbar glücklich dass es dich für mich gibt.“ wird ihm leise in sein Ohr gewispert, nachdem sie den Kuss schließlich gelöst hat. Endlich die Antwort auf seine lieben Worte.

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Kelian_


Without you
17.08.1461

Anscheinend hätte es schon ausgereicht einfach die Notiz zu überreichen, so wie sie mich anschaut. Der Anflug eines Lächelns hebt meine Mundwinkel, bevor die eigentliche Show erst richtig losgeht. Es ist mir eines Nachts eingefallen, kurz nachdem ich Johanna versprechen musste, dass ich gut auf ihre Mutter im Krieg aufpassen würde. Die Liebe und Sehnsucht zwischen Mutter und Tochter ist etwas, was jedem Menschen das Herz erweichen würde und mir war es Inspiration. Vieles von dem Geld, welches ich die letzten Wochen verdient habe, ist in die Fertigstellung meiner Vorstellungen geflossen. Natürlich habe ich mich nicht an dieser feinen Arbeit beteiligt, zumindest nicht mit meinen Händen - abgesehen von dem Bild - aber ich war oft bei dem Goldschmied, der mein Vertrauen in dieser Sache errungen hat und habe ihm jede meiner Visionen bezüglich der Kette, des Medaillions mitgeteilt und ihn umsetzen lassen. Dem geschuldet, entspricht es ziemlich genau meinen Vorstellungen.
Nur langsam senkt sich die Nervosität, jedoch macht sie es merklich, kann man ihren Gesichtsausdruck und auch die Worte wohl schwer missdeuten. Wieder legen sich meine Hände auf ihren Körper, diesmal an den Hüften und spätestens bei diesem nicht sehr stürmischen, aber dafür gefühlvollen Kuss erkenne ich wieder die Vorzüge des Hemdes und der Hose. Meine Hand verrutscht ein wenig und damit das Hemd, so dass ich nackte Haut auf meiner fühle. Gedanken jagen für einen Moment durch meinen Kopf, wissend, dass ich ihnen nicht nachgehen kann.
Ihre zarten, flüsternden Worte lassen mein Herz erneut tanzen und wahrscheinlich würde sie irgendwann mein Tod sein, da mein Herz dieses wilde Pochen sicher nicht ewig verträgt. Die einzige Erwiderung darauf ist ein neuer Kuss, der sie etwas enger in meine Arme zieht. Ich habe dir doch versprochen Wahnsinn zu sein. Für gewöhnlich halte ich meine Versprechen. Nun, eigentlich ist es so, dass ich für gewöhnlich überhaupt gar keine gebe. Sie jedoch, sie hat ein Naturtalent mir welche zu entlocken. Es lässt mich Schmunzeln, denn die Gedanken treiben automatisch zurück zur Doppellilie, wo sie mir eines nach dem anderen abgerungen hat. Was wohl passiert wäre, wenn sie mich in dieser Nacht - ob nun Absicht oder nicht - nicht aufgeweckt hätte? Wer weiß das schon. Strahlend liegen meine Augen auf ihr, sicher nicht genau verratend, woran ich denke, aber eben doch auch mit Hinweisen, dass ich nicht ganz hier bin. Ich denke daran, dass ich gehen sollte und eben doch nicht, denn es ist zu schön, sie in meinen Armen zu halten und dabei gemeinsame Erinnerungen aufleben zu lassen. Dies vielleicht auch der Grund, warum ich - anstatt sie darauf hinzuweisen, dass es noch weiter geht - lieber noch einmal küsse. Sacht, wie ein lauer Wind der über ihre Lippen streift, nur um zu schauen, ob sie noch da ist. Unendlich leise und mindestens ebenso zögerlich murmel ich. Wir müssen sicher bald los... Die Realität schleicht sich von Hinten an. Nein, wir gehören nicht einander und haben schon gar nicht massig Zeit. Leider. Ich bin froh, dass es dir gefällt.

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Rondra
17. Ernting 1461 morgens, in irgendeinem Gasthof irgendwo an den Reiserouten westlich der Steiermark

Wie um alles in der Welt sollte sie sich auf das Medaillon konzentrieren, wenn seine Hände bereits wieder auf diese Weise an ihrer Haut liegen? Gar nicht, weshalb es sein Geheimnis noch ein kleines Weilchen bewahren müssen wird. „Hör nur nie auf mein Wahnsinn zu sein. Ich habe mich mittlerweile an diesen Zustand gewöhnt.“ ihre Arme schlingen sich um seine Hüfte, sein Einwand bezüglich des baldigen Aufbruchs überhört sie geflissentlich – und trotzdem weiß natürlich auch sie dass die gemeinsame Zeit abläuft, zumindest für heute und wahrscheinlich die nächsten Tage. Doch gerade das ist Grund genug um sich noch einmal in seine Umarmung fallen zu lassen, sich anzuschmiegen und die Sekunden langsamer verstreichen zu lassen – als wenn sie es täten. „Das heißt also du verwandelst dich wieder in diesen Wappenmaler… mit dem ich nicht so richtig warm werde?“ Die Blauaugen heben sich und mit einem Grinsen, was zwischen Traurigkeit und Neckerei schwebt, funkelt Rondra den Geliebten an. Es ist ein bisschen geflunkert, denn die Situation zwischen Gräfin und Wappenmaler hat sich entspannt, ein wenig zumindest. Sie verhält sich nicht mehr kühl und herablassend, sofern sie sich selbst im Griff hat. Noch einmal stiehlt sie sich eine kleine Zärtlichkeit von seinen Lippen. Genießerisch schließen sich die Augen nochmal, nur um gleich darauf mit einem Seufzer wieder geöffnet zu werden. „Er hat aber auch so…. wenig mit dir gemein.“ vielleicht zum Glück. Ein Nachsetzen der ihren, während sich die Hände langsam von ihm lösen. Je länger sie es herauszögern, auf umso dümmere Gedanken würden sie nur kommen. Immerhin kann sie den Wahnsinn der sie beide verbindet mittlerweile einschätzen, ab und an. „Komm‘ zu mir, wann immer es geht und bis dahin denk an mich.“Während der Worte geht es langsam, aber stetig Richtung Tür. Das linke Ohr presst das Weib an das Holz, doch längst scheint das Gasthaus einem Bienenschwarm zu gleichen. Ständig sind da Schritte, welche über den Flur eilen, sich entfernen, während andere die Treppen heraufkommen. Die Blauaugen verdrehen sich, das war irgendwie klar. Mit einem leichten Druck ihrer Hand schiebt sie Kelian von sich, bevor sie die Tür einen Spalt öffnet. Nur einer der Wachen ist zu sehen und genau der zieht das Los der Stunde. „Ihr da. Ich brauche noch frisches Wasser, macht das Ihr hinunter kommt und bringt mir einen Eimer.“ Das ungläubige Gesicht ignoriert das Weib vollkommen, auch die gestammelten Worte die wohl ein Einwand sein sollen – ein Glück dass es einer der jüngeren Burschen ist. „Na auf, auf… Ihr könntet längst schon wieder hier sein.“ auf dass er endlich verschwindet und den Weg frei gibt, bevor der nächste wieder auftaucht. Aber manchmal stehen die eignen Sterne einfach günstig und so scheint es heute hier zu sein, denn der Kerl zieht ab. Kaum aus dem Blickfeld verschwunden, öffnet sich die Zimmertür ganz und Kelian rasch auf den Flur entlassen.

