Afficher le menu
Information and comments (0)
<<   <   1, 2, 3, ..., 18, 19, 20, ..., 37, 38, 39   >   >>

Dark water

Kelian_


Run boy, run (they are trying to catch you)
28.10.1461-03.11.1461


Schließlich halten wir, eine wache Anakonda auf ihrem Pferd, eine begeisterte Johanna an meiner Seite, die sofort von unserem Gefährt springt, sobald wir halten. Die kleinen Beinchen vertreten, ein wenig herumspringen. Wenn nur wir anderen auch so fröhlich und unbekümmert sein könnten. Auch ich krabbel von dem 'Kutschbock' herunter, doch bei Weitem steifer und auch nicht so fröhlich. Sofort mache ich mich daran neu gewonnene Fähigkeiten einzusetzen und spanne das Pferd ab, damit auch dieses sich ausruhen kann. Mein Blick schweift zu Sofia, so als ob ich schauen möchte, wie sie die Fahrt verkraftet hat als die Stimme meines Weibes mich erreicht. Sie will Wasser holen. "Kommst du mit?" Es ist nur ein Nicken, aber allein dass ich sofort nach dem Kessel greife, den wir dabei haben zeigt wohl die Antwort deutlich genug. Einziges Manko dessen ist, dass ich nun keine Hand mehr übrig habe sie anzufassen und so kann es eben nur der Arm sein, den ich ihr anbiete. Schweigen umfängt uns, wie so oft in letzter Zeit, es scheint aber kein schlechtes zu sein, zumal mich die Neugier fast auffrisst und ich eben dieses sowieso bald brechen werde. Nur langsam nähern wir uns den wirklichen Problemen, denn leise besprechen wir, wie bequem es auf dem Karren ist und eben nicht, ebenso auf dem Pferd, dass die Nacht sicher sehr unschön werden würde, denn dass wir heute noch etwas anderes durch Zufall finden würden, ist mehr als unwahrscheinlich. Also eine Nacht in der Kälte, mit einer schwer Verletzten. Ja, es wäre besser, wenn wir bald etwas finden würden. Auch wenn es nur eine Hütte wäre, solange wir ein Bett hätten für Sofia und es warm machen konnten. Wieder ist es so etwas wie ein Versprechen, als wir auf ihr Pferd zu sprechen kommen, denn der neue Gaul scheint wirklich nicht genehm zu sein. Dann gibt es eben irgendwann einen Neuen für dich. Ja, wie ein Neuanfang für alles würde der Gaul dann vielleicht stehen. Auch, wenn es natürlich die geringsten Probleme sind, die uns zur Zeit beschäftigen, so ist es schön wenigsten dazu eine Lösung zu haben oder einen Plan.
Auch für die anderen Probleme suchen wir eine Lösung, so zum Beispiel für die Unterkunft. "Ich hatte bereits an die Jagdhütte gedacht, aber sie ist zu nah an Graz..." Sie will weiter gehen, nachdem sie dies gesagt hat, aber diesmal bin ich es, der uns aufhält. Ich bin einfach stehen geblieben und so kommt sie nur wenige Schritte, bevor auch sie stehen bleibt und ich sie einhole. Es fühlt sich besser als die letzten Tage an - zwischen uns. Vorsichtig, auch irgendwie verrückt in zweierlei Hinsicht, lege ich meine Lippen auf ihre. Guten Abend mein Weib. Ja, irgendwie ist sie es ja jetzt auch offiziell, auch wenn wir sicher mehr als jemals zuvor in einem Gestrick aus Lügen verworren sind. Doch weiter geht es, denn endlich stelle ich die Fragen, die mir heute zumindest am dringendsten auf der Seele lasten. Was hat Johanna zu dir gesagt? Ja, denn nach dem Gespräch welches sie mit mir hatte, hatte sie natürlich auch eines mit ihrer Mutter, wie auch nicht. Das sie vom Kuss überrascht ist - nunja, wie auch nicht nach den letzten Tagen und so sehe ich darüber hinweg, dass er weitgehend unbeantwortet geblieben ist. "Sie scheint es hinzunehmen, irgendwie. Sie hat gefragt ob es stimmt was du gesagt hast, ob ich dich wirklich liebe. Dann wollte sie einiges wissen, ob ich dich so liebe wie ich... Leom geliebt habe, ob er vielleicht doch zurückkommt und was dann wäre. Sie will keinen neuen Vater und sie will nicht dass ich dich schlecht behandle, weil du sonst vielleicht doch fortläufst." Ein kleiner Seufzer kommt über ihre Lippen, leise und abgrundtief. "Ich denke es ist gut dass sie es weiß, aber wir sollten sie nicht vor den Kopf stoßen. Ich glaube sie hat Angst dich als Freund zu verlieren." Sofort beginnen in meinem Kopf neue Fragen hervoruzschießen. Natürlich welche, die vollkommen lächerlich sind. Aber - auch ich hätte gerne diese Fragen beantwortet und doch lasse ich es, denn ich weiß es für mich besser und ansonsten gehe ich vollkommen konform mit Johanna. Bis auf die Sache mit dem Heiraten. Aber auch daran würden wir uns annähern, so wie wir vorhaben sowieso alles recht langsam anzugehen, was mit Johanna zu tun hat. Sie soll sich wohl fühlen, an den Gedanken gewöhnen, dass es zwischen uns mehr ist als nur Freundschaft und dabei nicht das Gefühl haben mich als ihren Freund zu verlieren oder dass auch ich noch weglaufe, so wie andere es gemacht haben - nicht, dass ich traurig darüber bin, aber manchmal kann ich mir die bitteren Gedanken aus der Sicht des Mädchens nicht verbieten. Es passiert einfach.
Kleine, gestohlene Küsse zwischen uns. Lippen, die sich länger schon nicht mehr gefühlt haben, zumindest nicht so und so passiert es schließlich, dass wir uns da mitten im Wald einem Thema nähern, welches vielleicht zu früh ist um angesprochen zu werden. Doch leise und sanft schiebt sich schließlich als Folge aus diesem Gespräch über meine Lippen. Dich trägt keine Schuld Rondra...nicht dich. Genau diese Worte treffen auf Unverständnis, denn jeder von uns bürdet sich den Tod unseres Kindes auf. Eindringliche Worte. "Natürlich ist es meine Schuld, Kelian. Ich hätte alles tun müssen unsere Heimat für unserer Kind zu schützen, stattdessen bin ich in den Krieg gezogen." Dies wiederum stößt auf Ensetzen meinerseits und so entspinnt sich ein Streit - grotesker könnte es nicht sein - wer nun Schuld an dem Tod unsere Kindes ist und irgendwann sprudelt es, lauter als beabsichtigt, über meine Lippen. Ich hab dich im Stich gelassen Rondra, ich bin dein Mann, ich hätte dich beschützen müssen, dich in Graz lassen oder auf Leoben. Ich habe versagt! Kein Halten mehr, die Worte werden böser und schließlich bin ich es, der vor ihr zurückweicht, den Kessel nimmt und endlich ihrer Bitte folgt, dass wir weiter das Wasser suchen. Schweigen zwischen uns, wieder, allerdings diesmal eindeutig unangenehm.
Dieses Schweigen dauert an, kaum zu glauben, dass wir überhaupt noch nach Wasser suchen, aber schließlich ist es da, das leise Rauschen, welches natürlich zu eben dem Begehrten gehört. Wir wechseln ein wenig die Richtung, froh endlich zu finden was wir suchen und damit eine Ausrede zu haben in unserem Lager getrennte Wege zu gehen, als ich abrupt stehen bleibe, nur um mich wieder umzudrehen und ihr meinen Finger auf die Lippen zu legen. Stimmen! Eindeutig, oder? Ihr Greifen nach dem Schwert geht ins Leere, ebenso habe ich keines dabei. Der Kessel wäre meine einzige Waffe und so beuge ich mich zu ihr. Geh...ich werde nachschauen. Lippen auf Lippen, wir brauchen dieses Wasser, dringend. Allein schon für Sofia. Also schiebe ich mich vorwärts, langsam in meinen schwarzen Sachen und tatsächlich, nachdem ich mich endlich in Sichtweite geschoben habe - Soldaten. Steirische. Gut oder schlecht? Ich weiß es nicht unbedingt, bin mir mehr als unsicher, aber es hilft nicht. Gesenkten Blickes, ein Ast knackt unter meinen Füßen, trete ich schließlich hervor und obwohl die beiden Kerle sofort alarmiert sind, sind sie es ebenso schnell nicht mehr. Als ob ich hätte kämpfen können. Ich erkläre, dass ich nur Wasser holen möchte und doch dauert es quälend lange bis der Kessel endlich voll ist und so komme ich dann eben doch nicht drum herum mit den Männern zu reden. "Du kommst hier aus der Gegend?" Ich riskiere nur einen kurzen Blick, bevor ich mich für eine Lüge in der Wahrheit entscheide. Nein, ich musste mit meiner Familie den Hof verlassen... Wir sind schon ein paar Tage unterwegs. Ein Nicken von einem der beiden, bevor sie dann einen guten gemeinten Tipp loswerden. "Wenn du glaubst in der Hauptstadt dein Auskommen zu finden, vergiss es. Graz ist gefallen und damit auch Recht und Ordnung..." Es glimmt Dank dieser Kerle ein Funken, den Rondra vorher vergeblich versucht hat, als sie mal wieder meine Hand thematisiert hat. Ein sturer Hund bin ich? Verbohrt? Ja, aber diese beiden Männer, die hier so bereitwillig Auskunft geben und helfen, die zeigen, was die Steier ist und wofür wir gekämpft haben.
Zurück gehe ich weitaus befreiter, sodass ich Rondra, die natürlich nicht zurückgegangen ist und zwischen den Bäumen steht gar nicht bemerke. Ich erschrecke mich, als sie mich anspricht, der erste Teil des Wassers geht auf meine Hose. Excrement. Ja, natürlich. Scheiße Rondra, ich hab gesagt du sollst zurückgehen. Voller Sorge, nicht einmal wütend rede ich auf sie ein bis ich die finale Frage stelle. Wirst du jemals machen, was ich dir sage? Eine berechtigte Frage, doch erwarte ich die Antworten nicht, die ich darauf und auch auf das Erwähnen des Tippes der beiden Kerle bekomme. "Ich werde dir folgen, wenn du mir Dinge aufträgst, denen ich folgen will." Eine kurze Pause, bevor weiter folgt. "Nein, es klingt sehr vernünftig." Es schockt mich, auch wenn ich weiß, dass sie es eigentlich nicht ernst meint, aber immerhin ist es der Anstoß, dass wir anfangen wieder zu reden. Darüber, dass wir damit aufhören müssen, dass ich ihr dann eben Gründe nenne. Küssen, wir küssen uns, so wie es sein sollte.
Schließlich, nachdem wir dieses Gespräch endlich geführt haben, führt es uns beide wieder in unser kleines 'Lager', wo wir zumindest von Johanna schon sehnsüchtig erwartet werden. Das Wasser, es hilft und ein wenig Holz wurde auch schon zusammen getragen. Ob wir es wagen oder nicht ein Feuer zu machen ist irrelevant. Wir brauchen eines. Nur kurz ist die Rast in dieser Nacht, Johanna verbringt die ersten Stunden während wir schon wieder unterwegs sind mit bei ihrer Tante. Die Weiber habe ich in unterschiedliche Richtungen gesandt, damit sie etwas finden, was wir besiedeln könnten. Wenigsten erst einmal eine Hütte. Es dauert eine weitere Nacht, die wir alle draußen verbringen müssen, bevor wir endlich etwas finden, was uns ein Dach über den Kopf gibt. Nichts schönes. Auch nichts großes. Zwei Zimmer, ein Hauptraum und eben ein zweites Zimmer. Sofia bringen wir so warm und bequem wie möglich unter. Auf Dauer würde es nichts werden, wir könnten hier nicht bleiben. Und so beginnen jeden Tag dieselben Diskussionen darüber, was wir machen würden. Die verschiedensten Varianten haben sich gebildet. Wer mit wem nun verwandt ist, wer wie wo was. Ein Bauernhof, einfach nur ein Haus oder eben ein Wirtshaus, welches wir führen könnten. Es würde Geld geben, uns Schlafplätze und wir könnten so langsam schauen, was passieren würde und was wir machen könnten. So viele Ideen und doch können wir keine davon umsetzen, solange wir zumindest Sofia nicht einigermaßen über den Berg bringen, immerhin würde es in jedem Fall bedeuten wieder zu reisen.

