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Dark water

Rondra
20. Juli 1462 ~ nach dem Kirchgang
{Graz}


Ein rundum zufriedenes, schwangeres Schaf. Ja, auch eine Woche nach der Taufe passt diese Beschreibung auf Rondra noch recht gut. Die Anstrengungen der Reise sind aus ihren Zügen getilgt. Noch ist es kein ungeduldiges Harren auf die Niederkunft, denn auch wenn sie immer runder wird – noch ist ihr Umstand nicht unerträglich. Man könnte meinen die Sommerhitze streckt die Schwangere nieder, mitnichten. Zwar sind am Abend ihre Beine geschwollen und immer öfter hat sie das Gefühl, dass ihr Ehering viel zu eng sitzt – aber all das mag die Vorfreude nicht trüben. Sicherlich sind es keine drei Monate mehr. Das wachsende Leben macht sich jeden Tag überaus deutlich bemerkbar, ein Segen für den der Blondschopf tiefe Dankbarkeit empfindet. Dankbarkeit auch dafür, dass der schwarze Tag an ihr vorbei gegangen ist. Natürlich, beim letzten Mal waren es äußere Umstände die zum Verlust des Kindes geführt haben, doch das schert die beklemmende Angst wenig. Diese Schwangerschaft ist bereits älter als die letzte und alles deutet darauf hin, dass die Rabensteiner im Herbst Grund zu feiern haben.
Langsam hat sich das Weib wieder in ihren Alltag hineingetastet. Die Universität wieder übernommen, dazu die eine oder andere Aufgabe in Graz. Der Kopf schwirrt ihr geradezu vor Ideen und Tatendrang. Beängstigend.
Sonntag ist es und anstatt die Messe in Rabenstein zu besuchen, hat sich Rondra heute in die Hauptstadt aufgemacht. Gesehen und gesehen werden, manchmal muss man diese Pflicht erfüllen, auch wenn man lieber zurückgezogen wäre. Heute allerdings passt es ihr ganz gut, denn nicht nur das Wort Gottes hat sie nach Graz gelockt. Nein, wenn sie ehrlich mit sich ist, so ist der wahre Grund ein ganz anderer. Schon seit jenem grässlichen Abend auf Rabenstein hat sie ein Gedanke – oder eher eine Idee – nicht mehr losgelassen. Es ist an der Zeit zur Tat zu schreiten, solange sie sich noch bewegen kann. Denn ansonsten würde es dauern bis nach dem Wochenbett.
Manchmal ist Graz schlimmer als jedes noch so kleine Kaff. Fremde fallen auf und gewisse Dinge sprechen sich einfach schnell herum. Es ist ihr nicht schwergefallen den vermeintlich Gesuchten in den Bankreihen zu erspähen. Lange genug Zeit hatten die aufmerksamen Blauaugen schließlich während der Predigt. Ein Hoch auf die gute Aussicht vom Adelsgestühl.
Sollte der Kerl sein Handwerk verstehen, wäre es ein leichtes ihn nach der Kirche abzufangen. Tatsächlich, als Rondra ohne große Eile aus der Kirche tritt, ist er noch nicht fort. Verwunderlich, denn nach der Kühle der Kirche scheint der Vorplatz zu dieser Stunde bereits einem Backofen zu gleichen. Das dunkelbraune, schwere Sonntagskleid und die dunkle Haube helfen gegen dieses Gefühl kein bisschen.
»Herr Hansen?« Leicht neigt sich ihr Kinn, zum angedeuteten Gruß, als Rondra an ihn heran tritt. »Dem Herrn zum Gruße.«Nein, es ist kein Wetter für Geplänkel, schon bahnen sich die ersten Schweißtropfen ihren Weg den Rücken hinab. Nicht lange und das Unterkleid würde unangenehm an ihrer Haut kleben. »Rondra Peverell.«Den Rest würde er wohl wissen, oder er ist keinen Heller wert. »Ich hörte an Euch muss man sich derzeit wenden, wenn man mehr als das übliche Warenangebot des Grazer Marktes sucht.« Das Lächeln ist noch unverbindlich und angesichts der äußeren Umstände angestrengter als sonst, aber durchaus interessiert. Nun, auch wenn es heute nicht um Kleider geht, es geht ums Einkaufen und sie ist ein Weib – wie sollte sie nicht interessiert sein?

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Morten_hansen
20. Juli 1462 ~ nach dem Kirchgang
Graz



Jeden Sonntag ist er in der Kirche zugegen und so auch diesen. Es ist wichtig dort zugegen zu sein. Erstens ist so für jeden ersichtlich dieser Mann ist ein anständiger und somit einer der das Vertrauen verdient und zweitens ist es dem Händler so möglich sich einen Überblick über den Adel einer Stadt oder gar ganzen Umgebung zu machen. Es ist stets hilfreich dem Geplänkel der Herrschaften nach dem Gottesdienst zu lauschen. So erfährt man Namen und bekommt ein Gesicht dazu und hört doch manch Gerücht und kann dann wenn man das Getratsche der Bediensteten dazu nimmt, mach ein rundes Bild erhalten. Rund ist offensichtlich auch das Weib, welches nun an ihn herantritt. Und Morten weiß wen er vor sich hat, noch ehe die Dame ihren Namen nennt. Er war auf der Hochzeit des Paares und wusste um die vielen Dinge, die sich um das Weib rankten. Sie hatte eine mächtige Familie für Niemanden verlassen und ein jeder kannte inzwischen wohl den wahren Grund. Und wer ihn nicht erahnte, sollte sich einfach mal den Umfang des Leibes der Dame genauer ansehen. Doch Morten urteilt nicht darüber, dafür hat der Mann zu vieles schon gesehen und erlebt. Daher erwidert er das lächeln und zeigt seine ordentlichen Zahnreihen und dann folgt eine tiefe Verbeugung vor dem Weib und gleich nachdem er sich wieder aufgerichtet hat deutet er zu dem Schatten, den eine mächtige Eiche wirft und erklärt. "Wollen wir uns nicht lieber in den Schatten begeben? Die Wärme des heutigen Tages lässt mich erahnen wie sich der Braten im Ofen fühlen mag." Damit bietet er Rondra den Arm, jedoch so dass sie sich nicht bedrängt fühlt diesen annehmen zu müssen, sondern nur zu können. Doch damit sie sich sicher sein kann den rechten Mann gefunden zu haben, ergänzt der Kerl noch während er sich dann schon anschickt den Weg gen Schatten zu wählen "Und Ihr hörtet das rechte. Bei mir findet Ihr die Dinge die den Alltag eher verschönern und weniger auf die Alltäglichkeit ausgerichtet sind." Und erneut lächelt Morten und erklärt weiter "Morten Hansen".