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Rondra
23. bis 27. Ernting 1461 –irgendwo im Deutschen Königreich

Wer hätte gedacht dass auch die Zeit nach Straßburg zähflüssig vor sich hin fließen kann? Die Stunden im Sattel sind grausam und endlos. Eile ist geboten, anders will’s die Fuggerin nicht, die Ungewissheit über den Verbleib des Onkels zu groß als dass sie auch nur eine ruhige Minute hätte, bis sie ihn in die Arme schließen kann, in welchem Zustand auch immer.
Pausen werden in diesen Tagen unregelmäßig eingelegt, dafür allerdings häufiger als es sonst vielleicht der Fall gewesen wäre. Das Gemurre der Soldaten ignoriert das Weib gekonnt, sie haben alles Recht dazu ungnädig zu sein, Rondra treibt sie an, um dann doch häufiger eine Rast zu benötigen. Doch das ist nicht das Einzige was sie ignoriert, auch so manchen gereizten, mahnenden Blick von Kelian übersieht sie absichtlich. Alles in allem geht Rondra den Männern weitestgehend aus dem Weg, sieht man von ihren Befehlen einmal ab. Die meisten haben ohnehin ihre Probleme damit von einem Weib geführt zu werden, eine Schwangere macht es nur noch schlimmer. Außerdem ist die Blonde gerade auch nicht was man eine angenehme Gesellschaft nennen würde. Die ersten drei Nächte gelingt es Kelian sich zu ihr zu schleichen, als endlich Ruhe eingekehrt ist. Die vorherige leise Anfrage ob es ihr Recht wäre, irritiert das Weib sehr. Tief und traumlos ist der Schlaf, den sie fast augenblicklich in seinen Armen findet.
Am vierten Tag macht sich die Anstrengung der eiligen Aufholjagd bemerkbar. Schon kurz nach ihrem Aufbruch im Morgengrauen scheint der Sattel unbequemer als sonst, ihr Körper warnt das Weib auf seine Weise – ihre Bauchdecke verhärtet sich, verschreckt die Schwangere, doch bevor die Panik zur Erkenntnis werden kann ist es schon wieder vorbei. Die linke Hand löst sich für Sekunden vom Zügel, legt sich ängstlich auf den Leib, streichelt kurz darüber, als wolle sie beruhigen. Es wäre zu früh, viel zu früh – aber nun anhalten? Ob bewusst oder unbewusst verringert sie das Tempo des Trosses, fordert häufigere Pausen und überlässt Kelian das Kommando. Froh sich nicht noch darum kümmern zu müssen, doch eigentlich wissen die Leute auch selbst was sie zu tun haben. Merklich länger werden die Pausen unter Kelians Kommando, etwas was sie unkommentiert und erleichtert hinnimmt.
Die Nacht muss sie allein zubringen, einige Male noch hat Rondra die Wehen zu spüren bekommen. So gesellt sich die eine Sorge zur anderen, denn das Leben des Kindes will die Blonde nicht gefährden – und doch wiegt die Angst um den Onkel wie eine drückende Last. Ruhiger und ruhiger wird die Fuggerin, schweigsam und in sich gekehrt, so bündelt sie die Kraft die sie für diese Reise benötigt – alle Kraft.
Der Tag verstreicht wie die vorangegangenen, als die Dunkelheit um sich greift und die Landschaft langsam in die Schwärze der Nacht taucht, wird einer der Soldaten voran geschickt. Das nächste Gasthaus wäre das ihre – sofern er eines finden kann. Schneller als erwartet kommt der Kerl zurück, aufgeregt und abgehetzt. Tatsächlich ein Gasthaus, keine zwei Meilen von hier, doch die eigentliche Neuigkeit sprudelt nur so aus ihm heraus. Franzosen, offensichtlich Kaiserliche, sind dort bereits eingekehrt.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dass es sich hierbei nicht um die Gesuchten handelt? Nicht sehr groß, auch wenn der Onkel nicht gesichtet wurde. Es gibt kein Halten mehr für das Weib, so schnell es das müde Tier, ihr Zustand und die hereinbrechende Nacht zulassen treibt sie den Tross zur Eile an. Angst, Hoffnung und Erleichterung mischt sich miteinander – und machen sie für alles und jeden taub und blind, abgesehen von diesem Gasthof. Sie rutscht aus dem Sattel, selbst das scheint zu lange zu dauern. Standesdünkel? Würde? Vergessen, die Tür zur Schankstube wird aufgerissen, hastig irren die Blauaugen durch den Raum, erfassen schließlich den Trupp des Kaisers an einem Tisch unweit der Treppe. Alle Gasthöfe scheinen Treppen zu haben.
„Il est où?“ Verblüffung und Entsetzen schlagen ihr entgegen, wie auch nicht, bei dem Anblick den sie bieten muss. Blicke hasten durch den Raum, auf der einen wie auf der anderen Seite. Die Männer welche ihr folgen, zumindest die Wachen, bieten den Franzosen einen Hinweis darauf welche Familie hier offensichtlich über sie hereinbricht. Ein Blick zur Treppe ist alles was das Weib braucht, wie könnte es auch anders sein? Hinauf geht es, die Rufe und Erklärungen in der fremden Sprache, welche sie ohnehin kaum beherrscht rauschen an ihr vorbei. „va-t'en“ eisig ist ihr Ton, mit dem sie die Wache anherrscht, er macht es ihr einfach die richtige Tür zu finden. Bei all dem Radau von unten, den Heranstürmenden und ihrem Blick, ist es besser bei Seite zu treten, dass sieht auch der Jüngling ein. „Onkel Graufang!“ Noch bevor die Tür ihrem Streben nachgibt, hallt es ängstlich durch den Stock.
Die Zeit scheint den Atem anzuhalten. Ohne auch nur einen Fuß über die Türschwelle zu setzen bleibt Rondra Sekunden regungslos stehen. Das Bild das sich ihr bietet scheint eindeutig. Er liegt auf dem Bett, zugedeckt als würde er schlafen und doch stimmt etwas ganz und gar nicht. Es ist keine Schlafenszeit, der Raum ist kaum erhellt, flackerndes, spärliches Licht.
„Nein!“ ein einziger Schrei, denn natürlich wähnt sie ihn auf der Sonne. Wie sie an seine Seite gekommen ist, wird sie später nicht mehr sagen können, doch plötzlich kniet sie neben der Bettstatt. „Onkel, nicht doch… nein.“ Kaum hörbar, jämmerlich gewispert. Sekunden starrt sie ihn an, blendet alles aus und gibt sich der Leere hin. Bis sich ihre Hände über die Bettdecke schieben, die alte Hand suchen und sie zärtlich umfassen. Ihre Lippen nähern sich dem runzeligen Handrücken, beugen sich über ihn – doch bevor sie ihm die Ehre erweisen können erstarrt das Weib. Entsetzt hebt sie den Kopf, sucht sein Gesicht und kann die Puzzleteile doch nicht zusammenfügen, sie passen nicht. Die Hand ist warm, zu warm um zu einem Toten zu gehören. „Was….?“ In diesem Moment schlägt die Wirklichkeit zurück. Der Raum füllt sich, mit Menschen und mit Stimmengewirr, französisch, englisch und deutsch. Die Blauaugen irren hilflos umher, suchen die Grauen. Ja, was nur…?
Schließlich ist es ein Medicus, der auf Französisch versucht das Unerklärliche zu erklären. Er atmet, manchmal murmelt und wispert er, ab und an regt sich seine Hand, oder sein Fuß – doch an für sich gleicht sein Zustand einem tiefen Schlaf, aus dem er seit über zehn Tagen nicht erwacht ist. Es fällt schwer zu begreifen und Rondra tut es sicherlich noch nicht, wie gelähmt hört sie zu, stellt Fragen, doch ohne dass die Antworten helfen würden.
Man bezieht natürlich ebenfalls Zimmer, ja, sie zwingt sich sogar zum Abendessen in die Schankstube. Die Kaiserlichen werden eingeladen, nach Leoben, vor allem natürlich der Medicus. Egal wie die Beziehungen zwischen der Steiermark und der Kaiserkrone ansonsten sein mögen.
Nach dem Nachtmahl geht es erneut zum Onkel, mit dem Buch der Tugenden in der Hand. Lange sitzt sie allein an seiner Seite, liest ihm vor, tastet nach seiner Hand um sie sanft zu streicheln. Lange, sehr lange. Längst schon haben die Geräusche nachgelassen, die von der Schankstube hinauf dringen, als Rondra das Zimmer des Alten verlässt. Doch es ist nicht ihr Gemach, welches sie aufsucht. Leise klopft sie gegen das Holz der Tür.
„Kelian?“ Wie könnte sie in dieser Nacht alleine sein wollen? Mit ihm reden, seinen Trost erfahren, seine Meinung hören, seine Nähe spüren, die Geborgenheit seiner Arme, die sie langsam in den Schlaf begleiten – vielleicht, es würde schwer werden ihn zu finden.

