Kelian_
Run boy, run (they are trying to catch you)
28.10.1461-03.11.1461
Schließlich halten wir, eine wache Anakonda auf ihrem Pferd, eine begeisterte Johanna an meiner Seite, die sofort von unserem Gefährt springt, sobald wir halten. Die kleinen Beinchen vertreten, ein wenig herumspringen. Wenn nur wir anderen auch so fröhlich und unbekümmert sein könnten. Auch ich krabbel von dem 'Kutschbock' herunter, doch bei Weitem steifer und auch nicht so fröhlich. Sofort mache ich mich daran neu gewonnene Fähigkeiten einzusetzen und spanne das Pferd ab, damit auch dieses sich ausruhen kann. Mein Blick schweift zu Sofia, so als ob ich schauen möchte, wie sie die Fahrt verkraftet hat als die Stimme meines Weibes mich erreicht. Sie will Wasser holen. "Kommst du mit?" Es ist nur ein Nicken, aber allein dass ich sofort nach dem Kessel greife, den wir dabei haben zeigt wohl die Antwort deutlich genug. Einziges Manko dessen ist, dass ich nun keine Hand mehr übrig habe sie anzufassen und so kann es eben nur der Arm sein, den ich ihr anbiete. Schweigen umfängt uns, wie so oft in letzter Zeit, es scheint aber kein schlechtes zu sein, zumal mich die Neugier fast auffrisst und ich eben dieses sowieso bald brechen werde. Nur langsam nähern wir uns den wirklichen Problemen, denn leise besprechen wir, wie bequem es auf dem Karren ist und eben nicht, ebenso auf dem Pferd, dass die Nacht sicher sehr unschön werden würde, denn dass wir heute noch etwas anderes durch Zufall finden würden, ist mehr als unwahrscheinlich. Also eine Nacht in der Kälte, mit einer schwer Verletzten. Ja, es wäre besser, wenn wir bald etwas finden würden. Auch wenn es nur eine Hütte wäre, solange wir ein Bett hätten für Sofia und es warm machen konnten. Wieder ist es so etwas wie ein Versprechen, als wir auf ihr Pferd zu sprechen kommen, denn der neue Gaul scheint wirklich nicht genehm zu sein. Dann gibt es eben irgendwann einen Neuen für dich. Ja, wie ein Neuanfang für alles würde der Gaul dann vielleicht stehen. Auch, wenn es natürlich die geringsten Probleme sind, die uns zur Zeit beschäftigen, so ist es schön wenigsten dazu eine Lösung zu haben oder einen Plan.
Auch für die anderen Probleme suchen wir eine Lösung, so zum Beispiel für die Unterkunft. "Ich hatte bereits an die Jagdhütte gedacht, aber sie ist zu nah an Graz..." Sie will weiter gehen, nachdem sie dies gesagt hat, aber diesmal bin ich es, der uns aufhält. Ich bin einfach stehen geblieben und so kommt sie nur wenige Schritte, bevor auch sie stehen bleibt und ich sie einhole. Es fühlt sich besser als die letzten Tage an - zwischen uns. Vorsichtig, auch irgendwie verrückt in zweierlei Hinsicht, lege ich meine Lippen auf ihre. Guten Abend mein Weib. Ja, irgendwie ist sie es ja jetzt auch offiziell, auch wenn wir sicher mehr als jemals zuvor in einem Gestrick aus Lügen verworren sind. Doch weiter geht es, denn endlich stelle ich die Fragen, die mir heute zumindest am dringendsten auf der Seele lasten. Was hat Johanna zu dir gesagt? Ja, denn nach dem Gespräch welches sie mit mir hatte, hatte sie natürlich auch eines mit ihrer Mutter, wie auch nicht. Das sie vom Kuss überrascht ist - nunja, wie auch nicht nach den letzten Tagen und so sehe ich darüber hinweg, dass er weitgehend unbeantwortet geblieben ist. "Sie scheint es hinzunehmen, irgendwie. Sie hat gefragt ob es stimmt was du gesagt hast, ob ich dich wirklich liebe. Dann wollte sie einiges wissen, ob ich dich so liebe wie ich... Leom geliebt habe, ob er vielleicht doch zurückkommt und was dann wäre. Sie will keinen neuen Vater und sie will nicht dass ich dich schlecht behandle, weil du sonst vielleicht doch fortläufst." Ein kleiner Seufzer kommt über ihre Lippen, leise und abgrundtief. "Ich denke es ist gut dass sie es weiß, aber wir sollten sie nicht vor den Kopf stoßen. Ich glaube sie hat Angst dich als Freund zu verlieren." Sofort beginnen in meinem Kopf neue Fragen hervoruzschießen. Natürlich welche, die vollkommen lächerlich sind. Aber - auch ich hätte gerne diese Fragen beantwortet und doch lasse ich es, denn