_________________
Rondra
06. Nebelung 1461 – Graz

Das letzte Stück der Reise hat doch länger gedauert als erwartet, die steirische Einöde kann tückisch sein und hätten sie keinen Seemann dabei gehabt, wer weiß wo die Weiber am Ende gelandet wären, wahrscheinlich in Celje oder in Ternitz. Aber nicht nur an der Einöde hat es gelegen, auch wenn Sofias Zustand sich während den Tagen in der Hütte deutlich verbessert hat, so ist an ein schnelles Vorankommen mit ihr im Schlepptau immernoch nicht zu denken. Es stört Rondra aber nicht, dieses Gezuckel und die häufigen Pausen. Sie will nach Graz, doch die Angst davor was sie dort zu sehen bekommen würde eilt der kleinen Reisegesellschaft voraus.
Doch schließlich ist es soweit, am späten Vormittag des sechsten erreichen sie die Hauptstadt. Schon von weitem kann man sehen dass die Stadt nicht kampflos gefallen ist, es aber letztendlich eben doch ist. Hier und da steigt schwarzer Rauch in den nassgrauen Herbsthimmel, kleine Rauchsäulen, was da in und um Graz brennt will die nun Dunkelblonde gar nicht allzu genau wissen. Immerhin, bei diesem Wetter würde wohl niemand fragen weshalb man seine Kapuze möglichst tief ins Gesicht geschoben hat und den einfachen Umhang fest um den Oberkörper gewickelt trägt. Die Kapuze hat den Vorteil dass nicht nur das gesehen werden eingeschränkt ist, auch das sehen. Als sie das südliche Stadttor erreichen krampfen sich ihre Hände fest um die Zügel des Gaules, der immernoch keinen Namen hat und zu dem sich einfach keine warmen Gefühle aufbauen wollen – auch wenn das eigentlich brave Tier das Weib nun schon tagelang durch die Landschaft getragen hat.
Ihr Herzschlag wird schneller, eilige Blicke zur Cousine, bevor Rondra ihr Tier zügelt und dem Karren den Vortritt gibt. Er soll reden, immerhin spielen sie eine Familie und sie sein Weib. Nichts was sie früher dazu veranlasst hätte nicht selbst das Wort zu ergreifen, aber in Anbetracht der Situation ist einfach angebracht die Klappe zu halten, zumal sie der Anblick der Stadt sprachlos macht. Es ist als würde man neben seiner geschändeten Geliebten sitzen und nach Worten und Taten suchen. Was genau besprochen wird geht an Rondra vorbei, zu beschäftigt sind die Blauaugen damit immer wieder über die Mauern zu huschen, jede Wunde im Mauerwerk zu registrieren, um sich dann wieder auf die eigenen Hände zu fixieren – und letztendlich doch wieder hoch zu spähen. Ein Leid aus dem es kein Entrinnen gibt, denn wie könnte sie nicht hinsehen? Genauso wie sie es eben nicht sein lassen kann Kelian abends in tiefen Schlaf zu versetzen um seine Hand zu malträtieren, es geht nicht anders.
Hinein geht es schließlich, langsam und mit einigen Unterbrechungen, denn das Gewimmel auf den Straßen scheint wieder einzusetzen. Doch es ist anders, eilig haben es die Leute, die Stimmen schriller, keifender, oder eben leiser und vorsichtiger. Nichts mehr vom bunten und munteren Treiben was hier noch vor einigen Wochen herrschte. Das Gesicht eines verlorenen Krieges ist grau und dreckig. Da wo es keine Menschen sind, die das Durchkommen erschweren, da sind es Berge von Unrat. Die Reste eines verkohlten Dachstuhls, zerborstene Möbel, persönliches, achtlos auf die Straße geworfen, dem Wetter Preis gegeben und denen die meinen das bisschen auch noch plündern zu können. Das blanke Grauen ist es, was sich ihrer ermächtigt und voller Sorge blickt Rondra hinüber zum Kutschbock, doch die Tochter ist eingeschlafen und lehnt friedlich schlummernd halb an Kelian, halb an der Lehne. Wenigstens das.
Das Viertel welches sie anstreben ist eins das Rondra kaum kennt. Natürlich kennt sie Graz und auch hier ist sie früher gewesen, doch selten und wenn man ehrlich ist: eigentlich nie wirklich. Sie tut es schließlich der Cousine gleich und steigt ab um ihr Tier zu führen, auch wenn ihr Blick noch längst nicht so weit ist nach einem Heim zu suchen. Aber dem HERRN sei Dank sind die Menschen verschieden. Anakondas Worte sind es, die sie schließlich dazu veranlassen stehen zu bleiben und das Gebäude zu ihrer linken genauer in Augenschein zu nehmen.
Ja, ein altes Wirtshaus, für einen Gasthof wird es zu klein sein. Ein bisschen windschief steht es da, fast als wolle es sich an seinen Nachbarn anlehnen. Grau ist die Fassade, der Sockel gemauert und verputzt, im ersten Stock zeigt sich das Fachwerk. Das Dach, nun, in den letzten Tagen hat das Weib schlimmeres gesehen, doch das Gebäude scheint nicht erst seit einer Woche unbewohnt zu sein. Vielleicht sein Glück, wer plündert ein leerstehendes Haus? Es macht auch so keinen allzu einladenden Eindruck. Die Eingangstür geschlossen, doch sie sieht nicht danach aus als würde sie Besuchern keinen Eintritt gewähren, wenn sie es drauf anlegen, aber wer weiß, am Ende ist sie sogar offen. Rechts und links davon die Fensterläden einer geschlossen, der andere halb aus den Angeln gerissen, dahinter dunkle Höhlen und zersplittertes Bleiglas. Im ersten Stock sind’s gar drei geschlossene Läden. Nebendran etwas was wohl einst ein Schuppen sein sollte, oder ein Stall, jetzt allerdings nur noch eine Ansammlung von Holzbrettern, die früher oder später einfach in sich zusammenfallen würde.
„Wegen mir….“ wird Anakonda achselzuckend geantwortet. Ob hier oder drei Straßen weiter, was tut es schon zur Sache? Das hier ist nicht ihr Heim und nach all dem was sie in den letzten Minuten gesehen hat, will sie gar nicht wissen wie die beiden Häuser aussehen an denen ihr Herz hängt. Das Pferd wird zum Verschlag geführt, er würde doch wohl hoffentlich nicht über ihm zusammenbrechen und Karren und Pferde können schlecht die Gasse verstopfen während sie sich umsehen.