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Rondra
20. Juli 1462 ~ nach dem Kirchgang
{Graz}


Das Hansen sie bereits kennen könnte bezweifelt Rondra keine Sekunde. Graz braucht seine kleinen Skandale und dass ihr Umfang durchaus zum sommerlichen Gesprächsstoff taugt, ist klar. Wahrscheinlich hätte sie sich früher auch das Maul zerrissen. Allerdings stört es die Peverell nicht allzu sehr, in den letzten zwei Jahren hat sie sicher oft genug für Gerede gesorgt, da wird das Fell dicker. Außerdem kann sie sich schwerlich beklagen, sie hat ihre Entscheidung keine Sekunde bereut und ist das erste Mal seit Jahren rundum glücklich – auch wenn dieses „rundum“ eben recht umfangreich ist.
Ihr Lächeln wird eine Spur tiefer, als das fast Offensichtliche bestätigt wird, sie hat gefunden wen sie gesucht hat. Dass Morten bei ihrer Hochzeit anwesend war weiß sie nicht. Wer könnte es ihr auch verübeln, ihr Augenmerk lag doch recht deutlich auf einem anderen Mann.
»Danke, eine gute Idee.«Die Sache mit dem Schatten. Ohne zu zögern, aber mit allem gehörigen Abstand legt sich ihre linke Hand auf den dargebotenen Arm. Wäre da nicht die Schwangerschaft, sie hätte wohl freundlich abgelehnt, so allerdings ist es eine willkommene Stütze. Wie ein Braten im Ofen? Er hat ja keine Ahnung. Wie auch, als Kerl? »Ihr hättet Eure Geschäfte im Sommer in anderen Gefilden machen sollen. Ich zumindest hätte nichts gegen den erfrischenden Wind an der Küste.« Ja, der Schatten macht die Unterhaltung deutlich angenehmer. Kaum haben sie ihn erreicht, löst sich ihre Hand auch wieder von ihm. »Aber so habe ich immerhin das Glück, dass Ihr mir womöglich helfen könnt. « So ganz genau weiß sie selbst nicht was sie alles sucht. Je länger sie sich Gedanken dazu gemacht hat, desto mehr ist Rondra aufgegangen, dass sie eigentlich viel zu wenig Ahnung davon hat. »Ich benötige Farben… « ja, das braucht man wohl zum Malen. Ein bisschen zu schnell, als wäre es ihr gerade eingefallen fügt sie hinzu »Sicherlich auch Pinsel.« Nein, viel Ahnung hat sie nicht, aber immerhin weiß Rondra was sie nicht will. »Ich war bereits auf dem Markt, aber das Angebot war mir... nicht breit genug. Die Pulver scheinen zum Teil gestreckt und wenig intensiv, ja geradezu fahl.« Bevor sie nun auf unendliche Ausschweifungen einlässt, hebt sie fragend eine Braue und mustert ihn zum ersten Mal eingehend. Er ist jünger als sie gedacht hätte. Sie mag nichts von der Malerei verstehen, vom Handel versteht sie einiges. Hätte sie die Fugger nicht verlassen, würde sie wohl nicht hier stehen – denn dann wäre es deutlich einfacher gewesen an das Gewünschte zu kommen. Sich an die Verwandtschaft zu wenden um den Mann wieder zum Malen zu bekommen, sie hätte ein schlechtes Gefühl dabei. »Könnt Ihr mir Farben von Qualität liefern?« Sollte er sie hintergehen würde wohl spätestens Kelian merken wenn es mindere Qualität wäre. Was noch? Nicht zum ersten Mal rattert es in ihrem Kopf. Eine Staffelei, aber diese sollte wohl nicht zu aufwendig sein, immerhin kennt sie ihren Mann ein wenig. Da könnte sie wohl einen hiesigen Zimmermann fragen.

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Morten_hansen
20. Juli 1462 ~ nach dem Kirchgang
Graz




Bewusst macht der Mann kleine Schritte auf dem Weg in den Schatten, auch wenn man sich schnell in selbigen begeben möchte, so muss doch Rücksicht auf den Umstand des Weibes genommen werden, was der Händler auch ohne Mühe nimmt. Er lächelt und legt die eigenen, nun freien Hände, übereinander vor den Unterleib, nachdem sie den kühleren Ort erreicht haben und Rondra ihre Hand wieder zu sich genommen hat. "Die Küstenländer sind nur leider nicht sonderlich sicher in diesen Tagen. Immer wieder ziehen Banner durch die Länder am Meer. Da ziehe ich doch die Sicherheit der Berge vor und vor." Leichtes Vorgeplänkel wie es halt dazu gehört und ohne jegliche Tiefe und doch mit der nötigen Höflichkeit und Aufmerksamkeit, damit er den Eindruck von ehrlichem Interesse erweckt wird. Doch die Dame scheint keine Freundin von leeren Worten, eventuell ist es aber auch dem Wetter samt ihrem Zustand geschuldet und lässt sie daher schnell zur Sache kommen. Ein verstehendes nicken hier und da, ein Laut des Verständnisses begleitet manches mal ein Nicken und die Hände wandern vom Bauch hinter den Rücken und als sie endet, legt sich wieder ein lächeln auf die Lippen des Mannes. Es ist kein breites gieriges oder gar überhebliches lächeln, aber auch kein schmales das viel zu leicht als gespielt gedeutet werden könnte, nein es ist ein offenes und wohl angemessenes Lächeln, dass dem Weib geschenkt wird. Dann nickt er ein letztes Mal und beginnt "Und ob ich das kann Frau Pervell. Meine letze Reise führte mich durch Italien und dort gibt es nicht nur qualitativ hochwertige Pulver, sondern auch eine große Anzahl an eher seltenen Farben. So habe ich in meinem Lager neben dem seltenen Kobaltblau auch einige unterschiedliche Goldtöne. Aber am besten wäre es vermutlich, Ihr würdet in mein Lager kommen und sie euch ansehen und dann wählen." Der Händler lächelt nochmals und erkennt dann, wie ungeschickt dies war, räuspert sich und meint schnell, ehe das Weib ihn zurecht weisen kann "Natürlich ist es auch möglich, dass ich Euch eine Auswahl nach Hause bringe. Ich würde dann ebenso eine Auswahl an hochwertigen Pinseln sowie anderen Utensilien zeigen, denn nur die Farbe entscheidet ja leider nicht über die Qualität der Malerei wie wie Künstler ja wissen." Ein kurzes nicht zu künstlich wirkendes lachen, soll von dem Fauxpas ablenken.
Im Geiste überlegt der Kerl was er noch alles einpacken würde. Sicherlich wäre das ein oder andere in seinem Warenlager auch dazu angedacht einer werdenden Mutter zu gefallen und natürlich manch wunderschönes überflüssiges Hübsches für das zukünftige Kind.



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Rondra
20. Juli 1462 ~ Nach dem Kirchgang
{Graz}