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Kelian_


Stand up tall
27.08.-09.09.1461


Das die Reise von Strasburg aus zurück in die Steiermark keine Spazierfahrtwerden würde, dass war von Anfang an klar. Mit den neuen Erkenntnissen und Verhältnissen hat sich die anstrengende Reise jedoch in ein Unterfangen verwandelt, was fast tödlich ist. Für die Tiere und die Menschen. Jeden Tag legen wir so viele Meilen zurück, wie wir durchhalten. Maßstab ist dabei das schwächste Glied der Kette, welches von Tag zu Tag variieren zu scheint. Mal Tier, mal Mensch, doch jedem wird so wenig Gnade erwiesen, wie Rondra sich selbst zeigt. Es ist Wahnsinn, einer der Art die ich nicht suche und doch halte ich mich mit Kritik vornehm zurück. Es ist ein bisschen komisch zwischen uns, jeder sauer auf sich selbst und doch wegen derselben Sache. Verzwickt und eben doch nicht, weil keine Zeit bleibt dem vollkommen auf den Grund zu gehen. Es sind vorsichtigere Worte oder Handlungen meinerseits, die zeigen, wie ich fühle. Doch, jetzt einer weitere Entscheidung zu diktieren wage ich nicht. Vielleicht ist es schwach von mir, vielleicht würde es einen so hohen Preis fordern, dass ich mich ewig hassen würde, aber ich kann es nicht. Sie jetzt abzuhalten wäre wohl das falscheste, was ich tun könnte. Nachdem ich mir anderthalb Tage angeschaut habe, welches Tempo sie anscheinend gehen möchte ohne etwas zu sagen, wähle ich einen anderen Weg. Überall, wo sie ist, Hilfe brauchen könnte, da tauche auch ich auf. Vollkommen damit beschäftigt ihr abzunehmen und zu erleichtern, was geht. Ich bin mir nicht sicher, ob es auf Gegenliebe stößt, aber ich weiß, dass sie einige meiner Blicke ignoriert. Besorgte, warnende. Egal welche, als ob sie damit verdrängen möchte, dass sie schwanger ist. Die Nächte verlaufen recht eintönig. Zu kurz, fest schlafend und fast immer beieinander. Vorsichtig aneinander geschmiegt, die Hände ineinander verwoben. Oft streichel ich minutenlang ihren Bauch, kurz bevor ich einschlafe, als ob ich das Kind für das, was Rondra ihm da gerade antut entschädigen möchte. Ich weiß, dass es nicht gut sein kann, was sie da gerade macht und doch, doch ist es noch nicht genug um mich aus meinem Schweigen diesbezüglich zu reißen.
Es ist der vierte Tag der Reise, der uns Abwechslung bringt. Immer weniger wird die Zeit, die wir miteinander verbringen und die Schweigeepisoden zwischen uns allen größer. Ich selbst weiß nicht, wie ich dem Begegnen kann, aber momentan sehe ich nicht viel Sinn darin. Es ist noch gut so, wie es ist. Auch, wenn ich die Schmerzen, die das Weib plagen nicht bemerke - und sie es mir auch nicht sagt - so bemerke ich schon die vermehrten Pausen und die atypische Verhaltensweise. Irgendwann würden wir uns sicher einmal darüber streiten, wenn wir diese Geschichte erzählen, ob sie mir die Führung überlassen hat oder ich sie mir genommen habe - ich würde letzteres behaupten. Ich verlangsame das Tempo, verlängere die Pausen und sorge dafür, dass sie hat was sie braucht. Unauffällig, so wie der treue Wappenmaler es machen würde. Nicht mehr, aber sicher keinen Deut weniger. Es ist ausgerechnet die Nacht, welche uns trennt und mich in der Ungewissheit noch weniger schlafen lässt als normal schon. Ich habe gesehen, wie sie sich an den Bauch gefasst hat und es war keines dieser überraschten oder freudigen Male, wenn das Kind tritt. Inmitten dem Raum, den ich mir mit den Männern teile, grübel ich, ob ich eine weitere Entscheidung treffen sollte und doch mache ich es davon abhängig, wie es am nächsten Tag sein würde. Es obliegt weiter mir, den Tross anzuführen und erst der Abend ist es, der mir erneut Kopfschmerzen bereitet.
Zu schnell rast das Weib auf die Worte des Mannes weg, zu schnell ist sie im Wirtshaus. Ohne mich. Meine Befehle gehen an unsere, mehrere zum Verteidigen hinterher, vier werden für die Pferde abstellen. Während Rondra schon losrennt - beachtlich wie wendig sie in diesem Moment ist - betrete ich erst das Wirtshaus und nehme mich der Lage Unten an. Ich kläre, wie zu verfahren ist, dass es Anweisungen gibt - was so nicht stimmt und die Männer in große Schwierigkeiten bringen würde - und löse erst den Tumult unten. Der Schrei, der nicht nur oben zu hören ist, geht mir durch Mark und Bein, löst den Instinkt aus zu ihr zu gehen und doch gibt es mehr zu klären. Was mit ihm ist und so erfahre ich zeitgleich wie Rondra ähnliches. Nur vom Hauptmann, nicht von dem Medicus. Erst nachdem ich informiert bin, führen mich meine Schritte hoch, lösen auch diesen Tumult. Unsere Soldaten werden weggeschickt bis auf zwei, die die Stelle des Jünglings einnehmen. Die Franzosen werden auf einen Krug Wein pro Soldat nach unten geschickt - auf meine Rechnung. Der einfachste und schnellste Weg. Erst jetzt finden sich die blaue und graue Augen. Bleib bei ihm. Ich bin in der Nähe. Leise Worte, die mein Zurücktreten begleiten.
Das Klopfen ist wie eine Erlösung, auf die ich die ganze Zeit gewartet habe. Anstatt zu Antworten, öffne ich ihr persönlich die Tür, anstatt zu reden, ziehe ich sie zu allererst in meine Arme. Kein Kuss auf ihre Lippen, nur auf die Stirn. Alles dazu da, sie bei mir Ankommen zu lassen. Die Tür wird verriegelt, damit wir uns wenigsten darüber keine Sorgen machen müssen. Ich bringe sie in mein Bett, während leise Worte zwischen uns gewechselt werden, ganz ihrem Wunsch entsprechend. Meine Meinung, Trost, die Wahrheit. Schlaf? Nun, sicher, aber nicht sehr viel und auch nicht sehr erholsam, aber immerhin. Eng an das Weib geschmiegt, den Arm quer über ihren Körper wache ich am nächsten Morgen auf - als sie schon wach ist. Es ist das selbe Spiel wie in der Nacht zuvor, nur dass ich diesmal die Dinge los werden, die mich belasten. Wir würden langsamer reisen, sehr viel langsamer und selbst Graufang's Wagen würde dieses Tempo mühelos mithalten können. Wir würden vernünftige Pausen einlegen, richtige Gasthäuser aufsuchen und eben in der Steiermark ankommen, wenn die Zeit reif wäre.
All die Tage seitdem sind gleich abgelaufen. Mehr oder minder. Lange Tage, lange auf dem Pferd, dabei aber lange nicht so weite Strecken schaffend wie die ersten Tage. Längere Nächte, die auch den Pferden die Möglichkeit geben sich auszuruhen. Trotz dessen falle ich jede Nacht wie ein Stein in mein Bett, der Gedanke daran Rondra anzurühren ist in so weite Ferne gerückt, dass ich wahrscheinlich nach Strasburg zurückreisen würde. Zärtlichkeiten tauschen wir aus, jedoch ist es nie soviel, dass es uns zu mehr verleitet. Es ist schließlich der neunte im neuen Monat, fast vier Wochen nachdem wir losgereist sind, dass wir wieder in der Steiermark Einzug halten. Mitten in der Nacht erreichen wir Leoben und obwohl es so spät ist, bestehe ich darauf noch weiter bis nach Graz zu Reiten. Ich würde schon in die Stadt hineinkommen und so ist es ein bittersüßer Abschied. Viel zu förmlich, denn nun sind wir auf dem Land der Gräfin, zu viele Augen und Ohren mit dem Versprechen sich bald wieder zu sehen. Einmal etwas zusammen zu trinken und eben doch die heimliche Botschaft, dass wir uns eben sobald es geht sehen würden. Ein Abend zu zweit, der uns vielleicht ein wenig aufarbeiten ließe, was die letzten Wochen alles passiert ist.