_________________
Kelian_


Run boy run (they are trying to catch you)
6.-8.11.1461


Da stehen sie nun, vor der Kaschemme, die anscheinend in Zukuft ihr Domizil sein würde. Ein Wunder, dass sie an den Wachen vorbeigekommen sind, doch es scheint so zu sein. Oder ist es vielleicht ein Trick? Sie warten, wo wir einkehren würden, warten bis wir vielleicht etwas verraten - was auch immer. Doch bisher hat sie weder jemand angesprochen noch schräg angeschaut. Die Pferde müssten weg. Niemand unseren Standes hätte solche Gäuler. Ein Glück, dass Rondra sich mit dem Schimmel eh nicht anfreunden konnte.
Als einziger Mann unserer Truppe überlasse ich den Weibern die Viecher und den Karren, bevor ich auf die Tür zugehe und diese öffne. Es Bedarf einer Kraft, denn das windschiefe Haus hat auch die Tür nicht gerade pfleglich behandelt. Innendrin ist es dreckig. Man sieht die Spuren von Tieren, die über die Staubschicht gelaufen sind, an manchen Stellen scheint das Holz angenagt. Ein Tresen ist vorhanden, nicht so schön wie im Löwen, aber immerhin. Ein paar zerbrochene Krüge liegen auf dem Boden, morsches Holz was vielleicht einmal ein Stuhl- oder Tischbein gewesen ist. Das Holz auf dem Boden ist fleckig, vor allem aber stellenweise ebenfalls kaputt. Ich atme einmal tief durch, ich kann die Worte schon hören und trotzdem gehe ich weiter hinein. Da ist eine Tür hinter der Bar, die in einen kleinen Raum führt. Eine Art Küche, wenn man es so nennen will. Die 'Feuerstelle' sind einfach ein paar Steine in der Mitte, sowie ein Regal um Dinge zu lagern. Ich schaue mich um, runzele die Stirn und schön höre ich die näherkommenden Stimmen. Die Weiber, bald würden sie ihr neues Heim erblicken. Ich kehre zurück in den Schankraum, als mir eine Falltür im Boden auffällt. Ebenfalls hinter der Theke. Alles nur für den Wirt. Mit viel Mühe mache ich eben diese auf, nur mit der Rechten, bevor ich mich hinunter wage. Das Quieken verrät, dass dort Tiere sein müssen, aber das ist mir egal. Eine Art Keller, wo wir schnell verderbende Dinge lagern könnten. Sehr gut.
Noch bevor die Frauen in den Raum kommen, bahne ich mir meinen Weg weiter durch dieses, naja, nennen wir es Haus. Mein Weg führt nach draußen, auf eine Art kleinen Hof, wo es die Möglichkeit gibt sich zu erleichtern und eine Treppe außen am Haus. Vorsichtig nehme ich eine Stufe nach der anderen, doch wider Erwarten bricht sie nicht zusammen. Ja, die Bretter scheinen sogar gute Qualität zu haben. Ich besichtige jeden Raum und es ist ernüchternd. Ein Raum für die Herzogin. Ein zweiter Raum, der wohl für Sofia hätte sein können, aber anscheinend ist das Dach kaputt. In naher Zukunft könnten wir ihn wohl nicht benutzen. Dann eben ein dritter Raum, einer mit einem weiteren dran und was ich da finde, lässt mir das Herz stehen bleiben. Anscheinend wären wir nicht die ersten Eltern, die diese Räume bewohnen würden.
Es wäre genug Platz für ein Bett - die Frage, die sich stellen würde, wäre dann wohl ob dort Johanna unterkommt oder Sofia und das Mädchen eben doch bei uns im Bett schlafen würde.

Die Tage sind dahingekrochen. Einiges gab es zu klären und vor allem auch zu organisieren. Wischen, Fegen, aufbauen, tragen, polieren. All dies zu dritt. Krüge einräumen, Bier besorgen und auch Wein. Alles nicht so einfach, alles darf nicht zu gut sein - immerhin sind wir inmitten eines der dreckigen und ekligen Viertel von Graz. Die Zimmeraufteilung hat sich von selbst ergeben, nachdem Anakonda angeboten hat, dass Sofia mit zu ihr ins Zimmer geht. Also haben Rondra und ich zumindest einige Stunden in der Nacht unsere Ruhe, wenn vielleicht auch nicht so sicher wie wir sein könnten. Es ist anders geworden. Sowohl die Situation als auch zwischen uns.
Alles mussten wir säubern. Abwischen, aber eben auch nicht zu gründlich, so dass am Ende eine windschiefe Hütte mit leicht beschlagenen Fenstern sieht. Daran hängt ein Schild, welches den Namen verkündet. 'Der Eberkopf' Im Innenraum sind einige Tische aufgestellt, dazu Bänke und Stühle. Die Tische haben für diesen Ort eine wirklich nur leichte Schmutzschicht, Kerzen haben wir darauf verteilt und brennen lassen. Es hat Geld gekostet - aber wer wenn nicht die Weiber sollte solches haben. So ist bereits reichlich Wachs verteilt und man könnte denken, dass der Schuppen schon ewig uns gehört. Einer unauffälligen Familie - Greith. Mann mit Frau und Tochter, sowie deren beiden Schwestern - oder waren es meine? Ich bin mir nicht mehr so ganz sicher, auch was die Namen betrifft. Was es nun Helen oder Helene? Ich in jedem Fall bin von nun an Julian und Anakonda Hilde - Sofia? Wir würden es noch einmal klären müssen.
Ironie, dass ausgerechnet das Weib dessen Namen ich mir ganz unstreitig merken konnte, verschwunden ist - im Wahnsinn der eigenen Gefühle Richtung des Schlosses. Sicherlich würde es Streit deswegen geben, wenn schon nicht mit Anakonda (immerhin würde diese ja nie zurückkehren und ihr Dasein im Kerker fristen), dann eben mit Rondra.