Ach ja, die politische Lage am Mittelmeer. Denkt man daran ist es fast ein wenig grotesk, dass man die Steiermark als beschaulichen, friedlichen Ort ansieht. Zeiten ändern sich eben. Trotzdem entlockt ihr die Tatsache ein kleines, wehmütiges Lächeln. Allerdings ist Rondra taktvoll genug den vergangenen, eigenen Krieg nicht zu erwähnen. Stattdessen ist es nun an ihr dem Händler aufmerksam zuzuhören. Kobaltblau klingt schonmal sehr vielversprechend. Blau benötigt man beim Malen sicherlich oft – zumindest wenn man sich nicht einschränken will. Außerdem ist blau nunmal eine ihrer Lieblingsfarben. Goldtöne. Ihre Stirn legt sich in nachdenkliche Falten, ohne dieser Farbe ablehnend gegenüber zu stehen. An sie hat Rondra bisher schlicht nicht gedacht. Schwierig wenn man gar nicht weiß was gemalt werden soll – und geradezu lächerlich, wenn man nicht einmal weiß ob überhaupt gemalt wird.
Beinahe hätte sie über diese Überlegungen seine Einladung überhört und einfach nur abwesend genickt. Beinahe. Ihre rechte Braue hebt sich ein winziges, etwas belustigtes Stückchen und eben jene Belustigung lässt die Blauaugen hell aufstrahlen. Nein, es wäre vermutlich gar nicht einmal vollkommen unschicklich sein Warenlager aufzusuchen. Sie ist eine verheiratete Frau und es würde ihm kaum gelingen ihren Bauch in Gerede zu bringen – zumindest nicht mehr als es ohnehin der Fall ist. Die Unverfänglichkeit, welche sie sich vor über einem Jahr selbst vorgegaukelt hat, wäre heute mit Sicherheit gegeben. Wozu allerdings in einem womöglich muffigen, vollgestopften Warenlager herumklettern, wenn er selber ein viel bequemeres Angebot unterbreitet?
Ihr würden einige Tage bleiben sich selber klarer zu werden welche Farben sie ungefähr haben möchte.
»Wenn Ihr die Mühe auf Euch nehmen wollt hinaus nach Rabenstein zu kommen, so würde ich dieses Angebot sehr gern annehmen.« Grüblerisch verzieht die Freiherrin den Mund ein wenig. Sein Angebot hat einen Haken. Einen ziemlich großen. Kelian und sie haben die Malerei seit jenem furchtbaren Streit nicht mehr erwähnt. Ihre Neugier darauf, wie er auf den Kauf all dieser Sachen regieren würde hält sich im Augenblick in Grenzen. Ihr schwebt vor ihren Mann in dieser Hinsicht einfach schweigend vor vollendete Tatsachen zu stellen.
»Sofern es Euch recht ist, kommt ihr Mitte der Woche am Vormittag. Wir wären voraussichtlich ungestört, denn mein Mann kümmert sich in dieser Zeit um die Ländereien.« Die Pflichten eines Freiherrn eben, zu einem anderen Zeitpunkt hätte sie Kelian sicherlich begleitet und die Felder selber kritisch begutachtet. Jetzt allerdings muss sie sich unter der sengenden Sonne nicht zwingend aufs Pferd setzen und durch die Gegend reiten – sie wäre wohl eher eine Behinderung für ihn.
Wie ihre Worte klingen könnten, geht Rondra erst auf nachdem sie ausgesprochen wurden. Es wäre eine absurde Annahme sie könnte sich den Händler wegen etwas anderem als seinem Metier ins Haus holen. Andererseits, ihr Ruf ist sicherlich kein vollkommen tadelloser, auch wenn die Affaire im letzten Jahr unentdeckt geblieben ist. Hitze steigt in ihre Wangen und recht hektisch tastet sich ihr Blick zu den Augen von Morten. Er soll es besser nicht als unmoralische Einladung ansehen.
»Farben, Pinsel… Leinwände, was immer Euch sonst noch einfallen wird und meine Zustimmung findet, sind für meinen Gatten bestimmt« Folgt die Erklärung auf den Fuße. »Er… « Ach, was geht den Kerl die persönliche Geschichte an, oder eher das Schicksal? »Es soll eine Überraschung für ihn sein, zu gegebener Zeit.« Nicht vollkommen umsonst ist sie eine geborene Fugger, die einzige Tochter (zählt man den Bastard nicht mit) eines einst großen Händlers. Morten würde sie enttäuschen, wenn er nicht geschickt versuchen würde ihr das eine oder andere außer den Malsachen anzudrehen. Aber das gehört für Rondra durchaus zum Handwerk, ebenso wie das feilschen. Einzig schwierig dürfte daran nun sein, dass sie nicht mehr über finanziellen Mittel der Handelstochter verfügt. Allein Farben sind fürchterlich teuer und Morten sieht nicht aus als würde er ansonsten Ramsch verkaufen. Ohne Kelian dazu ziehen zu wollen, müsste sie eine andere Lösung finden. Die eigenen Bäckereien würden einen Teil decken. »Sofern Ihr Interesse daran habt, könnten wir womöglich auch in die andere Richtung ins Geschäft kommen. Ich habe einige Schmuckstücke, die ich gern veräußern würde.« Was nicht einmal aus der Not heraus geboren wird, denn wenn sie etwas genug hat, dann ist es Schmuck. Schmuck den sie ohnehin nicht zeitgleich tragen kann – und der zum Teil nicht mehr angemessen ist. »

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Rondra
03. August 1462 ~ Wir müssen reden
{Bruck gegen Mittag}


In dieser Zeit hat man wohl die Qual der Wahl. Drinnen sitzen, wo es vermeintlich kühler ist, oder draußen zu sein, wo die Luft besser ist. Als Rondra aus dem Legends tritt, bleibt die erhoffte Frischluft aus. Starr scheint sie über der Stadt zu hängen, flirrend heiß und unbarmherzig. Wäre ihr Traum wirklich Alexandria? Dort wäre die Hitze sicherlich noch fürchterlicher. Nun gut, sie aber auch wohl nicht im siebten Monat schwanger. Es kommt eben eins zum anderen. Weiß der Himmel weshalb sie scheinbar jedes Mal im Hochsommer schwanger sein muss. Das nächste Mal…. Oh, gar nicht dran denken, erstmal dieses Kind zur Welt kriegen.
Kurz lehnt sie sich gegen die Wand neben der Tür, denn eigentlich wollte der Blondschopf lediglich kurz auf Kelian warten, der sicherlich gleich zurückkommen würde.
Bruck, das Legends. Seit einigen Tagen sind sie nun hier. Ein Besuch mit mehreren Gründen. Vornehmlich braucht Rabenstein Fische. Wie überall laufen auch dort die Vorbereitungen für den Winter auf Hochtouren. Bald würde die Ernte eingebracht werden, nun bereits wird eingekocht, gesalzen und gedörrt was das Zeug hält. Fisch nun also auch. Allerdings ist dieser Aufenthalt kein unangenehmer, denn immerhin ist es Bruck und die Cousine hier beheimatet. Heimat. Kann man das Wort überhaupt dazu verwenden? Kann sie es auf sich anwenden? Natürlich! Die Steiermark ist ihre Heimat. Lange schon und Rondra kann sich keinen anderen Platz auf der Welt für sich vorstellen. Aber genau da liegt der Hase zur Zeit im Pfeffer – diese Tatsache ist unglaublich. Es muss doch einen anderen Platz geben. Heimat. So sehr sie Rabenstein liebt. Sie hat auch Leoben geliebt, Sigmaringen und Augsburg. So hat Heimat wohl noch weniger Bestand für sie als die Ehe, bisher. Nein. Heimat ist zu etwas anderem geworden. Es sind die Menschen die sie ausmachen, auch wenn die Konstellationen derer manchmal etwas unbeständig sind. Ihr Fixstern in dieser Konstellation reißt sie zum Glück in diesem Moment aus ihren Gedanken.
Die rechte Hand gegen die Stirn gehalten, blickt Rondra Kelian entgegen. Ein Anblick der sie glücklich lächeln lässt. Auch wenn es nun bereits über drei Monate sind, so schlägt ihr Magen einen Purzelbaum, wenn sie nur daran denkt dass das nun tatsächlich ihr Mann ist.
»Ich wollte ein wenig die frische Brise genießen.« Erklärt Rondra als sie sich von der Wand abstößt um die letzten Schritte auf ihn zu zugehen. Natürlich signalisiert ihr Unterton wie naiv der Wunsch gewesen ist. Ihre rechte Hand angelt nach seiner linken, während das Weib dicht vor ihn tritt und aufmerksam mustert. Dann folgt ein weiteres Lächeln und der scheinbar missbilligende Blick einer vernachlässigten Ehefrau. »Ich habe heute noch keinen Kuss bekommen, Herr Peverell. Liegt das an unserer langen Ehe, oder daran dass dir die Turteltauben auf den Magen schlagen?« Schalk blitzt in den Blauaugen auf, als sie sich zu ihm hinauf reckt um sich zu holen was sie haben möchte. Nicht möchte sie wieder hinein, das wird ihr klar als sie sich wieder langsam löst. Die letzten Wochen waren voll von Arbeit und Verpflichtungen. Thomas hat ihn tagsüber in Beschlag genommen und am Abend ist sie es gewesen die kaum die Augen offen halten konnte. Das leidige Los von Eheleuten. Wo man sich früher die Zeit gestohlen hat, steht heute die Pflicht. Aber es ist eben die Jahreszeit, die nur wenig Müßiggang zulässt. Nach der Ernte –der draußen auf dem Feld und der Ernte ihrer Liebe – wäre es wieder anders, spätestens wenn der Winter die Steiermark wieder unbarmherzig in seine eisige Umklammerung nehmen würde. »Was hältst du von einem kleinen Spaziergang? Tatsächlich fände ich den See reizvoll. Es gibt auch einiges was ich mit dir besprechen möchte.« Bei den letzten Worten zieht sie eine Grimasse – wunderbar, nun klingt sie schon wie Thomas.