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Kelian_


Die another day
13.10.1461


Hinaus aus dem Zelt, welches nicht mein eigenes ist, all die verwunderten Blicke interessieren mich nicht. Man sollte meinen, sie alle sollten besseres zu tun haben als zu bewerten, was da zwischen Rondra und mir zu Gange ist. Ob Beziehung, nur ein Flirt oder verzweifelter Sex vor dem baldigen Tode. Sie sollten sich alle um ihr eigenes Seelenheil kümmern. Egal, es gilt sich vorzubereiten und bei meinem Zelt angekommen, schlage ich die Plane zurück und seufze leicht. Gut, dass ich wirklich bei meinem Weibe geschlafen habe, hier wären mir heute alle Glieder steif. Ein Grinsen streicht sich über mein Gesicht, denn meine Gedanken gehen weiter - so war es gestern nur eins und dem wurde Abhilfe geschaffen. Ich pfeife mir einen von den vielen Jungen in der Nähe heran, damit er mir helfen kann meine Rüstung anzuziehen. Erstmal nochmal schnell den natürlichen Bedürfnissen nachkommen, bevor Brustpanzer, Beinschienen, Armschienen und dann zu guter Letzt der Helm angelegt wird. Ich sehe wahrlich aus wie ein Soldat und fühle mich immer weniger so. Ich auf dem Pferd, mit einem Schwert in der Hand. Zwei Dinge, die ich nicht so gut kann, kombiniert. Rondra, es tut mir wirklich Leid, aber ich fürchte, dass wir uns nicht wieder sehen werden.
Ein Seufzen perlt über meine Lippen, Arsen wird mir herangeführt, ich steige auf und reite zu den anderen. In einer Linie, hintereinander aufgefächtert stehen wir da, als sich der Nebel langsam lichtet und Blick auf unseren Feind preisgibt. Mit meinem Bogen wäre da nicht viel zu machen, ach wenn es nur andersherum wäre. Leichter Schweiß - aus Angst - bildet sich auf meinem Rücken, es ist meine erste Schlacht und vielleicht würde es auch meine letzte sein. Das Schnauben der Pferde, das Scharren der Hufe, Murmeln der Männer und plötzlich erklingt der Schrei, auf den alle gewartet haben. Ich murmel mehr, als dass ich es auch schreie Für die Steiermark! Erst im Schritt, dann sofort im Trab, bevor mein Gaul von ganz alleine in den Gallopp verfällt und wir zusammen entgegen der Feinde preschen, inmitten der anderen, angetrieben vom Herdentrieb. Das weiße in den Augen von Arsen, lautes Wiehren vor Angst und doch macht der Wallach alles, wie man es sich wünschen kann. Die Schlacht zieht wie ein Schnellraster an mir vorbei, hier ein Schwert, da das Klirren, Blut, Leute die neben mir fallen, aber sehr wahrscheinlich nicht tot sind, vor allem nicht durch meine Hand. Blut klebt irgendwann an mir, im Gesicht, an der Rüstung, aber ich bleibe unverletzt - warum auch immer.
Erleichterung darüber stellt sich erst ein, als ich nach der Schlacht die Blauen sehe, die auch mich suchen. Mein Weib scheint ebenso unverletzt und so können wir beide helfen unsere Leute zu bergen, die es anscheinend erwischt hat. Kaltes Grauen läuft über meinen Rücken, wenn ich nur daran denke, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist ebenso dort zu liegen, im Blut und Matsch des Kampfes.
Es ist der Abend, der mich auch innerlich wieder zur Ruhe bringt, in den Armen meines Weibes. Es wird mir von neuem bewusst, warum ich überhaupt hier stehe. Ich will sie beschützen und meine Heimat. Trotz dessen bin ich sehr still - es war eben meine erste Schlacht.

Die another day
14.10.1461


Es scheint sich zu wiederholen. Es ist wieder der Morgen, an dem ich aus dem fremden Zelt trete, die Worte meines Weibes noch im Ohr, wie albern es ist, dass ich meine Rüstung nicht einfach bei ihr mit lagere. Ein Abschied, endgültig wie am letzten Tag, ein tiefer Kuss, in den Arm nehmen und all die Dinge, die da zwischen uns sind. Ausgesprochen und unausgesprochen. Wieder folgt das selbe Spiel wie am Vortag und wieder finden wir uns alle ein - zumindest die, die noch stehen. Mein Blick streift durch die Reihen bis er schließlich in den Blauen zu liegen kommt. Ein leichtes Nicken, bevor wieder der Ruf erschallt. Diesmal auch lauter von mir, wenngleich vor meinem inneren Auge die ganzen Geschehnisse der gestrigen Schlacht aufsteigen. Für die Steiermark! Wieder reite ich los, im Galopp dem Feind entgegen und erbarmungslos saust der Stahl auf meine Gegner nieder. Ich weiß nicht, wieviel ich schon getötet habe oder ob überhaupt. Vielleicht haben sie sich auch alle nur hingeschmissen. Ich bin zuversichtlicher als gestern, auch wenn die Angst mir noch mehr im Nacken sitzt. Aber ich kenne es immerhin schon und bin zu ganzen Heldentaten bereit. Vorbei an Szenerien mit dem Schwert auf Soldaten einhakend, als ich plötzlich Zeuge einer Szene werde, die mir das Blut gefrieren lässt. Sofia! Rondra würde... Die Hacken in den Leib des Pferdes, presche ich eben dahin, wo die Frau gerade stöhnend zusammenbricht. Ein Schwertstreich von hinten reicht aus, um den Kerl leicht zu verletzen und ich verweile an der Stelle. Lange genug um jemanden von uns zu Winken, dass er das Weib hier wegschafft. Weiter geht es mit einem Hochgefühl, was eigentlich widerlich ist für diesen Moment des Tages. Es ist immer noch Krieg und trotzdem... Zeit für Heldentaten. Vielleicht ist es auch genau dies, was alles ins Laufen bringt. Vor mir taucht ein Soldat auf mit einem Speer - wie ungewöhnlich - und mein Gaul - für so intelligent hätte ich ihn nicht gehalten- bäumt sich vor ihm auf. Ein Wiehren der ängstlichen Art ist zu hören und ein Schrei meinerseits, denn rücklings geht es natürlich hinunter. Hart schlage ich auf dem Boden auf, ein Stöhnen ist zu hören und all meine Luft ist aus den Lungen gepresst worden. Ein erstes Röcheln, ein zweites bevor ich endlich panisch den ersten Atemzug machen kann. Benommen bleibe ich einen Moment liegen bis über meinen Augen Metall aufblitzt und ich zur Seite rollen muss. Es erwischt meinen Arm mit Schild, allerdings habe ich Glück und das Teil tut seinen Dienst - es schützt vor schwereren Verletzungen. Ein Bersten verrät mir allerdings auch, dass es dies das letzte Mal getan hat, denn es hängt nur noch in Fetzen vor mir. Mit weit aufgerissenen Augen stolpere ich zurück auf die Füße, schwer atmend und mein Schwert nur halb erhoben. Ich bin kein Kämpfer, war es noch nie und jetzt? Muss ich es sein. Ich begutachte meinen Gegner und ein hysterisches Lachen verlässt meine Kehle, ich habe keine Chance und doch werfe ich mich mit aller macht gegen diesen Bullen von Mann. Ich habe die Hoffnung, dass einer meiner Kameraden auftauchen wird und ihm von hinten den Schlag versetzen wird, der ihn töten wird. Wir umkreisen uns, lauernd, dass einer von uns beiden den ersten Fehler machen wird und ich bin mir sicher, dass ich es sein werde, da er sehr erfahren aussieht. Aus der Überlegung heraus schnelle ich also vor, versuche einen Schlag zu landen, doch der Kerl pariert mit Leichtigkeit. Ich dachte wenigsten, dass ich den Schnelligkeitsbonus hätte, aber es scheint nicht so. Wieder beginnt das Spiel bis der Kerl anfängt zu zeigen, was er kann. Links, rechts, von oben und schließlich ein Schwertstreich von unten. Mein Schwert landet gute drei Meter entfernt von mir und der kalte Schweiß jagt meinen Rücken herunter. Ich bin tot! Es schießt mir einfach so durch den Kopf, als der Kerl wieder ausholt, um eben dies zu erledigen. Ich handle im Affekt, nicht wissend warum oder wieso, aber mit einem Schrei renne ich los und stürze mich auf den Kerl. Es passiert so schnell, dass ich kaum mitbekomme, was passiert. Ich ramme meinen Kopf gegen seinen Brustpanzer, so dass er nach hinten strauchelt und wir beide miteinander verknäuelt hinfallen. Ich auf ihn, sein Schwert so ungünstig, dass ich es mit der nackten Hand halte. Keine Ahnung, wo meine Handschuhe hin sind - hatte ich überhaupt welche? Die Schneide dringt tief ins Fleisch meiner linken Hand, meiner guten, meiner Malhand - vielleicht sogar noch tiefer - so dass ein Schrei meinerseits nicht ausbleibt. Mein Helm ist mir irgendwie auch abhanden gekommen, anscheinend würde ich bald nackt auf dem Schlachtfeld stehen. Schon höre ich den Riesen brüllen, wütend und dazu entschlossen jetzt zu beenden, was ich herausgezögert habe. Mich am Kragen gepackt, richtet er uns beide auf anscheinend um mich zu köpfen, aber es kommt nicht soweit. Noch halb am Boden kommt ein reiterloser Gaul angeprescht. Der Steigbügel vom Sattel nimmt mich am Kopf mit. Es wird schwarz, alles um mich herum. Ich bekomme weder mit, wie nun wirklich einer meiner Kameraden den Kerl von hinten aufspießt und dessen Leib sich auf meinen legt. Schwer, unnachgiebig. Er lässt meine Rippen ächzen. Ich bekomme auch nicht mit, wie ewig es dauert, dass ich gefunden werde. Vor allem erst auf dem Stapel mit den Toten lande, immerhin ist meine Atmung so flach und unregelmäßig, dass es schwer auffällt. Es ist Zufall, dass einer der vielen Jungen bemerkt, dass ich lebe und endlich, immer noch vollkommen in Schwarz gehüllt bringt man meinen Leib ins Lager, wo er neben den vielen anderen Verletzten gebettet wird. Wir würden sehen, wann ich wieder aufwache und vor allem, was dann wäre. Allein die Wunde an der Hand hat viel Blut gekostet und es gesellen sich viele weitere dazu. Die am Kopf, der Brustpanzer ist eingedrückt, der Sturz vom Pferd. Es würde wohl einige Zeit dauern bis ich wieder auf den Beinen bin - aber zuerst das Bewusstsein.