_________________
Kelian_


The little things give you away
23.11. - 06.12.1461


Es sind die Dinge, die wir nicht sagen, die manchmal mehr zu erkennen geben, als die, die wir lauthals herumposaunen. Es ist schwierig mit dem Weib, so richtig weiß ich nicht, was ich machen soll. Sie alleine lassen? Für sie da sein? Das eine wohl zu wenig, das andere zuviel, versuche ich die Balance zu finden. Der Schankbetrieb gehört nun mir allein. Das eine Weib trägt Volltrauer, das andere ist meistens nicht aufzufinden als ob sie sich versteckt. Ich habe keine Ahnung was sie macht, man sollte meinen, dass sie zwiegespalten zu Hause sitzt und die Tage zählt. Der Alte tot, auch sie hat die Nachricht erreicht - wie wir im Nachhinein erfahren haben von dem kleinen Mädchen, was da bei uns in der Küche so aufgelöst gesessen hat. Auf der anderen Seite der Ehemann sicher. Doch, irgendwann, da sprechen sich alle Nachrichten rum und so sind auch bei uns die angelangt, dass Adam schließlich abgeführt wurde. Weshalb? Dies ist uns noch verborgen geblieben, aber sicherlich würde auch dies nicht mehr allzu lange dauern bis es öffentlich wird. Immerhin soll es ja auch ein öffentlicher Prozess sein. Zwischendurch ist die Nachricht von Mira angekommen, welche natürlich nicht ohne Antwort geblieben ist. Kindliche Schrift weist darauf hin, dass das Kind für mich geschrieben hat, kann ich es logischerweise nicht selbst - nicht, dass ich nicht probiert hätte mit meiner Rechten zu schreiben. Nachricht soll sie sofort geben, wenn sie wieder zu Hause ist. Mir selbst ist ein eiskalter Schauer über den Rücken gelaufen. Das Murtal-Anwesen weckt Erinnerungen, die ich lieber nicht haben möchte und sicherlich ist es auch kein Ort an dem ich die Engländerin wissen möchte. Blöde Weiber mit ihrem eigenen Kopf.
Meine Aufgaben habe ich mir also selbst gesteckt, nicht wissend wo die richtige Grenze liegt. Am Tag das Haus, selten haben wir Gäste zu dieser Zeit. Ebenso Johanna. Ich halte sie beschäftigt, das kleine Mädchen. Mehr Geschichten will sie hören, von den fremden Ländern, von Piraterie und Prinzessinnen. Die einen wahr, die anderen halb und ganz andere voll erfunden. Egal, es ist es wert, wenigsten das Glitzern in den braunen Augen zu sehen, wenn es schon aus den blauen vollkommen verschwunden ist. Des Abends dann bediene ich die Gäste, wische, putze, nehme die Scherze auf. Bin ganz in meiner Rolle von Julian. Manches Mal darf Johanna ein wenig helfen, wenn die Gäste einigermaßen annehmbar sind und es noch nicht zu spät ist. Die zu Bettgehzeit hat sich nicht geändert. Später dann, die restliche Zeit des Tages, bleibt für mein Weib. Lustigerweise ist es ein wenig wie mit Johanna. Geschichten über die fremden Länder sind es, die sie langsam in den Schlaf bringen, während ich meine Arme um sie geschlungen habe. Selten wache ich auf, wenn sie auch wach ist. Das Weinen geht so stumm von statten, dass ich selten die Gelegenheit erhalte sie zu trösten. Manchmal jedoch, da ist es eine glückliche Fügung, dass ich es eben doch bemerke. Stumme ziehe ich sie einfach in meine Arme und lasse sie weiter weinen - nur eine Geste, dass ich da bin. Sie soll trauern, solange sie es möchte oder muss.
Genauso ist es auch diese Nacht abgelaufen. Naja, zumindest bis zu dem Punkt, dass das Weib in meinem Armen eingeschlafen ist. Wie so oft in letzter Zeit habe ich noch eine Weile wach gelegen und ihren Atemzügen gelauscht, die so regelmäßig sind, dass sie auch mich irgendwann dazu bringen einzuschlafen. Wie so oft in letzter Zeit, träume ich. Es sind wandelnde Träume, die von einem Ereignis zum anderen gleiten. Es ist nichts Neues, dass ich von Marburg träume. Die Schlacht, das blinde Umherirren, das Erschlagen von irgendwelchen Menschen. Der riesige Kerl, dem ich gegenüber stand, der Kampf zwischen uns beiden. Das wichtige dabei ist wohl aber, dass ich recht oft davon aufwache mit Schmerzen in meiner Hand. Sonst taub, fängt sie an zu schmerzen, verkrampft. Bisher konnte ich es recht gut verbergen, zumindest bin ich davon überzeugt, ist das Weib viel zu sehr mit sich beschäftigt und ihrem eigenen Verlust. Allerdings, in dieser Nacht ist es anders. Naja, nicht wirklich anders, aber es ist als ob mir die Hand noch einmal durchschnitten wird ohne dass mich diesmal das erlösende Schwarz wie zuletzt umfängt. Keuchend wache ich auf, meine Rechte greift an mein Handgelenk der Linken. Moah. So leise wie es geht gestöhnt, allerdings ist keine Hand da, die ich mir vor den Mund halten kann. Mühsam, nicht einmal wissend was für eine Art Schmerz es ist, rolle ich mich aus dem Bett, die Füße gerade so auf den Boden bekommend. Ich will sie nicht wecken, helfen kann sie mir so oder so nicht - zumindest meine Gedanken - und so setze ich an, so wie ich bin das Zimmer zu verlassen, um irgendwo darauf zu warten, dass die (Phantom)schmerzen verschwinden. Wie gesagt, es ist nicht das erste Mal, nur scheint es schlimmer zu werden - warum auch immer.

_________________
Kelian_


We built our own dream
12.-18.12.1461

Was so ein Besuch auf einem Anwesen nicht so alles ändern kann. Es hat von Anfang an nicht unter dem besten Stern gestanden. Ich kann die Murtals eben nicht leiden, der einzige Grund, dass ich mitgekommen bin ist eben Rondra. Ein Abschied von der Vaterfigur muss natürlich erfolgen, alleine soll sie dabei nicht sein. Natürlich nicht. Abschiede sind so schon schwer genug. Allerdings - mir hat es nicht gerade gut getan, wer weiß ob bei ihr. Ich für meinen Teil habe wieder erfahren wie es ist in eine Welt einzutauchen, die nicht meine ist. Ich wurde ignoriert, habe für mich untypische Verhaltensweisen an den Tag gelegt. Es hat mir mit aller Wucht in Erinnerung gerufen, dass wir eigentlich nicht zueinander passen, dass ich nicht für sie bestimmt bin. Sie sollte jemanden haben, der in ihren Kreisen würde mithalten können. Ob es nun um einen Besuch auf diesem Anwesen geht, der Verhaltensweise auf demselbigen - küssen oder nicht? - oder auch nur darum geht, dass diese kleine Krähe mich den ganzen Abend ignoriert hat.
So ist es gekommen, dass ich recht schweigsam auf dem Rückweg war. War nur ich es? Nein, vielleicht auch Rondra. Ich war in meiner eigenen Welt und anstatt nun Stütze für das Weib zu sein, bin ich mit mir selbst beschäftigt. Vielleicht sollten wir es doch stoppen, bevor es zu spät ist? Johanna in mir doch mehr als den Freund sieht, der ich bin? Genau an diesem Punkt waren wir nun schon einige Male, allerdings werden wir ihn noch öfter erreichen, denke ich - vor allem in meinem Kopf. Ich habe mich freiwillig bereit erklärt die Pferde zurückzubringen. Zeit für jeden ein wenig für sich allein zu sein. Die Gedanken zu ordnen, Wege zu finden die Zukunft anzugehen, denn dass diese sich drastisch ändern würde, das ist natürlich klar. Wir haben mal wieder in einer Blase gelebt, wie so oft in unserer gemeinsamen Zeit. Vielleicht war es diesmal nicht die glücklichste Blase, aber es war eine. Eindeutig. Wir haben jede Nacht zusammen verbracht, wir haben beide noch unsere Köpfe und Johanna geht es auch gut. Nur eines haben wir verloren, doch der Verlust darüber würde irgendwann verblassen. Wir haben den Jungen nicht einmal gekannt. Wie sollten wir da übermäßig bei all den anderen Verlusten trauern können.
Die Suche nach einem Haus hat schon vor dem Besuch bei den Murtals Erfolg gezeigt. Nur die Möbel mussten noch herübergeschafft werden. Ich selbst war in meinem Haus. Monate ist es her, dass ich dieses verlassen habe. Gefunden habe ich da einiges. Vor allem aber zwei, mit denen ich nicht gerechnet habe. Laverna und Otto. Ich habe den beiden angeboten zu bleiben. Natürlich ist es eng und es wäre nicht für die Ewigkeit, aber sie haben sich gut um mein Heim gekümmert. All die Spuren des Krieges sind beseitigt. Naja, nicht alle. Fast alle. Mein Malzimmer ist immer noch genau so, wie die Eindringlinge es zurückgelassen haben. Ich selbst habe stundenlang dort gehockt, die Wiege angestarrt und die zerstörten Bilder sowie die Werkzeuge, die sie einfach so achtlos zertreten oder zerbrochen haben. Da ist Kohle auf dem Boden, zerschlitzte Gemälde, meine zertretene Staffelei. Da war jemand fleißig und wütend. Oder einfach nur zerstörerisch? Viel habe ich aus den beiden nicht herausbekommen. Ist nicht so einfach sich zu artikulieren, wenn die eine scheu ist und der andere gar nicht spricht. Ich bin bereit umzuziehen, zumal in Rondras Haus nur die Möbel fehlen.
Es hat sich wieder einmal alles geändert und irgendwie eben auch nicht. Nach wie vor bin ich sehr viel schweigsamer als vor unserem Besuch. Noch immer bin ich ein halber Krüppel. Wie auch nicht? Die einzigen Momente, in denen ich ganz auftaue, sind die, die ich mit Johanna verbringe. Sie vermag es mir die wildesten Geschichten zu entlocken. Mit viel Inbrunst erzählt, ganz manchmal schwingt sogar Sehnsucht mit. Damals, auf dem Meer da war alles einfacher. Der Aufstand ist geglückt, ich bin froh darüber - Besserung ist in Sicht. Ein weiterer Grund den Eberkopf zu verlassen. Ich habe es so über. Alles. Das Versteckspiel, die Besoffenen, der Dreck, das unbequeme Bett, keinen Zuber zu haben. Ja selbst die Nähe zu Rondra bedrängt mich manchmal ein wenig, in dem Wissen alleine daran zu knabbern, was mir auf dem Anwesen wieder einmal aufgegangen ist. Wir sind nicht aus einer Welt. Wir würden es niemals sein. Es würde immer zwischen uns stehen, egal was ich tue oder mache, ja sogar erreiche. Selbst wenn ein Titel meinen Kopf schmücken würde, so wäre es immer noch dasselbe.
Vielleicht liegt es auch nur am Julmond, dass meine Stimmung so schlecht ist - aber sie ist es.