ich weiß es für mich besser und ansonsten gehe ich vollkommen konform mit Johanna. Bis auf die Sache mit dem Heiraten. Aber auch daran würden wir uns annähern, so wie wir vorhaben sowieso alles recht langsam anzugehen, was mit Johanna zu tun hat. Sie soll sich wohl fühlen, an den Gedanken gewöhnen, dass es zwischen uns mehr ist als nur Freundschaft und dabei nicht das Gefühl haben mich als ihren Freund zu verlieren oder dass auch ich noch weglaufe, so wie andere es gemacht haben - nicht, dass ich traurig darüber bin, aber manchmal kann ich mir die bitteren Gedanken aus der Sicht des Mädchens nicht verbieten. Es passiert einfach.
Kleine, gestohlene Küsse zwischen uns. Lippen, die sich länger schon nicht mehr gefühlt haben, zumindest nicht so und so passiert es schließlich, dass wir uns da mitten im Wald einem Thema nähern, welches vielleicht zu früh ist um angesprochen zu werden. Doch leise und sanft schiebt sich schließlich als Folge aus diesem Gespräch über meine Lippen. Dich trägt keine Schuld Rondra...nicht dich. Genau diese Worte treffen auf Unverständnis, denn jeder von uns bürdet sich den Tod unseres Kindes auf. Eindringliche Worte. "Natürlich ist es meine Schuld, Kelian. Ich hätte alles tun müssen unsere Heimat für unserer Kind zu schützen, stattdessen bin ich in den Krieg gezogen." Dies wiederum stößt auf Ensetzen meinerseits und so entspinnt sich ein Streit - grotesker könnte es nicht sein - wer nun Schuld an dem Tod unsere Kindes ist und irgendwann sprudelt es, lauter als beabsichtigt, über meine Lippen. Ich hab dich im Stich gelassen Rondra, ich bin dein Mann, ich hätte dich beschützen müssen, dich in Graz lassen oder auf Leoben. Ich habe versagt! Kein Halten mehr, die Worte werden böser und schließlich bin ich es, der vor ihr zurückweicht, den Kessel nimmt und endlich ihrer Bitte folgt, dass wir weiter das Wasser suchen. Schweigen zwischen uns, wieder, allerdings diesmal eindeutig unangenehm.
Dieses Schweigen dauert an, kaum zu glauben, dass wir überhaupt noch nach Wasser suchen, aber schließlich ist es da, das leise Rauschen, welches natürlich zu eben dem Begehrten gehört. Wir wechseln ein wenig die Richtung, froh endlich zu finden was wir suchen und damit eine Ausrede zu haben in unserem Lager getrennte Wege zu gehen, als ich abrupt stehen bleibe, nur um mich wieder umzudrehen und ihr meinen Finger auf die Lippen zu legen. Stimmen! Eindeutig, oder? Ihr Greifen nach dem Schwert geht ins Leere, ebenso habe ich keines dabei. Der Kessel wäre meine einzige Waffe und so beuge ich mich zu ihr. Geh...ich werde nachschauen. Lippen auf Lippen, wir brauchen dieses Wasser, dringend. Allein schon für Sofia. Also schiebe ich mich vorwärts, langsam in meinen schwarzen Sachen und tatsächlich, nachdem ich mich endlich in Sichtweite geschoben habe - Soldaten. Steirische. Gut oder schlecht? Ich weiß es nicht unbedingt, bin mir mehr als unsicher, aber es hilft nicht. Gesenkten Blickes, ein Ast knackt unter meinen Füßen, trete ich schließlich hervor und obwohl die beiden Kerle sofort alarmiert sind, sind sie es ebenso schnell nicht mehr. Als ob ich hätte kämpfen können. Ich erkläre, dass ich nur Wasser holen möchte und doch dauert es quälend lange bis der Kessel endlich voll ist und so komme ich dann eben doch nicht drum herum mit den Männern zu reden. "Du kommst hier aus der Gegend?" Ich riskiere nur einen kurzen Blick, bevor ich mich für eine Lüge in der Wahrheit entscheide. Nein, ich musste mit meiner Familie den Hof verlassen... Wir sind schon ein paar Tage unterwegs. Ein Nicken von einem der beiden, bevor sie dann einen guten gemeinten Tipp loswerden. "Wenn du glaubst in der Hauptstadt dein Auskommen zu finden, vergiss es. Graz ist gefallen und damit auch Recht und Ordnung..." Es glimmt Dank dieser Kerle ein Funken, den Rondra vorher vergeblich versucht hat, als sie mal wieder meine Hand thematisiert hat. Ein sturer Hund bin ich? Verbohrt? Ja, aber diese beiden Männer, die hier so bereitwillig Auskunft geben und helfen, die zeigen, was die Steier ist und wofür wir gekämpft haben.