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Kelian_


To be alone with you
03.08.1462


Für mich ist es selbstverständlich, dass wenn Rabenstein Fisch braucht, dass sowohl Rondra als auch ich die ersten sind, die sich auf die Pferde schwingen, um danach eben die Angel in die Hand zu nehmen. Nicht, dass ich es von der Blonden nun unbedingt verlangt hätte, aber es war wohl irgendwie klar, dass sie nun nicht ewig auf Rabenstein bleiben würde, während ich in Bruck fischen bin. Nein, warum auch? Mein Anwesen - ha, es klingt immer noch merkwürdig, selbst wenn ich es nur denke - ist zu weit vom Dorf entfernt, um jeden Tag die Reise auf sich zu nehmen, so dass es die beste Lösung war, die Nächte im Legends zu verbringen. Meine einzige Sorge demhingehend ist, dass irgendetwas mit dem Kind sein könnte und am Ende eben keine der Ammen, die auf Rabenstein warten, zu gegen sein würde. Wahrscheinlich ist dies albern, vielleicht sogar weibisch sich diesen Ängsten auszusetzen, aber wer wenn nicht wir weiß es besser? Was einmal genommen wird, kann auch nochmal genommen werden.
Von der Tätigkeit des Fischens habe ich an diesem Sonntag natürlich eine Ausnahme gemacht, wobei es die letzten Wochen gar nicht so selbstverständlich war, dass Weib oder Kind mich zu Gesicht bekommen haben. Thomas hat auf meine Anwesenheit bestanden und er musste nicht einmal lange bitten, denn ich kenne trotz meiner Geburt meine Pflichten recht gut. Komisch, nicht wahr? Der Aufenthalt im Wirtshaus wurde für mich dadurch unterbrochen, dass die Natur ihr Recht gefordert hat. Ich habe mir Zeit gelassen, den Schatten genossen und das kühle Nass nicht nur meinen Händen zugeführt, sondern auch an meinen Armen herablaufen lassen. Die Luft steht, wir können froh sein, dass wir nicht in Graz sind. Wie wäre es nur dort? Der Anblick von Rondra reißt mich aus den Gedanken, meine Mundwinkel heben sich ein kleines Stück. Besonders erfreut sehe ich für andere Menschen sicher nicht aus, aber sie weiß es besser. Sollte sie zumindest. Obwohl die Mundwinkel genau da bleiben wo sie sind, runzelt sich leicht meine Stirn. Kühle Brise? Nein, nein das waren nicht ganz genau ihre Worte, aber irgendwie so etwas scheint sie gesagt zu haben. Das Stirnrunzeln gilt eindeutig der Naivität, denn meistens halte ich sie für eine nicht so naive Frau. Auf der anderen Seite habe ich da schon andere Situationen erlebt und hier beruht es wahrscheinlich sehr viel eher auf Hoffnung und nicht auf Naivität. Vorsichtig verbinden sich meine rauen Finger mit ihren. Vielleicht sind sie fast so kaputt wie zu dem Zeitpunkt zu dem wir uns kennengelernt haben. Ein Freiherr sollte sicherlich andere Hände haben, aber die letzten Wochen habe ich auf meinem Lehen angepackt, wo es anzupacken galt und da hat sich der ein oder andere Splitter seinen Weg in die Haut gebahnt. Vorsichtig legt sich meine Rechte an ihre Seite, als ob sie daran zerbrechen könnte, wenn ich zu hart zupacke. Ein leichtes Neigen des Kopfes, ein unwilliges Schnaufen aber keine Worte. Wie auch? Sie selbst hat sich schon längst genommen, was sie so gerne wollte. Weder noch, Frau Peverell. Eher daran, dass ich meine Liebe zu dir nicht öffentlich zur Schau stellen muss. Diesmal bin ich es, der sich ihr wieder ein wenig nähert. Das hab ich schlicht nicht mehr nötig, alle wissen, dass du zu mir gehörst. Richtig. Die Rechte gleitet ein Stück weit nach vorne, da wo sich der fast schon enorme Bauch wölbt, während meine Nase leicht an ihrer Wange entlang streicht. Außerdem bekomme ich im Zweifel nicht genug von dir... Es hat einen gewissen lüsternen Unterton, als ob es unter Umständen passieren könnte, dass ich ihr an Ort und Stelle die Kleider vom Leib reiße. Mit einem tiefen Seufzen löse ich mich schwerfällig von ihr, nur die linke Hand bleibt an ihrem Platz. Spaziergang, hu? Es klingt fast gegrunzt, was natürlich die Worte zuvor unterstreicht. Well, wenn Milady es wünschen. Meine Hand hebt kurz unsere beiden an, damit ein Kuss auf ihren Handrücken seinen Weg findet, bevor ich mich dann in Richtung des Sees bewege. Muss ich dich dann tragen? Kritisch schaue ich herüber, geschickt übergehend, dass sie mit mir reden möchte. Reden hat noch nie Gutes gebracht und wenn ich daran denke, was sie von mir noch hören muss, dann weiß ich, dass auch an diesem Tag nichts Gutes dabei herumkommen wird.