_________________
Rondra
12. – 18. Julmond 1461

Der Knoten in ihrem Magen wollte sich einfach nicht auflösen. Die Zeit in der murtalschen Gruft hat Gewissheit geschaffen, wo sie eigentlich nicht von Nöten gewesen wäre. Langsam setzt das Begreifen ein, doch seinen Tod zu akzeptieren und hinzunehmen ist noch eine ganz andere Sache. Aber ihre Trauer äußert sich nicht mehr in nächtlichen Tränen, sondern hat sich verändert in nachdenkliche Grübeleien, die sich meist in der Vergangenheit abspielen – in sich gekehrt und ruhig, spielt Rondra ihr altbekanntes Lieblingsspiel was – wäre – hätte – wenn. Nur dieses Mal nicht mit Kelian als Dreh – und Angelpunkt, sonder den verblichenen Onkel. Gedanken die sich vielleicht doch ab und an ins Jetzt wagen, sind nicht viel heller und strahlender. Trauer hat die Angewohnheit sich in den dunkelsten Stunden wohl zu fühlen – und es ist so einfach sich von einem Verlust zum anderen zu hangeln. Nein, sonderlich gesprächig ist Rondra nicht, ein ruhiges Verharren, aus dessen Umarmung sie sich selber lösen muss.
Verlust und Veränderung. Vielleicht ein Grund weshalb die Blonde nicht ganz so traurig ist, dass sich der geplante Umzug etwas verzögert. Natürlich, sie wären immer noch nah beieinander, aber es wäre nicht das Selbe wie die Zeit im Eberkopf. Wie genau es sein würde, der Blondschopf weiß es nicht, aber richtig erpicht darauf es herauszufinden ist sie auch nicht.
Natürlich ist da der unvermeindliche Gang gewesen, in die obere Kirchstraße. Fassungslos, entrüstet und gleichzeitig ein bisschen erleichtert – gemischte Gefühle, wenn man das frühere Leben in Trümmern sieht. Trümmer, viel mehr ist von ihrer Einrichtung nicht übrig geblieben, die Vorräte geplündert, der Stall leer, bis auf den letzten Heuballen. Das einzige was zwar durcheinander gebracht und überall im Haus verteilt wurde, aber fast vollständig erhalten geblieben ist, sind die Schriftstücke aus ihrem Arbeitszimmer. Eine nette Arbeit all das aufzusammeln und zu sortieren, tagsüber, wenn der Eberkopf geschlossen ist. Laverna hat sich manches Mal zu ihr gesellt und geholfen. Doch den rechten Umgang miteinander haben die beiden Frauen nicht gefunden, dazu ist zu viel geschehen und steht zu viel unausgesprochen zwischen ihnen. Immerhin, so wurde ihr mit über zwei Monaten Verspätung der Brief übergeben, welcher eine große Last von Rondras Herz nimmt und sie gleichzeitig bitter Auflachen lässt. Nora. Die Magd und ihr Mann haben es wirklich nach Nürnberg geschafft – und ihre Kleine in die sichere Obhut ihres Vaters übergeben. Ein netter Brief, den es sicherlich zu beantworten gilt, doch wie kann man das was in den letzten Wochen geschah auf ein Stück Papier quetschen? Wie Worte für den Untergang einer Welt finden? Sie hat dieses Unterfangen erst einmal von sich geschoben.
Eine seltsame Zeit ist es, in der sie leben. Auf der einen Seite diese tiefe Dunkelheit und die Ungewissheit über die Zukunft – und auf der anderen Seite das Licht, welches für Rondra von Kelians Liebe ausgeht, allein schon durch seine Gegenwart. Und schließlich sind da neue Bekanntschaften, zart und wahrscheinlich kaum nennenswert, aber mehr als das Leben ansonsten in dieser Beziehung in den letzten Jahren für Rondra übrig gehabt hat.

_________________
Rondra
19. Julmond 1461

Es ist spät, aber für ihre Begriffe nicht zu spät als Rondra an diesem Abend wieder in die Straße tritt, die sie im Augenblick noch ihr Zuhause nennt. Zwei Stunden andere Luft schnuppern als die im Eberkopf. Man mag es kaum glauben, aber tatsächlich ist die im Löwen um einiges besser – weniger verschütter Alkohol, weniger stinkende Menschen und im Allgemeinen ein ruhigerer Umgangston. Ganz zu schweigen von den Gästen. Ein Lächeln huscht über das Gesicht der Blonden, als sie ihren Gang automatisch schneller werden lässt. Das Weib ist wieder dagewesen, weshalb genau Rondra ihre Gesellschaft mag, weiß sie nicht, aber es ist so. Vielleicht weil Livana ihr diesen Brief überbracht hat – oh, den sie immer noch beantworten muss und vielleicht mit einem Boten schicken sollte, der keine zwei Jahre nach Augsburg benötigt.
Nein, ihre Stimmung ist nicht die schlechteste, im Gegenteil, vielleicht ist sie dank der zwei Becher Wein und der Unterhaltung sogar gelöster als in den letzten Wochen. Unterhaltung die trübe Gedanken für einige Stunden vertreibt, sie ab und an – und wenn wir ehrlich sind immer häufiger – Lächeln oder gar leise Lachen lassen. Eine Art Flucht aus der Tretmühle der eigenen Gedankenwelt.
Beinahe zärtlich liegen die Blauaugen für einige Sekunden auf dem Schild des Eberkopfes. Es würde bald vorbei sein, die Zeit hier. Der Antrag an die Hausverwaltung ist gestellt und ihm wird hoffentlich entsprochen. Und dann? Erleichterung und Angst machen ihr in dieser Beziehung beide zu schaffen. Erleichterung aus diesem Viertel herauszukommen, Johanna wieder ein anständiges Leben zu geben – und sich selbst auch. Doch die nächtliche Zweisamkeit wäre vorbei, nachts kein Arm mehr der sich um sie schlingt, nicht mehr das vertraute Geräusch seines Atmens, wenn sie kurzzeitig in den Halbschlaf übergleitet, nicht mehr sein Gesicht als allererstes am Morgen begrüßen zu dürfen. Stattdessen was? Ein gemeinsames Wirtshaus und in seinem Haus Besuch sein? Neben Otto? Laverna würde Rondra wieder zu sich nehmen, sofern sie nichts dagegen hat. Schauderhafte Vorstellungen.
Eine Gruppe gröhlender und lärmender Halbstarker reißt die Fuggerin aus ihren Gedanken, schnell aber nicht hastig sind zwei Schritte Richtung des nächsten Hauses gemacht. Wie schnell man doch lernen kann in der Dunkelheit eins mit einer Hauswand zu werden. Ihr Herzschlag geht einige Takte schneller, für Sekunden nur, bis sie vorbei sind und das Lärmen langsam verebbt.
Viele Schritte sind es danach nicht mehr, bis sich Rondra mit geröteten Wangen gegen das Holz der Ebertür stemmt. Die Ruhe und das gedämpfte Licht sagen deutlich dass hier die letzten Gäste bereits ausgeflogen sind. Eigentlich früh und doch nicht unwillkommen. Der Riegel wird vor die Tür geschoben und so endgültig die Sperrstunde eingeläutet.
„Kelian?“ er würde wohl noch unten sein, ansonsten wäre es bereits dunkler, nimmt Rondra an, während sie auf die Theke zugeht, ihr Ziel ist die Küchentür.