Zurück gehe ich weitaus befreiter, sodass ich Rondra, die natürlich nicht zurückgegangen ist und zwischen den Bäumen steht gar nicht bemerke. Ich erschrecke mich, als sie mich anspricht, der erste Teil des Wassers geht auf meine Hose. Excrement. Ja, natürlich. Scheiße Rondra, ich hab gesagt du sollst zurückgehen. Voller Sorge, nicht einmal wütend rede ich auf sie ein bis ich die finale Frage stelle. Wirst du jemals machen, was ich dir sage? Eine berechtigte Frage, doch erwarte ich die Antworten nicht, die ich darauf und auch auf das Erwähnen des Tippes der beiden Kerle bekomme. "Ich werde dir folgen, wenn du mir Dinge aufträgst, denen ich folgen will." Eine kurze Pause, bevor weiter folgt. "Nein, es klingt sehr vernünftig." Es schockt mich, auch wenn ich weiß, dass sie es eigentlich nicht ernst meint, aber immerhin ist es der Anstoß, dass wir anfangen wieder zu reden. Darüber, dass wir damit aufhören müssen, dass ich ihr dann eben Gründe nenne. Küssen, wir küssen uns, so wie es sein sollte.
Schließlich, nachdem wir dieses Gespräch endlich geführt haben, führt es uns beide wieder in unser kleines 'Lager', wo wir zumindest von Johanna schon sehnsüchtig erwartet werden. Das Wasser, es hilft und ein wenig Holz wurde auch schon zusammen getragen. Ob wir es wagen oder nicht ein Feuer zu machen ist irrelevant. Wir brauchen eines. Nur kurz ist die Rast in dieser Nacht, Johanna verbringt die ersten Stunden während wir schon wieder unterwegs sind mit bei ihrer Tante. Die Weiber habe ich in unterschiedliche Richtungen gesandt, damit sie etwas finden, was wir besiedeln könnten. Wenigsten erst einmal eine Hütte. Es dauert eine weitere Nacht, die wir alle draußen verbringen müssen, bevor wir endlich etwas finden, was uns ein Dach über den Kopf gibt. Nichts schönes. Auch nichts großes. Zwei Zimmer, ein Hauptraum und eben ein zweites Zimmer. Sofia bringen wir so warm und bequem wie möglich unter. Auf Dauer würde es nichts werden, wir könnten hier nicht bleiben. Und so beginnen jeden Tag dieselben Diskussionen darüber, was wir machen würden. Die verschiedensten Varianten haben sich gebildet. Wer mit wem nun verwandt ist, wer wie wo was. Ein Bauernhof, einfach nur ein Haus oder eben ein Wirtshaus, welches wir führen könnten. Es würde Geld geben, uns Schlafplätze und wir könnten so langsam schauen, was passieren würde und was wir machen könnten. So viele Ideen und doch können wir keine davon umsetzen, solange wir zumindest Sofia nicht einigermaßen über den Berg bringen, immerhin würde es in jedem Fall bedeuten wieder zu reisen.
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