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Rondra
03. August 1462 ~ Wir müssen reden
{Bruck gegen Mittag}


Es sind die kleinen, feinen und verborgenen Nuancen, die sie die Hitze vergessen lassen und ihren Herzschlag tanzen lassen, als sei er eben doch gerade der taufrische Jüngling der sie freit. Ja, ein jeder weiß wohl, dass sie zu ihm gehört. Immer. Vielleicht sollte es nichts weltbewegendes mehr sein, andererseits möge doch der Tag nie kommen, an dem er und seine Liebe zum alltäglichen wird. Dazu macht es viel zu viel Spaß dieses altvertraute Neuland Tag um Tag aufs Neue zu entdecken. Gut, wenn man nicht gerade schwanger ist, die Hitze zu drückend, Thomas zu besitzergreifend und und und. Letzteres ist heute nicht der Fall und die ersten beiden Punkte kann Rondra gekonnt ignorieren, zumindest so lange man so einträchtig beieinander ist.
»Ach ja, du wolltest mich tragen….« natürlich nimmt sie den Faden an und spinnt ihn weiter, er hatte seinen Ursprung im Legends. Für einen Augenblick macht die Schwangere Anstalten als würde sie anhalten wollen, damit er seiner Aufgabe nachkommen kann. Dann geht ihr Blick die Gasse entlang. Angestrengt runzelt sich scheinbar ihre Stirn. »Also weißt du… ich bin nicht gerade leicht und am Ende schaffst du es nicht und wir liegen gemeinsam im See. Zweifelsohne wäre das erfrischend, von deinem Anblick ganz zu schweigen, aber… ich würde doch gerne selber entscheiden wann ich mich ins Nass begebe. Immerhin steige ich deshalb auch nicht mit Arioste in ein Boot. « Allerdings soll er nicht so ganz leicht davon kommen. »Du kannst es ja auf dem Rückweg versuchen, wenn deinem armen Weib die Füße qualmen und dein Spross wieder keine Ruhe gibt und sie damit plagt.« Als ob er (oder sie!) das könnte. Jede Regung des Kindes und sei sie noch so unangenehm wird bisher von Rondra erleichtert begrüßt. Nicht auszudenken wenn es auf ein Mal zu still werden würde. Manchmal, wenn die Angst sie zu grausam angefallen hat, sie sich nicht erinnern konnte wie lange nun schon Stille herrscht und sich die Minuten scheinbar zu Jahren zusammenrotten, da hat sie das Kind schon verstohlen geweckt, geärgert, bis es eindeutig geboxt hat. »Sollten wir uns für ein Boot entscheiden, kannst du deine Ritterlichkeit dort unter Beweis stellen.« Sie hinein heben, rudern, was auch immer. Denn natürlich würde sie sich mit ihm jederzeit aufs Wasser begeben – mit wem auch sonst, wenn nicht mit ihrem Seemann?
Leichtes Geplänkel ist es also, so ganz Unrecht ist es ihr nicht, das was sie zu sagen hat wird nicht einfach. Noch hat sie keine endgültige Entscheidung getroffen, doch scheinen ihre Gedanken ihr plausibel, wenn auch unbequem, zum Teil. Rondra kann sich ziemlich gut vorstellen an welchen Punkten sie nicht einer Meinung sein würden.
Der See. Kaum kommen sie in Ufernähe, ist die Zweisamkeit des Gespräches doch ohnehin erstmal vorbei. Fischer, Händler, Bürger die genau wie sie Abkühlung suchen, Waschweiber und Mägde. Es ist ein buntes Treiben und ein ziemliches Gewirr an Stimmen und Geräuschen.
Nein, der See ist sicherlich eine gute Wahl, doch hier will sie nicht bleiben. Fester fast ihre Hand um die des Mannes. Er kennt den Weg besser, ob nun zum Boot oder einfach aus diesem Getümmel heraus. Es ist ihr Einerlei, nur heraus, denn drängelnde und schubsende Menschenmassen sind in dieser Zeit nichts was sie gern um sich hat.
»Lass uns das Boot nehmen.« Nun also doch. Lauter als normal spricht sie, ja, es ist sogar eher ein Ruf. Boot ist gut. Keine Ausweichmöglichkeiten und man muss eine gewisse Ruhe bewahren. Vielleicht würden sie so das heikle Thema vorsichtig geschaukelt bekommen.

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Kelian_


To be alone with you
03.08.1462


Langsam schieben wir uns zu zweit durch die Gassen, wenigsten ist es nicht allzu weit zum See. Nicht auszudenken, wenn ich sie trotz dessen den Weg hätte tragen müssen. Sie ist, egal wie, nun einmal recht schwer geworden und bei der Hitze gibt es bei Weitem sehr viel angenehmere Tätigkeiten als schwangere Weiber durch die Gegend zu tragen. Klar, dass sie es nicht ganz fallen lassen kann und durchaus die Option besteht, dass ich sie auf dem Rückweg dann in meinen Armen wiegen kann. Herrlich. Allein bei dem Gedanken treten die Schweißperlen auf meine Stirn, später würde die Flüssigkeit dann in Bächen herunterrinnen.
So vorsichtig und eben gleichzeitig auch so zielstrebig wie möglich bugsiere ich uns beide durch die Menschen am See. Die Luft hier ist ein wenig angenehmer, wenn auch nicht viel besser. Wobei, eigentlich ist sie nur feuchter. Wind kann man hier auch nicht spüren. Vor allem scheinen sich viele gedacht zu haben, dass es hier angenehmer wäre. Nun, man kann nicht alles haben. Die Finger fest aneinander gepresst, nass von dem übermäßig vielen Hautkontakt für diese Jahreszeit, schleife ich Rondra mit mir zu dem Ort, an dem ich in den letzten Tagen viel Zeit verbracht habe. Klar, dass hier ein kleines Boot für mich liegt, die Angel ist ordentlich darin verstaut. Ich grinse ganz leicht. Willkommen auf der Seebrise. Klar ich mache einen Scherz, der allerdings auch noch flach ist. Sanft nehme ich dem Weib den Boden unter den Füßen, hebe sie vorsichtig in das Boot hinein, nur um recht schnell nachzukommen. Zu groß ist es wahrlich nicht. Ich entferne das Tau vom Steg und mit mehreren kräftigen Stößen bringe ich uns weiter auf den See hinaus. Stille für einen Moment, zumindest zwischen uns. Vom Ufer her hört man noch die Leute, auch wenn es bereits deutlich weniger geworden sind. Gut so. Trotzdem, erst mal ist es Ruhe, während ich gleichmäßig die Ruder benutze, immer wieder Wasser weg schaufle. Nicht ganz in der Mitte, eher zum Rand hin wo einige Bäume die Sicht auf uns versperren, werde ich langsamer mit den Schlägen. Klar und überflüssig zu sagen, dass ich schwitze, oder nicht? Wahrscheinlich bin ich fast genauso nass als wenn ich in den See gesprungen wäre. Aufmerksam liegen meine Grauen nun auf dem Gesicht des Weibes. Sie wollte reden? Nun denn, dann soll sie beginnen. Dafür braucht es nicht viele Worte meinerseits.

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Rondra
03. August 1462 ~ Wir müssen reden
{Bruck gegen Mittag}