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Kelian_


Die another day
20. Oktober 1461

Man mag es kaum glauben, aber die Welt dreht sich weiter, auch wenn man ohnmächtig ist. Well, was heißt ohnmächtig, vielmehr muss man es wohl schon Koma nennen. Mein Geist hat sich zurückgezogen von den Irrungen der Welt, ist dem Krieg auf seine Weise aus dem Weg gegangen, um all die Schmerzen die meinen Körper bevölkern nicht mitbekommen zu müssen. Bewegungslos lag ich Tage darnieder, kein Stöhnen hat meinen Mund verlassen, kein Zucken der Hände oder Beine. Fast ist es, als ob ich wirklich tot bin und mein Körper nur aus Unachtsamkeit noch ein Feldbett belegt. Allein, dass mein Brustkorb sich hebt und senkt ist ein Anzeichen dafür, dass dem nicht so ist. Meine ganze Rüstung ist mir entfernt worden, Dank Rondras Fürsorglichkeit werde ich bestens umsorgt, wenn auch nicht ganz so rührend oder voll Inbrunst wie sie es selbst erledigt hätte. Drei bis viermal am Tag wechselt eines der Mädchen meinen Verband an der linken Hand, ich werde regelmäßig ein wenig umgelagert und auch gewaschen. Was würde es nützen, wenn ich all dies überlebe und dann eben an einem Dekubitus verrecken würde. Alles ist an meinem Geist vorbeigegangen, die erste Nacht, der Morgen danach als Rondra eben so wie ich und eben doch schlimmer hergebracht wurde. Nicht, dass sie weg war und verändert wiedergekommen ist – beziehungsweise getragen. Auch sie ist nicht wach und anscheinend finden nicht mal unsere Geister zusammen.
Es ist am Abend des Vortages gewesen, als sich eine Veränderung meines Zustandes eingestellt hat. Mein Zeigefinger der rechten Hand hat angefangen zu zucken, einmal, dann noch einmal. Unbemerkt von den übrigen Gästen des Lazarettes und auch keine Schwester hat es bemerkt. Es hat sich wiederholt, mein Bein hat sich bewegt und die Atmung ist kräftiger geworden. Vorher flach und fast unregelmäßig, scheint es dass ich mich entschieden habe, dass ich wieder an der Welt teilnehmen möchte und daher auch anfange den Sauerstoff verstärkt einzufangen. Ebenfalls unbemerkt. Mitten in der Nacht schließlich haben sich meine spröden Lippen auseinandergeschält, um leise Töne von mir zu geben. Erst nur ein Stöhnen, welches davon zeugt, dass längst nicht aller Schmerz vergangen ist – wie aber auch bei der Fülle an Verletzungen. Noch einmal sind Stunden vergangen, dass mein Schlaf unruhiger wird und schließlich auch endlich das erste Wort zu verstehen ist. ohnd Well, zumindest fast kann man es begreifen. Eines der jüngeren Mädchen, gerade auf ihrem Rundgang auf welchem sie die Patienten kontrolliert, hört mein Gemurmel und alsbald wird auch ein Arzt zu Rate gezogen. Viel ist nicht festzustellen, außer, dass ich aufwache. Ron-dra. Endlich ist herausgestöhnt, was da unbedingt herauswill und es scheint, dass dies genug Anstrengung für die Nacht ist. Allerdings wird ein Mädchen abgestellt, welches in sehr regelmäßigen Abständen nach mir schauen soll.
Es ist der Morgen des zwanzigsten, dass ich erneut vernehmbare Lebenszeichen von mir gebe, doch damit nicht genug. Langsam, schwerfällig öffnen sich meine Augen, grenzenloser Schmerz fährt durch meinen Körper und ich will mit meinen Armen an meinen Kopf fahren – Auslöser des Schmerzes – doch es rührt sich nichts. Das Ergebnis ist jedoch, dass ich wie so viele andere vor Schmerzen fast brüllend auf meiner Liege vegetiere. Ein kalter Lappen für den Kopf, jemand der mir trinken anbietet und wieder wage ich meine Augen zu öffnen, diesmal aber sehr viel langsamer, denn ich habe – wenn auch nicht sofort – kapiert dass es an dem Licht gelegen hat. Wer kann denn aber auch ahnen, dass ich bereits seit sechs Tagen darniederliege und manche mich schon tot gewettet haben. Trin-ken. Es ist nicht meine Stimme, die ich höre, sondern ein Krächzen sondergleichen, aber immerhin. So langsam kehrt auch Gefühl für meinen Körper zurück und so unternehme ich den waghalsigen Versuch mich ein wenig aufzurichten. Es fällt schwer, sind beide Hände bandagiert und die linke unbrauchbar, aber schließlich bin ich wenigsten soweit, dass das Dünnbier nicht komplett meinen Oberkörper einsaut. Obwohl ich kein Hemd trage, leuchte ich in den schillerndsten Farben und anhand dessen, was mein Kopf für Signale aussendet, kann ich nur erahnen wie dieser aussehen muss.
Gefüllt spüle ich einen ganzen Liter hinunter, um meiner Kehle zu geben was sie will und danach verlange ich nach Essen. Es scheint, als ob ich neu zum Leben erwacht bin und selbst dass es nur matschiger Haferbrei ist und kein leckeres Steak, kann mich nicht davon abhalten es bis auf den letzten Löffel leer zu essen. Es hilft ungemein die wichtigen Dinge wieder in meinen Kopf zu rufen, auch wenn es einiges an Anstrengung kostet. Die Fuggerin, was ist mit ihr? Man müsste meinen, dass ich nach Rondra frage, aber für mich steht außer Zweifel, dass sie vernünftig genug war nicht in die Schlacht zu reiten, nachdem soviele von uns gefallen sind. Wahrscheinlich ist sie gerade eine Mütze Schlaf holen und so gilt meine Frage dem Weibe, dass ich gerettet habe. Ha! Held ich, um danach gleich selbst fast zu verrecken. Beide wären wir an dem Tage lieber zu Hause geblieben. Kein Blick bis dahin nach links oder rechts, es fällt mir alles schwer genug. „Neben dir.“ Neben mir? Nanu. Mein Blick geht zur Seite, doch da liegt nur ein Kerl, um dann zur anderen Seite und ich würde schwören, meine Stirn zieht sich zusammen – allerdings spüre ich davon nichts. Aber sie ist blo... Es ist eine eiskalte Dusche, ein Schock der mich trifft. Non no no no…please… Das blanke Entsetzen würde in meinem Gesicht stehen, wenn nicht zumindest die Seite wo der Steigbügel mich getroffen hat ebenfalls in den herrlichsten Farben schillern würde. Ja, sie ist blond und es ist eine Fuggerin. Rondra. Was…? Mein Blick trifft das Mädchen, angsterfüllt und bedrohlich zu gleich. Hol einen Medicus…sofort. Immer noch ein Krächzen, dies würde sich erst mit der Zeit legen und so verliert es viel an der Autorität, die ich eigentlich ausstrahlen will. Das Mädchen zögert und so ‚brülle‘ ich. Sofor… Ich verschlucke den Rest in einem Husten, doch es reicht, dass das Weib davonrennt, um mir einen Mann zu holen, der für mich zusammen fassen kann, was passiert ist. Es dauert nicht lange als einer von den Weißkitteln da ist und ein mildes Lächeln liegt auf seinem Gesicht. „Wieder wach, ja? Nun mal ruhig, wird fast alles wieder werden. Sowohl Kopf, als auch Oberk…“ Ich rede dazwischen, so gut es geht. Nicht ich…sie! Nicht, dass es mir nicht egal ist, aber die vollen Ausmaße meiner Verletzung habe ich eh noch nicht kapiert und so interessiert mich das Weib. Als ob mein Unterbewusstsein schneller war als ich, deutet ganz untypisch mein rechter Arm auf die Blonde. „Oh also…sie.“ Ein kritischer Blick des Arztes, als ob ich es nicht verkraften würde, wobei dann natürlich die Einsicht kommt, dass es mich eher erleichtern als erschrecken sollte, dass das Kind weg ist. Daher, leiert er in sonorer Stimme gleich für uns beide herunter. „Das Frauenzimmer hat das Balg verloren, eine blaue Seite, viele Blutergüsse und blaue Flecke – genauso wie alle anderen – und eine Schwertwunde am Schlüsselbein. Wurde bereits genäht. Ob sie leben wird, man weiß es nicht. Ihre Rippen sind mindestens angebrochen, aber das kennt der Herr ja auch. Nun zurück zu ihm. Gesicht noch in allen Farben, wird aber wieder, vielleicht bleibt eine Narbe. Oberkörper lediert, wir haben ihn bandagiert, sollte auch wieder werden. Ebenso hat er Blutergüsse und blaue Flecke. Die rechte Hand ist verstaucht, also vorsichtig damit umgehen, daher auch der Verband. Die linke wird wahrscheinlich unbrauchbar, das Weib jedoch hat darauf bestanden den Ballast nicht abzusägen. In jedem Fall wird er leben.“ Die Rache dafür, dass ich so aufbegehrt habe, sind die harten und gefühllosen Worte, bevor der Kerl sich aufmacht zu gehen, dann aber stehen bleibt. „Nun wo er wach ist und leben wird, könnte er das Lazarett räumen und das Weib gleich mitnehmen. Sie wird auch in ihrem Zelt leben oder sterben. Auswaschen der Wunden und so weiter könnte er übernehmen um seine Hände zu gebrauchen.“ Nun aber wirklich und damit verlässt der Kerl mich – ich der vollkommen verzweifelt das Weib neben mir ansieht. Das Kind weg, sie mehr am Tod als Leben? Mein Verstand rückt sich die Dinge gleich ins schlechte Licht, ich bin schon immer Pessimist gewesen. Das erste für sich genommen ist schlimm genug, allerdings verdrängt das zweite diesen Part – noch. Irgendwann würde die Erkenntnis darüber kommen, das volle Ausmaß dessen. Obwohl ich vielleicht erstmal wieder liegen sollte, schiebe ich mich vom Feldbett hinunter, meine bandagierte rechte schiebt sich auf eine Hand von meinem Weib und meine Grauen suchen sie ab. Ein kleines Zeichen, dies wäre was – ach ach. Ich beuge mich zu ihr und ein kleiner Kuss ist es, der ihre Lippen erreicht, bevor ich wispere. You have to live! I need you, your daughter needs you…please. Meine Bewegungen sind bei Weitem nicht so filigran, als das mein Daumen über ihre Wange streichen könnte, so dass ich sie einfach nur ein paar sehr lange Sekunden betrachte, bevor ich mich an das Mädchen wende, welches immer noch da steht. Veranlasst, dass sie in ihr Zelt gebracht wird, ich werde mich kümmern – wie der nette Medicus es vorgeschlagen hat. Das Murtalweib? Wo ist es? Zurück zu Heldentaten, ist doch auch viel schöner. „Oh, sie liegt da hinten, Herr. Soll ich Euch führen?“ Ein Kopfschütteln, was definitiv die schlechteste Variante war, immerhin bringt es neue Schmerzen mit sich. Dennoch, ich bin entschlossen. Nein, kümmere dich um die Gräfin, dass sie da ist, wenn ich hier fertig bin. Das ‚Hier‘ auch einen möglichen Besuch beim Herzog beinhalten wird – falls er lebt – ist mal dahingestellt. Vorsichtig Schritte, mit vielen Pausen führen mich schließlich vorwärts zu der Schwarzhaarigen. Warum? Sie ist Rondras Cousine, meine Hofrätin und ich mag sie – ich will wissen, dass ich wenigsten sie retten konnte, wenn ich schon mein Weib so sträflich im Stich gelassen habe. Entgegen sonstiger Gewohnheit krächze ich. Sofia? Das erste Mal, dass ich ihren Vornamen benutze. Seid Ihr wach? Oder auch übersetzt: ‚Lebt Ihr?‘