_________________
Kelian_


Between Sheets
19.12.1461


Der Abend im Eberkopf ist schon ein wenig zu Ende. Man kann sie einfach alle nicht lange ertragen, meine Laune ist dem auch nicht gerade zuträglich. So richtig geholfen hat bisher nichts. Nicht das Besaufen mit Mira, nicht das Malzimmer anstarren, nicht die Aussicht bald wieder in mein Leben zurückzukehren oder wenn es auch nur die Trümmer sind, die davon übrig geblieben sind. Vielleicht sollte ich froh sein, dass überhaupt etwas davon übrig geblieben ist.
Der Abend war das übliche Gegröhle und Gejohle, das Gesaufe der Kerle. Eigentlich sollte es mich nicht stören, irgendwie bin ich ein Teil von ihnen. Ich habe selbst jahrelang in Kneipen gesessen, mich besoffen, den Barmädchen auf den Hintern geklopft. Im Hafen, wo es noch schlimmere Kneipen als diese hier gibt. Irgendwie, da bin ich zwischen die Seiten geraten. Ich bin nicht in Rondras Welt, aber irgendwie auch nicht mehr in meiner - kein Grund zu Jubeln, im Gegenteil. Es ist etwas, was mich konstant in schlechte Laune versetzt. Nicht einmal die Tatsache, dass ich vor zwei Tagen betrunken nach Hause gekommen bin, hat dazu beigetragen diese Wut in mir abzubauen. Einen Streit provozieren ist normalerweise nicht meine Art. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es helfen würde ein wenig Dampf abzulassen. Ich kann nicht einfach zu ihr gehen, um zu sagen, dass ich - wieder mal - denke wir würden nicht zusammen passen. Nicht was die Chemie angeht, natürlich nicht, auch nicht die Gefühle - die Welten eben. Schon komisch, dass ein Ausflug dazu ausreicht, um die Zweifel so tief in mich hereinzulassen.
Als sich die Tür öffnet bin ich bereits schon fertig. Die Becher sind gespült, die Vorräte soweit sie zur Neige gegangen sind aufgefüllt. Das Öl in den Lampen habe ich ergänzt und schließlich all die Tische sowie die Theke abgewischt. Ich selbst sitze im Halbdunkel, in einer der Ecken des Raumes an einem Tisch. Vor mir steht ein Becher, enthalten ist Rum. Es ist nicht mein erstes Glas heute, ich bin nicht betrunken aber auch nicht nicht. Ein Dreitagebart ziert meine Wangen. Der scharfäugige Beobachter würde bei sehr genauem Hinsehen feststellen, dass sich einige helle Stellen in das Braun geschlichen haben - genaugenommen grau. Spuren des Krieges. Hier. Genauso einsilbig wie die letzten Tage auch. Beschwert hat sie sich bisher nicht, aber es ist auch nur dies, was ich geändert habe. Ich küsse sie, berühre und nehme sie Nachts in meine Arme. Nur meine Worte sind spärlicher geworden, so ganz in Gedanken versunken, wie ich die Probleme, die nie weg waren, wieder außer Sichtweite bekomme.

_________________
Rondra
19. Julmond 1461

Als das kleine Wort durch die Schankstube fliegt erstarrt sie für den Hauch eines Wimpernschlages. Nicht dass es zu laut ausgesprochen worden wäre, im Gegenteil, oder sie nicht damit gerechnet hätte dass er sich hier irgendwo herumtreibt, nein, es ist eher die Tatsache dass es aus dem Halbdunkeln kommt und so furchtbar einsilbig. Ungewöhnlich ist auch das nicht, aber es schleudert die Blonde doch schneller zurück in die gefühlte Dunkelheit als sie es erwartet hätte, wenn man soetwas überhaupt erwartet. „Da bist du…“ es ist leicht dahin gesagt, doch schwingt ein kleines bisschen Verwunderung mit. Natürlich wendet sich Rondra der Ecke zu, in welche er sich verkrochen hat und beginnt auf dem Weg dorthin die drei Hornknöpfe zu öffnen, welche ihren Umhang über der Brust verschlossen halten. Den Umhang lässt das Weib auf den Stuhl ihm gegenüber gleiten, bevor sie an Kelian heran tritt, einen Arm über seine Schultern schiebt und sich hinab beugt um einen sachten Kuss auf seine stoppelige Wange zu hauchen. Die Frage wie der Abend gewesen ist bleibt ihr im Halse stecken, denn als sie sich wieder aufrichtet streift ihr Blick den Becher. „War es so unerträglich?“ Natürlich war es das, weshalb es auch eher einer leisen Feststellung gleicht, als einer Frage. „Es ist bald vorbei. Ich denke die Antwort bezüglich der beiden Häuser wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.“ Vorbei. Wieder sträubt sich einfach alles in ihr wieder von ihm getrennt zu schlafen. Nun gesellt sich auch noch ihr zweiter Arm dazu, schlingt sich um seine Brust, sodass sich ihre Hände auf seiner Schulter finden. Es missfällt Rondra dass er trinkt. Nein, nicht dass er trinkt, wie er trinkt und weshalb. Das Weshalb kann sie zum Glück nicht einmal ansazuweise erahnen, doch dass es Gründe hat die er in sich verschließt entgeht ihr nicht – gepaart mit dieser Einsilbigkeit einfach zu offensichtlich. „Was ist das? Rum? Darf ich dir dabei Gesellschaft leisten, oder möchtest du hinaufgehen?“ Beides ist ihr recht, in ersterem Fall würde sich Rondra selbst noch einen Becher holen, allerdings mit Bier.

_________________
Kelian_


Between Sheets
19.12.1461


Die Sekunde die sie zögert geht bei mir unter, denn ich nutze den Moment lieber um den Becher noch ein wenig mehr zu leeren. Aus meiner dunklen Ecke beobachte ich, wie sie langsam auf mich zukommt, mit ihren hübschen Fingern die Knöpfe öffnet. Ich seufze innerlich, tief und verbittert. Ich hab manchmal das Gefühl, das ist genau das was der Krieg aus mir gemacht hat: Einen verbitterten Krüppel mit Lichtmomenten. Meine Wange schiebt sich ihr dennoch ein Stück entgegen, trotz all dieser Gedanken. Ich habe bereits einmal die Brücke zerschlagen, ich kann das nicht noch einmal. Bei einem richtigen Kuss hätte ich wohl vermutlich meine Hand an ihre Wange gelegt, so aber bleibe ich recht steif sitzen.
Es ist nur ein Nicken auf ihre Frage. Sie kennt es ja selbst, sie hat oft genug hier selbst gestanden, die Kerle bedient. Ein Wunder, dass ich sie nicht öfter trinkend erwischt habe. Ich habe gerade meinen Arm in Anschlag gebracht um sie zu mir zu ziehen, sie vertreibt all die Grübeleien ein wenig, als sie mich fragt, was mir lieber wäre. Ja, was ist mir denn lieber? Gute Frage. Anscheinend ist es ihr ja egal, weshalb ich mich dann erhebe. Den Becher kippe ich mit einem mal herunter. Hoch... Da ist es gemütlicher. Zuerst nehme ich den Umhang, um ihn ihr wieder um die Schultern zu packen. Gentleman, der ich sein kann. Nein, ich bin nicht zu betrunken, in keinem Fall. Ich kann normal reden und auch gehen. Es mag vielleicht mein dritter Becher gewesen sein - allerdings über den Abend verteilt. Dies hier war nur ein Absacker. Ich schiebe meine Hand in ihre, um sie mit mir zu ziehen. Leise meine ich. Johanna schläft friedlich. Ist ja mitunter auch schon vorgekommen, dass Madame so schlecht geschlafen hat, dass sie plötzlich im Schankraum stand. Dein Abend? Sicherlich, man kann es höflicher fragen, aber ich bin gerade nicht so für ganz große Worte zu haben. Kann sie jetzt auch nichts für.