Nein, es ist wirklich nicht die Zeit für viel Körperkontakt. Die stickige Luft zwischen all den Leibern macht Rondra zu schaffen. Gerüche, die sie auch ohne überempfindliche Nase nicht reizvoll finden würde, gepaart mit der Wärme beinahe unerträglich. Allein der Gedanke an Fisch verursacht plötzlich ein flaues Gefühl im Magen. Klebrig, sie fühlt sich wie der Honigkuchen von eben, nur nicht süß sondern eher salzig – denn der Schweiß hat sich zwischen ihren Schulterblättern bereits gesammelt.
Erleichterung als sie das Boot erreichen, wenn auch gleich ein wenig das schlechte Gewissen einsetzt – denn diese Wahl bedeutet für ihn körperliche Arbeit, zumindest bis sie eine Stelle gefunden haben an der sie bleiben wollen. Das Schweigen ist nicht unangenehm, auch wenn es ein bisschen voll von unheilvollen Vorahnungen ist. Als sie das Ufer und das seichte Wasser verlassen haben, beugt sich Rondra ein kleines bisschen nach links, um die Hand über den Bootsrand hinweg ins Nass zu tauchen, die Finger über die kleinen Wellenkämme tanzen zu lassen, welche Kelian mit seinen Bewegungen hervorruft.
Müssen sie wirklich reden? Es könnte einfach ein netter Nachmittag im Schatten der tiefhängenden Uferbäume sein. Verborgen in einer natürlichen, sattgrünen Kathedrale, fern von allen Sorgen, Pflichten und Menschen. Nur sie beide. Es ist so verlockend dass sie eine fast schmerzhafte Sehnsucht danach ergreift. Besonders als er das Boot tatsächlich unter die Bäume lenkt. Grün, das hier dunkelblaue Seewasser und flirrende Lichtflecken, die sich irgendwie hier und da durch das Laubdach gestohlen haben und diesen Sieg scheinbar übermütig feiern.
»Kann man Farben riechen?« Die Lider senken sich über die Blauen, ein träumerischer Zug huscht um ihre Lippen. Was für eine Frage an einen Maler, aber ausnahmsweise hat Rondra daran gerade gar nicht gedacht. Es ist tatsächlich das erste was ihr hier in den Sinn gekommen ist. »Grün muss genau so riechen. Ein bisschen feucht, aber satt wie die Bäume, bevor die Sonne sie langsam ausbleicht und den Blättern das Leben nimmt.« Ach herrje. Es scheint als würde die Schwangerschaft sie poetisch machen. Vielleicht auch nicht, vielleicht ist es auch einfach das Glück und die Ruhe, die ihr Leben gerade erfährt. All das zerstören? Fast kommt es ihr so vor als würde sie mit dem was sie sagen will die Axt auspacken um diese Schönheit zu zerstören.
Aber nun, es würde alles nicht besser machen. Bald, hoffentlich nicht allzu bald, wäre sie kaum in der Lage Dinge zu regeln, Besuche zu machen, oder Gäste zu empfangen. Kurz flackert das Entsetzen darüber wieder auf, dass Arioste womöglich in dieser Zeit des Ausharrens nicht da sein wird.
Fast scheint es, als würden Rondras Gedanken absichtlich Umwege nehmen, um den Weg zur Zunge nicht zu finden. Doch schließlich öffnen sich ihre Augen wieder und suchen nun die Grauen. Nein, er muss sie nicht auffordern zu sprechen, es würde das Vertrauen Lüge strafen, das sie zueinander haben.
»Ich habe ein wenig nachgedacht. « Gott ja, das ist wahrscheinlich ziemlich offensichtlich. Ein leises Räuspern, dann benetzt ihre Zunge die Lippen. »Über die Kinder. Also…«mein, unser…. Immerhin gibt es da kein „dein“ – kompliziert ist es trotzdem. Johannas Stellung ist recht klar, Noras vollkommen offen. Die des kommenden Kindes vollkommen unbestritten. »über die beiden Mädchen. Du weißt selber, dass Johanna längst in einem Alter ist, in dem ihre Ausbildung in einer anderen Familie beginnen sollte.« Ja, vor allem nun, wo die Kleine so einfach sechs Jahre alt geworden ist. Sechs! Ihr kleines Mädchen! Das Bündel, was gerade noch wimmernd in ihrem Arm lag, so klein und schwach, dass sie einige Zeit im Kloster verbringen mussten. »Du kennst die steirische Wappenrolle besser als ich. Wir wissen beide wer in Frage käme und wer nicht – nimmt man dazu dass Lienhart bereits auf Spielberg ist, bleibt nicht viel. Es muss die Steiermark sein, für beide Mädchen. Sie sollen zu Festen und Geburtstagen nach Hause kommen können. Sie sollen weiter eine Familie haben und uns nicht vollkommen fremd werden.« Beide Mädchen, auch wenn Johanna hier wahrscheinlich im Vordergrund steht. Vielleicht ist es besser bei Nora anzufangen und nicht gleich das schwierigste anzugehen. »Nora…. Ist die Zweitgeborene…« was allein schon aussagekräftig wäre, nimmt man alle anderen Schwierigkeiten beiseite. Ein zweites Mädchen. Hoffentlich – und so hat sie bisher nie gedacht – wird das kommende Kind wirklich ein Bub. Es dürfte alles einfacher machen. »Bei der Taufe des kleinen Graufangs fiel mir auf, wie gut mein Bruder die Sache mit seinem Schützling macht. Ist er dir aufgefallen? Friedrich von Murtal? Vielleicht wäre sein Weg geeignet für sie. Eine Ausbildung in und für die Kirche. Später könnte sie durch ihre Mitgift und ihren Namen es bis zur Äbtissin schaffen und sich einreihen in die Berufung die meine Familie doch recht oft befällt.« Gut, angesehen sind bisher nur dieKirchenmänner. Graufang, HansGeorg, Balthasar, Ischariot und der Pater. Weshalb also nicht eine Äbtissin? »Ein freieres Leben als wenn wir sie später an einen verarmten Adelsmann verheiraten müssen, der sie nimmt wegen ihres Namens.« Sind sie ehrlich, so wissen ziemlich genau was Nora erwarten würde, wenn sie nicht denselben Namen trägt wie ihr Ziehvater. Nichts was Rondra direkt ansprechen würde, auch nichts was sie ihm zum Vorwurf machen würde. Es ist leicht das Kind eines anderen zu lieben, den man nie kennengelernt hat. Ein Grund weshalb Rondra selber mit Kelians Vergangenheit recht gut leben kann. Das war bevor es sie in seinem Leben gegeben hat. Bei Nora verhält es sich anders. Der Kirchenweg – ein Handschlag für die einzig wahre Kirche und womöglich würde sie der Familie zu Ruhm und Ehre gereichen. Wahrscheinlich wäre es nun an der Zeit auf Johanna zu sprechen zu kommen, doch Rondra verstummt erst einmal. Rasch hat sie gesprochen, ihn zum Teil nicht angesehen, denn es ist doch einiges gewesen. Nun allerdings hebt sich ihr Kinn, damit sie wieder hinüberblicken kann. Nein, all dies ist ein Gewässer auf dem sie sich nicht auskennt und es hat rein gar nichts mit der Glätte des Brucker Sees zu tun.