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Die another day
21.- 22.10.1461


Tatsächlich huscht mir bei all den Worten ein ganz leichtes Schmunzeln über meine Lippen. Nur für einen Moment, auch wirklich nur ganz leicht, aber es ist da - bis sie erneut meine Hand ins Spiel bringt. Warum muss sie danach fragen? Hat sie nicht bemerkt, dass ich nicht darüber reden möchte, dass ich wenigsten das erste Mal nach ihrem Aufwachen so etwas wie Glück haben möchte? Verrücktes, nicht existierendes, abscheuliches Glück. Aber es ist uns nicht vergönnt. So wie ihr frommer Wunsch es war, nicht gleich alles zu erfahren.
Ich schweige auf ihre Frage, durch meinen Kopf huschen verschiedene Antwortmöglichkeiten. 'Deine Hand...' Was sagen? '...ist unbrauchbar.' '...ist verkrüppelt.' '...eine wahre Freude.' Nichts davon huscht über meine Lippen, keine dieser Optionen, ich schweige einfach weiter. Es zieht sich hin bis ich schließlich den Mund öffne, aber bezüglich einer ganz anderen Sache. Johanna wird es gut gehen. Erstmal müssen sie Graz nehmen. Wir schreiben ihr - falls es wirklich ganz schlimm kommen sollte, sollen sie in mein Haus gehen. Es ist sehr viel ärmlicher als deines, kleiner. Wenn sie sich da einfach anziehen und Laverna... Ja, das Weib war in viel mehr Gefahr als Johanna. Wir suchen eine Lösung. Leise Worte, bevor ich wieder in Schweigen verfalle nur um dann erneut zu plappern. Ich habe gehört, dass neue Verbündete angekommen sind und auch hier habe ich Mögliche gesehen. Der Bürgermeister von Rottenmann und Konsorten... Ich höre auf zu reden, als ich höre wie gleichmäßige Atemzüge ihren Mund verlassen. Sie ist eingeschlafen und ich bin wahrlich froh darum. Ein erleichtertes Seufzen verlässt meinen Mund, ich schäme mich dafür, aber es ist die Wahrheit. Sie würde früh genug erfahren, dass sie nun einen Krüppel liebt - falls sie es dann noch macht. Schwere Zeiten, wahrlich.
Ich bin neben ihr eingeschlafen, auch wenn es weiter geht mit Veränderungen. Vielleicht passt es zu unserem neuen Leben, welches vor wenigen Stunden begonnen hat. Ein anderes eben. Wir liegen beide auf dem Rücken nebeneinander, geschuldet unserer Rippenverletzungen. Bei ihr gebrochen, bei mir angeknackst. Am Anfang der Nacht noch hat meine Hand ihre gehalten, doch dies ist jetzt nicht mehr der Fall. Ob ich sie losgelassen habe ob des Schlafes oder ob sie sie mir letztendlich entzogen hat und quer über ihr Gesicht legte, weiß ich nicht. Ob sie damit verhindern will, dass das Nass irgendwann zu mir gelangt, weiß ich auch nicht, Fakt ist aber, dass ich davon aufwache, dass sie weint. Weint ob des Todes unseres Kindes, da bin ich mir sicher und doch liege ich erst einmal nur da. Steif und voller Unbehagen. Wie war das? Vielleicht könnten wir so tun, als ob nichts passiert ist und doch wusste ich schon am Nachmittag, dass dies nicht so sein würde. Ein guter Mann würde wahrscheinlich sofort nach ihrer Hand greifen, sie in den Arm nehmen, auch wenn es schlecht geht mit unserem Rippenproblem. Doch ernsthafterweise würde ich sie am liebsten Anschreien, dass sie aufhören soll zu Heulen - das bringt das Kind auch nicht zurück. Ein weiteres Erschwernis ist, dass ich nicht einfach so liegen bleiben kann, wie ich es mache, denn ich weiß, dass sie weiß, dass ich wach bin. Es ist diese typische Veränderung des Atmens, des Liegens. Alles ist anders, wenn man schläft.
Schwer kommen meine Kiefer aufeinander zu liegen, was mir einen Schmerz durch den Kopf jagt, der mir die Tränen in die Augen treibt. Ich rolle mich vom Bett, kaum fähig etwas zu sehen, aber ich finde den Weg auch so. Er führt mich vor das Zelt, neben den Wachsoldaten. Jeder für sich wirft dem anderen einen schrägen Blick zu, bevor ich in den erleuchteten Himmel schaue. Shít! Shít, shít shít shít... Ich schimpfe fürchterlich, aber es sollte kaum für sie zu hören sein, denn meine Schritte entfernen sich. Vollkommen bescheuert, denn ich bin barfuss und auch halbnackt, aber ich brauche diese Zeit, um wenigsten die Kraft zu sammeln für sie der Starke zu sein. Dass es nicht sofort geht, ist wohl leider offensichtlich und offenbart ihr zumindest in diesem Fall meine Gefühle. Ich bin keine fünf Minuten weg, das Rascheln des Zeltes kündigt mich an. Kurz darauf ist eine Lampe entzündet, weit genug entfernt und klein um nur dämmriges Licht zu spenden. Ich knie mich neben sie und meine rechte unternimmt den Versuch ihre Hand von ihrem Gesicht in meine beiden Hände zu ziehen, um mich dem zu stellen, was natürlich wir beide zu verantworten haben, ich mir aber selbst auf meine Schultern gelastet habe - ich hätte sie beschützen müssen. Ich bin ihr Mann. Ich habe versagt.