_________________
Rondra
19. Julmond 1461

Hoch. Rondra nickt auf diese Ansage hin und gibt ihn wieder frei. Ihr leiser Dank bezüglich des Umhangs geht wahrscheinlich ein bisschen unter, denn sie selbst hätte ihn wahrscheinlich einfach vergessen, was ihr dann wiederrum auf der Treppe klargeworden wäre. Ihre Finger schließen sich um seine Hand und nach zwei, drei rascheren Schritten folgt Rondra Kelian. „Das wundert mich nicht, sie kam heute Nachmittag vollkommen durchnässt aus dem Schnee…“ Ein reiner Informationsaustausch, oder ist da mehr? Dieses undefinierbare Gefilde durch das sie schippern, seit ihrem Verlust, seit seiner Entscheidung, es bringt den Blondschopf immer wieder ins Schlingern – und sie hasst es, es weckt Unsicherheiten aus denen sie eigentlich heraus sein sollte. Doch letztendlich ist es egal, es ist seine Entscheidung gewesen und Rondra hat sie akzeptiert – und würde das auch weiterhin tun, wenn es manchmal auch gar nicht so einfach ist. Kalt schlägt ihr draußen die Winterluft entgegen, nach der warmen Schankstube körperlich ein kleiner Schock. Ihr Abend. Ja, vielen Dank auch für die freundliche Nachfrage. Kann er überhaupt noch in ganzen Sätzen sprechen? Wo auf einmal dieser Anflug von Gereiztheit herkommt weiß sie selber nicht – aber er führt dazu dass sie umso ausführlicher antwortet. Nein, plappert. „Livana war wieder da, du erinnerst dich? Die mit dem Brief…“ Natürlich hatte sie ihm davon erzählt, zumindest von diesem einen Brief. Den anderen den sie erhalten hat, nun, sie hat ihn erst seit gestern und irgendwie ist das Thema nicht dazu gemacht zwischen Tür und Angel angegangen zu werden. „Ich glaube ich beginne sie zu mögen. Hatte ich erwähnt dass sie bei Anakonda im Löwen wohnt? Sie hilft dort aus. Ach ja… für den Eberkopf hatte sie es auch angeboten, aber in Anbetracht dessen dass wir ihn ohnehin bald verlassen habe ich abgelehnt.“ Es wäre sinnlos, vor vier Wochen hätte sich Rondra eine weitere helfende Hand mehr als gewünscht. „und natürlich einige andere, Anakonda kam kurz bevor ich aufbrach auch noch. Alles in allem war es recht nett.“ Ja, kann man wohl so beschreiben, ein Wirtshausabend wie er sein sollte, es fehlte lediglich einer. Aber man kann eben nicht alles haben, einer muss schließlich hier die Stellung halten. „Aber ohne dich fehlte etwas.“ sanft drückt ihre Hand die seine und damit sind sie auch bereits am Treppenkopf angelangt. Aus reiner Gewohnheit verstummt Rondra als sie den kleinen Flur betreten. Das Anakonda bereits seit Tagen wieder in ihrem Stadthaus wohnt, will sich in ihrem Kopf einfach nicht einstellen. Vielleicht liegt es daran weil Johanna sich geweigert hat aus ihrer Kammer auszuziehen. Niemals würde sie ihre Räuberhöhle aufgeben! Vermutlich würde sie in ihrem neuen Haus in den Wandschrank ziehen, viel kleiner konnte er kaum sein. „Wir haben das Wasser vergessen….“ kaum ist der Gedanke durch Rondras Kopf geschossen, spricht sie ihn auch schon aus. Das Bedauern ist den Worten deutlich zu entnehmen – nicht weil sie sich heute besonders danach sehnt, immerhin stand sie nicht hinter der Theke, sondern weil liebe Gewohnheiten nicht gebrochen werden sollten und diese Gewohnheit ohnehin bald Vergangenheit wäre.

_________________
Kelian_


Between Sheets
19.12.1461


Ein Nicken hier, ein Brummen da, mehr erntet sie nicht. Nein, viel eher bin ich versucht ihr zwischendurch den Mund zuzuhalten. Sie plappert, wie das Lehrbuch es vorschreibt. Erinnere ich mich an den Namen Livana? Ja, irgendwo dunkel in meinem Kopf klingelt etwas, allerdings kam mir das Detail damals eher in anderer Hinsicht als wichtig vor. Ein Brief von der verschollenen Cousine Arioste oder wer auch immer diese Fuggerin wieder von Rondra ist. Na, verschollen ist sie ja auch nicht, nur eben nicht präsent. Was das andere Mädel angeht? Ist halt irgendein dahergelaufenes Straßenmädel, so wie der Krieg eine Menge hervorgebracht hat.
Oben angelangt, erreicht mich wenigsten ihre bedauernder Teil des Plapperns, so dass ich stehen bleibe. Geh vor, ich hol ihn. Ein ganzer Satz, hat sie sich doch insgeheim gewünscht. Ein kurzer Kuss, der zeigen soll, dass alles in Ordnung ist, bevor ich mich auf den Rückweg mache. Wasser sollte noch warm sein, es würde also nicht allzu lange dauern. Meine Schritten verklingen wieder, als ich die Treppe herunterlaufe. Die kühle Luft tut mir gut, ich mag es wenn es nicht allzu heiß ist. Unten krame ich den Eimer hevor, fülle das Wasser um. Der Weg zurück geht etwas langsamer, immerhin ist der Eimer nun keine Feder. Stück für Stück, bevor ich dann schließlich wieder in unserem Schlafzimmer stehe. Unser Schlafzimmer für die nächsten paar Nächte noch. Der Eimer findet seinen Platz an der üblichen Stelle, bevor ich mit einem geübten Handgriff mein Hemd über meinen Kopf ziehe. Das Ritual hat sich dahingehend verändert, dass die Abmachung nun eingehalten wird. Es ist tatsächlich eher Waschen, als sinnliches Berühren. Was es nicht weniger zart macht. Ich weiß mich durchaus zu benehmen, sie hat es nicht verdient, dass ich ihr plötzlich all dies entziehe. Ich fange sie ein, in meine Arme wie so oft. Ich lasse mich wenigsten dazu hinreißen in ihr Ohr zu murmeln. Schön, dass dein Abend nett war. Das er mit mir schöner gewesen wäre, übergehe ich vollkommen. Es wären ja doch nur Menschen gewesen, mit denen ich wahrscheinlich nichts anfangen kann. Ich mein, selbst Anakonda und ich haben es in all den Wochen nicht geschafft aus dem Weg zu schaffen, was zwischen uns steht - all die Adligen, die hier rumlaufen, Nein danke. All dies schaffe ich bei Seite, als ich ihr ihr Kleid öffne, es von ihrem Körper zu streifen. Die Versuchung sie einfach zu nehmen, sie auf das Bett zu bringen und wieder vollkommen zu meinem Weib zu machen, wird mit jedem Abend verlockender. Das ich es bereits im Ansatz vor zwei Tagen versucht habe, ist mir zum Glück nicht mehr ganz geläufig. Ich war wirklich sehr, sehr betrunken, was mich aber nicht davon abgehalten hat, ihr zuzusäuseln wie schön ich sie finde und wie sehr ich sie will. Weiterhin stumm gleitet der warme Lappen wie jeden Abend über ihre Haut, das übliche Ritual eben. Ein schönes, welches ich damit beende, dass ich ihr mein Hemd anziehe. Selbiges umgedreht, nur dass ich eben nicht ihr Kleid bekomme, bevor wir dann beide zusammen im Bett liegen. Was hat sie gesagt? 'Ich soll da mit ihr drüber reden.' Ja, sollte ich wirklich, aber irgendwie kann ich es nicht. Es würde zuviel einreißen, was wir uns die letzten Wochen erarbeitet haben. Allerdings, ich versuche wenigsten ein Friedensangebot. Wenn sie will, kann sie später aushelfen. In dem neuen Wirthaus, natürlich unter der Prämisse, dass ich sie leiden kann. Aber, das würde ich ja früher oder später herausfinden.