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Kelian_


To be alone with you
03.08.1462


Unangenehm ist es nicht, dass kurzes Schweigen herrscht. Auch wenn meine Augen auf ihrem Gesicht ruhen, so sind meine Gedanken ein wenig verstreut. Bei dem was sie wohl sagen möchte, bei den vergangenen Wochen, den Tagen hier und den leisen, schwappenden Geräuschen des Wassers. Es ist beruhigend, so sehr, dass ich es gar nicht beschreiben kann. Ich sehne mich ein wenig nach der See, ich kann nicht aus meiner Haut und die ist mit Salzwasser bespritzt. Ich bin und bleibe ein Seemann.
Allerdings bin ich mehr als das. Ich bin nie müde geworden es ihr zu sagen, dennoch erwischt mich ihre Aussage ein wenig auf dem falschen Fuß. Ob man Farben riechen kann? Ein wenig schleicht sich Missmut auf mein Gesicht, doch die Aussage ist so rein, dass sie von einem Kind stammen könnte. Nur für einen Moment liegen meine Augen forschend auf ihren, bevor sie ausweichen und sich in den Brucker See bohren. Ist es Scham? Nein. Natürlich kann man Farben riechen, was für eine Frage. Ich würde sie klar mit Ja beantworten, aber ich dachte für mich auch immer, dass das jedes Kind weiß. Also bekommt sie nur ein unverbindliches Brummen. Mehr geht leider darauf nicht, denn natürlich sind meine Malversuche nicht viel besser geworden. Ganz im Gegenteil, seit dem Vorfall kurz nach unserer Hochzeit habe ich es gänzlich unterlassen. Kein Pinsel, kein Gedanke sollte daran verschwendet. Mit diesen wenigen Worten weckt sie in mir die Sehnsucht an einer Staffelei zu stehen. Pinselstrich um Pinselstrich auf der Leinwand entstehen zu sehen, was ich im Kopf habe. Das leise Kratzen der Fasern des Pinsels auf denen der Leinwand, der ölige Geruch der Farbe. Es scheint so unbändig, dass ich nicht weiß, wie ich es unterdrücken soll. Ein leichtes Zittern durchfährt meinen Körper, wahrscheinlich unsichtbar für sie, weil sie die Augen geschlossen hat. Ob es in diesem Moment gehen würde? Lange nicht mehr habe ich mich so frei gefühlt, bald schon ist es ein Jahr her, dass mir die Verletzung zugefügt wurde.
Kommen wir zurück zum Ernst des Lebens. Nicht, dass nicht ausgerechnet wir beide nicht genug davon haben, aber was sein muss, das muss manchmal sein. Um die Kinder soll es sich also drehen, die Mädchen. Ihre. Unsere? Wie man es nimmt, denn wir wissen beide, dass ich da durchaus Unterschiede mache. Ich kann und will es nicht verhehlen, immerhin wollten wir ehrlich sein. Ich lausche also ihren Worten, wobei sich der erste Unmut bereits auf meinem Gesicht abzeichnet. Ja, Johanna sollte bereits bei einer anderen Familie sein, Ja ich kenne die Wappenrolle der Steiermark recht gut. Danach würden die Probleme anfangen, da bin ich mir sicher, allerdings höre ich es bis zum Ende an. Dein Bruder? Daran könnte ich mich jetzt hochziehen, denn seit wann nennt sie diesen Bastard so? Nun, wenn sie meint. Es erscheint mir ein ehrlicher und guter Weg für das Kind zu sein. Oh, ich spreche wie jemand, der ich eigentlich nicht bin. Ich wende meinen Kopf, sie kann nur mein Profil sehen während ich auf den See starre. Wie alt ist sie? Fast zwei? Zu früh für solch einen Wechsel, wenn du mich fragst. Lass mindestens weitere zwei Jahre ins Land gehen - außer du wünschst es. Ich werde euch nicht trennen. Allerdings werde ich das Kind auch nicht lieben, dies vermittelt meine Aussage ganz deutlich und da ich es die letzten drei Monate sehr erfolgreich geschafft habe, werde ich es auch die nächsten Jahre. Je nachdem ob es auch deine Wünsche vollkommen befriedigt, bin ich mit der Lösung einverstanden. Hat es geholfen? Wahrscheinlich nicht.
Kommen wir zu dem weitaus heikleren Thema. Well, nun möchtest du auch noch Johannas Zukunft besprechen? Lange schon habe ich mich ihr wieder zugewandt, ein etwas harter Zug um meinen Mund ist erschienen. Eine Liebe, die nicht mehr so sehr auf Gegenseitigkeit beruht, aber deswegen kann ich ja für das Mädchen eintreten. Sie wird denken, dass wir sie abschieben. Wer hätte gedacht, dass ich der weiche Part in dieser Angelegenheit werde? Guter Bulle, böser Bulle - well, the fighting can start.

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Rondra
03. August 1462 ~ Wir müssen reden
{Bruck gegen Mittag}