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Die another day
22.10.1461


Der Tag ist vergangen, elendig langsam und fast so wie die übrigen. Ich habe auf dem Lager, welches ich zum Lesen errichtet habe, dahinvegetiert, gelesen, wenn auch leise für mich und ohne das Weib. Meine Hand habe ich versorgt, um gleich ihrem eigentlich frommen Wunsch vorzubeugen, dies selbst zu tun. Ewig lange hat es gedauert bis mein Weib wieder ins Zelt zurückgekehrt ist - immerhin mit Essen. Ein netter Mann hätte geholfen die Dinge hereinzutragen, ja wäre sogar bemüht gewesen - aber da meine Laune schon wieder im mürrischen Bereich ist, schaue ich nicht einmal auf als sie meinen Namen nennt und rufe nur leise Hier. Erst nachdem alles steht und sie eben auch dieses Essen ankündigt, findet mein Blick sie, was den nächsten Vorwurf zur Folge hat. Warum hast du nichts gesagt, ich hätte dir geholfen. Ja, warum wohl hat sie mich nicht gefragt, well? Weil niemand einen Krüppel fragt, ob er ihm hilft. Am Ende macht man es eben doch nur schlimmer. So also ist mein Blick ihr bereits wieder ausgewichen, aber immerhin habe ich versucht über den Graben zu springen. Aufgestanden, hin zu ihr, eine sanfte Berührung am Rücken, sogar ein Scherz. Zur Folge hat es, dass sie mich Füttern darf, ohne dass ich deswegen wütend werde, denn tatsächlich sehe ich es als kleine Spiel, eine romantische Geste. Beim ersten Mal hat sie mir den Mund und auch gleich die Kehle verbrannt, aber solch Schmerz währt nicht lange, vor allem wenn man hungrig ist und sich nebenbei ein Gespräch über die verletzte Cousine entsponnen hat. Wie es Sofia geht ist natürlich nur der Eingang des Gespräches.
Der Medicus empfiehlt sie aus dem Lazarett zu verlegen. Eine kleine Annäherung an die Tatsache, dass sie demnächst in diesem Zelt mit sein würde, allerdings ist es nicht das, was ich begreife und so stimme ich natürlich sofort zu. Das Lazarett ist wirklich kein Ort um gesund zu werden. Hin und her geht es, ein Missverständnis nach dem anderen bis endlich feststeht, was sie will - mit der Bereitschaft meinerseits, dass ich in mein Zelt ziehen würde, immerhin würden die Weiber dann unter sich sein. Nicht gewollt, verpönt und es sorgt zu weiteren Missverständnissen, die wir allerdings auch nicht aus der Welt schaffen. Ich denke, sie will mich loswerden, auch wenn sie vollkommen widersprüchliche Signale sendet. Ich soll nicht gehen, bleiben. Gut, dann bleibe ich eben und der Abend nimmt seinen Lauf ohne Berührung um dann endlich in das zu münden, was überfällig ist - einem Kuss. Ich habe ihre Wunden versorgt, sanft und vollkommen ausgewechselt, nicht mehr der empfindliche Mistkerl, sondern ein kleines Lamm. Im Gegenzug darf sie mein Gesicht versorgen und nachdem wir uns also doch soviel berührt haben - der Kuss.
Schließlich setzt sie auch noch den Plan um, den sie heimlich geschmiedet hat. Tee für mich und auch für sie, auch wenn sie sich so ungeschickt angestellt hat, dass es mir zumindest komisch vorkam - nichts desto trotz bin ich eingeschlafen, tief und fest, was ihr die Möglichkeit gibt endlich meine Hand zu betrachten. Es wird natürlich eine Narbe zurückbleiben, vielleicht ist es wirklich genau das, was mich beeinträchtigt. Nicht, dass ich sie mir nicht selbst schon angesehen hätte, da bin ich weiter als sie. Es beginnt zu heilen, eindeutig aber es ist immer noch ein tiefer Schnitt ersichtlich oder zumindest kann man erahnen, dass es ein mächtig tiefer Schnitt war. Positiv an diesem Abend: Sie dehnt sie vorsichtig und was sie bemerken sollte ist, dass meine Hand abnehmend mit der Größe der Finger auch empfindlicher wird - da ist sogar ein Zucken. Vielleicht ist ja doch nicht alles verloren? Doof nur, dass sie genau dies nicht mir sagen kann, denn wir wissen wohl beide, dass ich nicht gerade angetan wäre von diesem Missbrauch von Tee. Immerhin, sie hat mich angelogen und ich hasse lügen. Es ist die erste Lüge, die zwischen uns steht und vielleicht auch der Anfang vom Ende.

Es ist einer dieser Tage an denen ich durch das Lazarett streife, immer noch auf der Suche nach Rum. Der Schwarzmarkt blüht, aber ich habe kaum Geld bei mir und was kann ich sonst noch versprechen? Auf dieser Suche schließlich findet mich ein Bote, sichtlich verängstigt, immerhin ist er in ein Kriegslager eingedrungen und...von der feindlichen Seite. Zumindest aus unserer Sicht. Dennoch, ich bin kein Unmensch und so tue ich dem Kerl nichts - wie auch, wenn wir ehrlich sind - entfalte den Brief aber erst, als ich zurück in meinem Zelt bin. Rondra ist nicht da, nur Sofia, die nun endlich bei uns untergebracht ist. Bevor ich auch nur irgendwelche Anstalten mache die Zeilen zu öffnen, findet meine Hand Platz auf ihrer Stirn und der Lappen wird gewechselt. Ich würde schwören das Fieber sinkt, aber vielleicht ist es auch nur mein Wunsch und ich bilde es mir ein. Dann endlich zu den Zeilen und zuerst ist ein Schnauben zu hören, abfällig, bevor ich ungläubig auf den Brief schaue und letztendlich anfange zu lachen. Unkontrolliert, bösartig,vielleicht ein bisschen verrückt. Ist das deren Ernst? Ein Brief von den Österreichern, von deren HBV, ob wir handeln wollen, Steine bringen. Hat er sie nicht mehr alle? Ich will schon anfangen zu schreiben, als mir natürlich mal wieder einfällt, dass ich nicht kann. Meine Laune hebt sich dadurch nicht weiter, doch schließlich ist jemand gefunden, der für mich die Buchstaben aufs Papier bringt.