_________________
Rondra
19. Julmond 1461

Ein Nicken in der Dunkelheit. Dass es ein Friedensangebot ist kann Rondra nicht wissen, denn so richtig befanden sie sich nicht im Krieg und seine Nachdenklichkeit, nun vielleicht schiebt das Weib es wie bei sich selbst einfach auf die ungewisse gemeinsame Zukunft. Das er zweifeln könnte – und sei es lediglich einmal mehr an ihren unterschiedlichen Welten – nie würde ihr das in den Sinn kommen, nicht nachdem Weg den sie in den letzten Wochen gemeinsam beschritten haben. Nun und die Zukunft würde sich finden, irgendwie. Es liegt ganz anderes hinter ihnen, wobei es so recht noch nicht verwunden ist, wie auch, nach knapp acht Wochen?
Weil ein Nicken in der Dunkelheit vielleicht schwerlich eine ausreichende Antwort ist und weil die Fuggerin, jetzt wo sie im Bett liegt plötzlich so gar nicht mehr müde ist, schmiegt sich ihr Körper sanft an seinen.
„Ich werde es ihr ausrichten. Ich glaube du wirst sie mögen. Ich kenne sie bisher ja selbst kaum, aber ich finde sie erfrischend normal.“ Ist das die richtige Umschreibung? Kann man das nach drei Begegenungen überhaupt sagen? Oh ja, wenn man in der Steier lebt – und insbesondere in Graz – kann man das sehr wohl sagen und wenn er ihre Zwischentöne richtig einfängt wird er wissen, oder zumindest ahnen, wie es gemeint ist.
Eine viertel Drehung macht ihr Körper nun, damit sie nicht länger auf dem Rücken liegt, sondern seitlich zu ihm. Der rechte Arm abgestützt auf dem Laken, die linke Hand über seiner nackten Brust, während die Blauen aufmerksam seine Gesichtszüge studieren, so weit wie es in dieser Dunkelheit möglich ist. Silbern schimmern die vereinzelten grauen Bartstoppeln im Mondlicht. Ein wehmütiger Ausdruck legt sich wie ein dünnes Seidentuch über ihre Miene. Nicht die Tatsache dass er sie hat ruft ihn hervor, sondern weil ihr klar ist weshalb. Fast als bestünde die Hoffnung dass Nähe diese Erfahrungen wett machen könnte, beugt sich Rondra über sein Gesicht, um dieses Mal einen zärtlichen Kuss auf seine Lippen zu drücken. Danach rückt sie nur Zentimeter ab, nur um ihre Blauen in die Grauen tauchen zu lassen – vielleicht sind diese ja beredeter als es seine Stimme ist.
„Rede mit mir, erzähle mir was, irgendwas – aber keine Geschichten oder Märchen.“ so gut er darin ist und wie oft diese ihr auch in der Vergangenheit in den Schlaf geholfen haben, dass ist es im Moment nicht was sie braucht. Leider ist sie nicht mehr so alt wie ihre Tochter, bei der eine Geschichte in der am Ende der Piratenkönig die Prinzessin heimführt reicht, um ihre ganze Welt in Einklang zu bringen. „Ich will deine Stimme hören. Irgendwas… wegen mir die billigen Witze die unsere Gäste heute gerissen haben, oder…“ eben irgendwas aus seinem Tag, seinem Leben – sonst würde sie am Ende wieder beginnen zu plappern.

_________________
Kelian_


Between Sheets
19.12.1461


Nein natürlich hatten wir keinen Krieg, aber ich habe ihr Nahrung gegeben, um ein Gespräch in die Bahnen zu bringen. Allerdings, dass sie ausgerechnet heute erwähnt, wie normal das Weib ist, bringt Wasser auf meine innerlichen Mühlen. Ja, normal. Genauso wie ich, ein Nichts. Wer hätte gedacht, dass ich dieses Diskussion auch nur ein weiteres Mal führen muss, nachdem wir im Mai so ausführlich darüber geredet haben. Wir hätten es damals sein lassen sollen, heute gibt es kein Zurück mehr. Oder? Was würden wir vom jeweils anderen übrig lassen, würde ich jetzt gehen? Wahrscheinlich nicht viel, fürchte ich. Ich würde da weiter machen, wo ich vor ihr aufgehört habe. Irgendwann an einer Krankheit sterben. Ein Wunder, dass ich mir bisher nichts eingefangen habe.
Kann ich ihre Bitte einfach abtun? Wahrscheinlich nicht. Mein Blick liegt in ihren Blauen, die so wundervoll wie eh und je sind. Bei mir? Da sieht sie nichts. Ich kann mich verschließen, dass weiß sie und genau das habe ich gemacht, seitdem wir auf dem Anwesen waren. Well. Was kann ich schon erzählen, wenn es keine Geschichte und auch kein Märchen sein darf? Weiß nicht. Mein Arm schlingt sich ein wenig fester um sie, damit sie bei mir bleibt. Ich hör den Kerlen nie zu.
Ich vermisse die Seeluft. Wie der Wind um meine Nase weht, das Holz sich unter meinen Händen anfühlt.
Damit ist mein wortreicher Erguss auch schon wieder vorbei. Naja, wenn man den Kuss, den ich mir von ihr stehle nicht dazu zählt. Ich liebe sie, daran gibt es keinen Zweifel.

_________________
Rondra
19. Julmond 1461

Oh ja, verschlossen wie eine Auster und eigentlich ist es dieser Blick der nichts verrät, der die ganze Sache schlimm macht und nicht die fehlenden Worte. Eine Plappertasche ist er noch nie gewesen, oder in den seltensten Fällen – aber zumindest in seinen Augen konnte sie oft mehr lesen. Dieses ungute Gefühl, welches einfach urplötzlich da ist, sich in der Magengegend breit macht, den Rücken hinaufkriecht um dann den Nacken warnend kribbeln zu lassen – mit einem Mal ist es da.
Seine Worte sind nicht gerade dazu gemacht dieses Gefühl zu vertreiben. Erstaunt blinzelt sie auf ihn hinab. Rondra hätte mit einigem gerechnet, von dummen Witzen bis hin zu einem „schlaf Weib.“ – das allerdings überrascht sie vollkommen.
„Die Seeluft…“ Ist es wirklich so verwunderlich? Er ist Seemann, oder war es zumindest lange Jahre lang. Allerdings kam diese Sehnsucht lange nicht auf - und nun gerade jetzt? Vielleicht ist es aber auch ein ‘jetzt besonders’? Wäre da nicht sein Arm der Rondra hält und der folgende Kuss, sie hätte sich wohl aufgesetzt – im sitzen lässt es sich besser denken. „Es ist nicht ganz die Jahreszeit für Seefahrten, oder?“ vorsichtig gefragt und was weiß sie schon davon? Als sie mit der Doppellilie unterwegs waren, war es auch eisiger Winter, oder nicht? Ist das nun wirklich schon zehn Monate her? Vor einem Jahr waren sie gerade wieder angekommen, sie einige Wochen krank. Keinen Monat später ist er erneut in ihr Leben geschneit - einem Schneesturm gleich, der immer noch andauert.
Auch sie holt sich einen weiteren Kuss von seinen Lippen, zärtlich und intensiv – und doch nicht so ganz bei der Sache.
„Wir könnten im Frühjahr die Doppellilie nach Marburg holen, es steht ohnehin eine Reise nach Augsburg an….“ klingt es kläglich? Ein bisschen vielleicht, aber aus unterschiedlichen Gründen, den einen liefert sie gleich dazu. „Es wäre sicherlich keine Seeluft und nicht das was du meintest, aber es wäre ein Schiff.“ kurz ist die Pause, bevor sie einlenkt. „Nun ja, zugegeben ein kleines.“ Nachdenklich fixieren die Blauaugen einen Punkt auf seinem Kopfkissen. Es sind nicht direkt Pläne, sondern eher ins Blaue gesprochene Pläne. „Johanna hätte ihre helle Freude.“ ohne Zweifel, sie würde das Schiff wahrscheinlich nie wieder verlassen wollen. „Nora in Nürnberg…“ kurz flattert ihr Blick zurück zu ihm, als wolle sie mehr sagen, doch zuerst den Satz beenden „wir könnten sie auf dem Rückweg wieder mitnehmen… oder… ich weiß auch nicht, so weit habe ich damals nicht gedacht.“ Natürlich nicht, damals ging es lediglich darum das Leben des Kindes zu retten und es aus der fallenden Stadt zu bekommen, wer denkt da an die Rückkehr? Aber so ganz dumm ist die Idee tatsächlich nicht, theoretisch könnte Sofia ihr Hab und Gut aus Augsburg holen, der Onkel seine Ruhe finden und vielleicht wäre sogar ein Treffen mit Arioste möglich. Seltsam, wie Gedanken manchmal zu Selbstläufern werden.

_________________
See the RP information <<   <   1, 2, 3, ..., 18, 19, 20, ..., 37, 38, 39   >   >>
Copyright © JDWorks, Corbeaunoir & Elissa Ka | Update notes | Support us | 2008 - 2024
Special thanks to our amazing translators : Dunpeal (EN, PT), Eriti (IT), Azureus (FI)