An Kthar von Ktharrak,

ich habe Euren unverschämten Brief erhalten und frage mich wirklich so langsam, wonach Österreich seine Ratsleute auswählt. Ihr wollt handeln? Dann schreibt vielleicht in Friedenszeiten. Ich werde Euch sicherlich nicht die Steine liefern, die Eure reudigen Truppen brauchen um Graz zu belagern. Denkt Ihr, wir sind minderbemittelt und würden nun Leute los schicken, die die Steine nach Linz schicken? Wir haben hier genug Probleme und wenn Ihr Steine braucht, dann buddelt sie in Eurem gott verlassenen Landen aus, holt sie aus dem Wasser oder reißt Eure Häuser ab. Ja, wir haben Steine, Nein, wir haben zur Zeit keinerlei Interesse daran Euch auch nur in irgendeiner Form zu helfen. Truppen aus Euren Landen marschieren gerade zahlreich auf uns zu, um uns zu morden, unsere Frauen zu schänden, unsere Kinder zu versklaven und Ihr habt die Impertinenz mir zu schreiben, ob ich vielleicht gewillt bin, Euch Steine zu überlassen? ER wird Euch dafür richten, dass Ihr so unverschämt seid.
Solltet Ihr von all diesen Geschehnissen keine Ahnung haben und ich Euch Euer Meinung nach zu unrecht beschimpfen, dann frage ich mich, wie Ihr Euer Amt wahrnehmt.

Mögen Steine in Eurer Hand zerbröseln, Eure Felder verdorren und Euer Vieh elend verenden – Profitgeier der Ihr seid.


    K. L. Peverell


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Kelian_


Die another day
27.-28.10.1461


Es ist der Abend nach diesem Gespräch, kurz nachdem das schwarzhaarige Weib gegangen ist. Schweigen herrscht im Zelt, wie so oft in letzter Zeit, aber das erste Mal nicht so unangenehm wie sonst. Ich schweige, weil die Gedanken in meinem Kopf umherwirbeln bis ich aufstehe und zu Rondra gehe. Meine Hand streckt sich nach der Blonden aus. Kommst du mit mir? Natürlich nicht generell, dies hatten wir ja gerade geklärt, sondern nun in diesem Augenblick. Ein Spaziergang, nur wir beide hinein in das Dunkel der Nacht, hin zu der Koppel und eben doch daran vorbei bis ich stehen bleibe. Ein ernstes Gespräch, immerhin gilt zu klären, was wir mit Johanna machen. Wir würden es ihr sagen müssen, sagen was wir eigentlich hatten geheim halten wollen, aber diese Scharade macht nun wirklich keinen Sinn mehr. Wie sehr würde es Johanna verwirren, wenn sie es danach herausfinden würde. Ein ernstes Gespräch darüber, wie die Dinge zwischen uns stehen. Nichts genaues, nur ein erklären meinerseits. Leise, vage – Dinge, die ich mit mir alleine ausmachen muss, bevor ich sie mit ihr besprechen könnte. Ich suche Einsamkeit und je mehr ich sie suche, umso weniger scheine ich sie zu finden, denn ab Morgen wären wir zu fünft und ich muss mir Gedanken machen, wie ich es dem Kind beibringe.
Es ist der nächste Morgen, der für mich grausam beginnt. Warum? Ich habe nicht geschlafen. Keine Minute, ehrlich. Ich habe jongliert mit Worten. Phrasen, Satzteilen und noch anderen Dingen und doch komme ich schließlich vollkommen ahnungslos am Zelt meines Weibes an. Hinein, ein kurzer Gruss und schon entführe ich das Kind, ähnlich wie die Mutter am Abend. Sowieso haben sie unglaublich viel Ähnlichkeit miteinander. Dort, wo am Abend der Kopf des Kindes lag um zu weinen, da lag nur wenige Stunden später der der Mutter – ohne Tränen. Da wo am Abend die Hand der Mutter war, da ist heute die der Tochter und so gehen auch wir zu den Pferden. Sie soll helfen, ein Pferd anzuschauen und so beginnt der Eiertanz, den ich beginne um ihr zu erklären, was ihre Mutter und mich verbindet. Eine Geschichte darüber, dass ich ihre Mutter mag, sogar sehr mag – und am Ende liebe. Eine Geschichte, die von den Anfängen erzählt, davon, dass die Mutter manchmal gemein sein kann und eben doch nicht geschimpft hat? Erstaunen und Unverständnis beim Kind, bevor die tieferen Fragen kommen. Ob es schon beim unserem Kennenlernen so war? Warum ich nicht weggelaufen bin. Ob ich weglaufen würde, wenn sie schreit, schimpft oder weint. Vieles, was das Kind zu verarbeiten hat – und irgendwann schließlich ist es an der Zeit, dass ich sie zu ihrer Mutter bringe. Es ist ein mulmiges Gefühl, ich fühle mich beobachtet und so ist es nur ein kurzer Händedruck, bevor ich die beiden alleine lasse. Ich würde einen Karren organisieren, Medizin und soviel Proviant, wie wir tragen können.
Stunden später geht es endlich los. Es war nicht einfach zu besorgen, was gebraucht wird und sicherlich ist es für keinen von uns bequem. Zwei Pferde die beritten werden, ein Packpferd und ein Karren, auf dessen Bock ich sitze. Natürlich, irgendwie müssen wir Sofia transportieren und doch ist es eher behelfsmäßig. Felle liegen aus, so dick wie es geht und so viele wie draufgepasst haben. Breiter als das Lager im Zelt, aber natürlich auch zugiger. Mehrere Decken liegen auf der Frau, sollen sie warm halten, aber eben auch nicht zu sehr. Johanna ist neben mir auf dem Bock, eine Decke hat das Mädchen auf den Beinen, meinen viel zu großen Mantel kleidet ihren Körper zusätzlich. Die anderen würden durch das Reiten warm bleiben, wir beide wären die ersten, die frieren, aber dabei steht sie im Vordergrund. Sowieso, die Kleidung hat sich verändert. Der teure Hermelinmantel ist verschwunden, die edle Kleidung von Rondra. Ich, schwarz in schwarz, einfacher Stoff, dass er selbst an meiner Haut reibt. Auch die Weiber. Ich sehe weiß und grau, braun. Keine Farben. Wir sind nicht reich. Nur mein Kopftuch habe ich behalten und eben den Mantel. Geschenke, von einem wohlhabenderen Verwandten. Mitgift meines Weibes. Irgendwas. Jeder von uns hat so ein Stück, was ihn verraten würde – leider.
Ein Brief ist am letzten Tag abgeschickt worden, an die Schwägerin von Sofia. Vielleicht würden wir Lienhart und Katerina bei Gelegenheit holen können, vielleicht wären sie dort sicherer. Aber – wer weiß dies schon? Im Lager haben wir uns nicht lange aufgehalten, nicht dass uns wirklich noch jemand aufhalten würde, immerhin nehmen wir einen Großteil der Sachen mit. Allerdings, viele sind nicht mehr da und so stellt sich auch niemand in den Weg. Wie auch, die die noch da sind können nicht mehr laufen und so verschwindet auch der nächste Tross. Ein paar Meilen geht es so, ohne Worte bis wir endlich stehen bleiben. Eine Diskussion entbrennt, natürlich, denn keiner von uns hat eine Ahnung, wo wir finden würden, was wir suchen. Ein Gehöft, ein Haus, ein…ja was? Wir haben alle keine Ahnung und so ist es eben die eine wie die andere Richtung, die vielversprechend klingt. Ich weiß nicht mehr, wer sich von uns durchsetzt – sicherlich nicht ich, ich kenn mich kaum aus – aber schließlich geht es einen schlammigen Weg entlang, weg von den Hauptdörfern hin zur Landschaft der Steiermark, die so weitläufig ist, dass wir wahrscheinlich froh sein können überhaupt eine Menschenseele zu finden. Die Einzige, die plappert, als ob es ein fröhlicher Ausflug wäre, ist Johanna. Wie aber auch nicht – sie ist ein Kind und wir sind so viele Erwachsene, dass ihr nichts Schlimmes passieren kann. Oder?
Irgendwann, nachdem das Schweigen schon drückend war, erklingen wieder Stimmen. Worum es geht? Wir brauchen Namen, Familiengrade und so weiter und schließlich waren Anakonda und ich uns einig – Geschwister scheint ein Ding der Unmöglichkeit. Etwas wofür wir viel Zeit hätten, um es zu klären.

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