Was so eine kleine Frage doch bewirken kann – zum Glück geht seine Reaktion tatsächlich an ihr vorbei. Dass man Malerfarben riechen kann, ist selbst ihr klar. Es ging ihr hierbei eher um die Farben, welche die Natur erstrahlen lässt.
Wie er gerade sie, lässt natürlich auch Rondra Kelian aussprechen. Wobei sich ihr Wille einzugreifen auch in Grenzen hält. Erst durch seine Frage bemerkt Rondra wie sie Balthasar gerade genannt hat. Bruder. Nicht das er es heute mehr oder weniger ist als vor zwei Jahren. Woher also dieser Wechsel? Möglich dass es damit zusammenhängt, dass sie die Familie verlassen hat. Ein kleiner, trügerischer Funke, der vorgaukelt was es nie gegeben hat und nie geben würde. Ja, all das ist nicht gerade einfach, weshalb er als Antwort darauf einen verwirrten, irritierten Blick kassiert – es ist ihr selber schlicht nicht aufgefallen.
Erleichterung darüber dass er den Weg gut heißt, auch wenn Rondra fast nichts anderes erwartet hat. Dieser Weg ist rational gewählt. Als Mutter würde sie ihr natürlich die Welt zu Füßen legen wollen. Eine Ausbildung, dann eine gute, strahlende Hochzeit, Kindersegen und mit Glück ein kleines bisschen Liebe. Doch es ist eben wie es ist. Möglich dass es auch auf diese Art gehen würde.
»Weitere zwei Jahre?« Keine Ablehnung des Vorschlags, eher Überraschung dass Kelian es vorschlägt. Sie hätte nicht erwartet dass er Nora fort treibt, sich nun allerdings für ihr bleiben einsetzt auch nicht. »Ja, im September wird sie zwei.« Genauso wie es zwei Jahre her ist, dass dieser unverschämte Nichtsnutz in ihr Zimmer gestolpert ist. Zwei Jahre seit jener ersten Begegnung, die im Prinzip so nichtssagend gewesen ist zu diesem Zeitpunkt und letztendlich doch ihre Welt vollständig und unwiderruflich aus den Angeln gehoben hat. Eins gesellt sich zum anderen. Wer hätte damals gedacht, dass sie sich ihm hingeben würden – das Unbrechbare brechen würde. Wer hätte damals gedacht, dass sie zu ihm „Ja“ sagen würde – und damit alles aufgeben was sie ausgemacht hat, all ihr sein. Um schließlich festzustellen, dass sie an seiner Seite mehr sie selbst ist, als sie es über Jahre gewesen ist.
Doch darum geht es nicht, Noras Zukunft. Zwei weitere Jahre mit der Kleinen, die zwar keine anwesende, liebende Vaterfigur aufzuweisen hat, dafür allerdings eine Mutter, die sie gerne mit ihrer Liebe und Zärtlichkeit überschüttet. Als könne sie damit wettmachen, was ansonsten fehlt. Ein eifriges, schnelles Nicken.
»Womöglich hast du recht. Ich werde bei seiner Heiligkeit vorsprechen. Sicherlich wird sie mit vier oder fünf Jahren ihren Beitrag zum Klosterleben leisten können.« Mit Sicherheit, denn auch wenn Nora aufgeweckt ist und immer neugieriger wird, so fehlt ihr das Wilde, Unbezähmbare, was ihre Halbschwester ausmacht. »Wir könnten festlegen welchen Weg sie später nimmt.« Ja, oh ja. Eine gute Sache. Bei aller rosaroten Romantik, die Rondra zur Zeit umgibt, weiß sie sehr genau wo dieser dicke Bauch enden wird. Lakonisch könnte man sagen „was rein kommt, kommt auch raus.“ Nur dass Rondra zwar anscheinend leicht empfängt, doch das Kind umso schwerer zur Welt bringt. Sie wäre nicht die erste Frau, die ihr Leben im Kindbett lässt. Angst kriecht den Rücken hinauf und wird doch sogleich wieder niedergekämpft. Trotzdem wäre es gut die Kinder versorgt zu haben, vor allem Nora.
Johanna. Da sagt er was. Als würden sie etwas suchen fliegen die Blauaugen über seine Miene. Der harte Zug wird wahrgenommen und verursacht Schmerzen. Nein, sie ist nicht in der Lage hier den unerbittlichen Part zu übernehmen. Doch welche Wahl bleibt? Diese anhängliche Mutterliebe, die sie mit Johanna verbindet, könnte am Ende der Untergang des Kindes sein.
Nein, diesen harten Zug hat sie wirklich nicht verdient. Wieder stibitzt sich ihre Zunge über ihre Lippen, doch längst ist sie viel zu trocken.
»Ich weiß… ich will sie nicht abschieben, weder Nora noch Johanna. Doch wenn das Kind erst einmal da ist… Ich weiß wie es nach so einer Geburt zugeht.« Das Wochenbett, unpässlich über Wochen – nicht von ungefähr hatte Kelian sie allein in ihrem Zimmer in England angetroffen. »Bis wir dazu kämen, wären schnell wieder einige Monate ins Land gegangen und sie ist bereits sechs!« Rondra will diesen flehenden Blick nicht aufsetzen, das Thema hatten sie oft genug. Aber die stumme Bitte um Verständnis, ein kleines bisschen Einsicht, steht deutlich in den Blauen. »Ich weiß, ich habe mir zu viel Zeit gelassen. England, der Krieg…. Vielleicht war diese Umsicht mit ihr grundverkehrt.« Nein! Nein, war sie natürlich nicht! »Aber ich konnte nicht anders und würde es heute auch nicht anders handhaben. Gerade deshalb will ich aber auch nicht, dass sie die Steiermark verlässt. Es würde uns das Herz brechen…« Ihre Hand löst sich endlich aus dem Wasser, mit dem Drang nach seiner zu greifen – ein Drang der sich gerade allerdings vollkommen falsch anfühlt. Die Bewegung wird nicht vollständig ausgeführt, kurz hängt ihre Hand in der Luft, um sich dann in den Falten ihres Kleides zu verstecken, nass wie sie ist. »Johanna, mir, aber auch dir. Ich weiß was sie dir bedeutet!« Verbissen sucht Rondra seinen Blick, fest und ziemlich stur. Ja, verdammt, sie weiß es. Johanna eine Peverell – braucht es mehr Beweise? Zum einen was das Kind für Kelian ist, zum anderen was seine Rechte sind. Theoretisch – vielleicht auch praktisch. Bleibt zu hoffen, dass sie es nicht herausfinden müssen.
»Es sind keine neuen Gedanken und Probleme, hm? Wir können noch Jahre im Kreis grübeln. Es wird keine alte, ehrwürdige Familie vom Himmel fallen. Es gibt drei Frauen die in Frage kommen sie zu übernehmen. Anakonda, Adarana oder Agatha.« Nun, es könnte ein Abzählreim sein, sonderlich schwer dürften ihre nächsten Worte jedenfalls nicht zu erraten sein. »Lienhart ist bereits bei Adam. Ich denke es wäre zu viel, zumal es auch noch Klein-Graufang gibt. Adarana schätze ich unheimlich, doch allzu viel weiß ich nicht von ihr. Ich bezweifle ob sie …. Erfahrung mit Kindern hat.« Da könnte sicherlich Kelian etwas zu sagen, immerhin hat er eng mit ihr zusammengearbeitet. Tatsächlich wäre Admont fast die von Rondra favorisierte Variante, wenn Adarana nur verheiratet wäre und Kinder hätte. »Agatha von Murtal. Katerina ist ohnehin dort, Sofia und ich wollten die beiden Mädchen nicht trennen. Agatha hat ohne Zweifel alle notwendigen Kenntnisse, die es zu vermitteln gilt…« Außer dass sie Herzlichkeit vermissen lässt. Aber dafür hätte Johanna immerhin eine Mutter und einen Vater. Es geht darum dem Kind eine akzeptable Form zu geben, nicht darum es zu verhätscheln. Jeder andere fremde Hof wäre noch unbekannter als das was Agatha zu bieten hat. Weiter? Rondra ist sich nicht sicher wie weit sie sich bereits aus dem Fenster gelehnt hat. »Alles in allem denke ich an einen Vertrag, zwischen uns, den Murtals und der Kirche.« Ja, wozu den jungen Murtal langfristig in die Kirche stecken, als Erben des Hauses, was für eine Verschwendung. Der Zug der einstigen Krähe ist Rondra vollkommen unbegreiflich. Immerhin, die Katze mag so nicht aus dem Sack sein, aber er ist zumindest geöffnet. Allerdings ist es schwer abzuschätzen wieviel Kelian von solchen Ränkespielen versteht, reicht die Andeutung? Hoffentlich. Es wäre noch etwas anderes es auszusprechen.

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Kelian_


To be alone with you
03.08.1462


Das Gute ist, dass wir in dieser Sache in einem Boot sitzen. Buchstäblich und sprichwörtlich. Wir müssen es klären ohne irgendwie groß rumzuzappeln. Kein Weglaufen, kein Wackeln, nicht mal ein Aufstehen. Es müssen also andere Gesten her als die normalen, wobei ich dabei noch recht viel Glück habe. Mein Arm schiebt sich nach hinten, die Hand legt sich in den Nacken und reibt nachdenklich darüber. Natürlich ist sie begeistert von der Idee, dass Nora noch ein wenig bei uns bleibt. Ob es am Ende tatsächlich auch so sein würde, ist eine andere Frage. Vielleicht hat der Patriarch ganz andere Dinge im Sinne, möchte sie lieber haben solange sie noch sehr jung ist. Zwei Jahre ist sie jetzt. Naja noch nicht ganz. Aber wie ihre Halbschwester würde auch sie bald Geburtstag haben. Ob ich mich da ebenso anstrengen muss? Natürlich hat Johanna ein Geschenk erhalten. Einen Bogen, der zum bereits vorhandenen Köcher und Handschuh passt sowie weil es ihr Geburtstag war Pfeile. Ausgerüstet um eine echte kleine Bogenschützin zu werden. Hach, was interessiert mich Nora? Gar nicht. Eigentlich. Die Gedanken sind bei meinem kleinen Lieblingsblondschopf hängen geblieben. Wie könnte sie all diese Dinge nutzen, wenn sie nicht zu Hause wäre? Kaum eine Adelsdame würde ihr dies erlauben. Warum auch? Es schickt sich nicht. Wieder einmal zeigt sich, dass ich hier in eine Welt geraten bin, die nicht meine eigene ist. Natürlich auch mein Vater hat sicherlich Überlegungen angestellt, was er am Besten mit seinen Kindern macht, aber nie in diesem Kalkül. Warum Johanna nicht einfach bei uns lassen?
Diese Diskussion nun vom Zaun zu brechen, wäre müßig. Sie würde nicht das erste Mal erfolgen. Außerdem würde am Ende nichts dabei herumkommen und uns beiden nur mehr Stress bescheren. Tun wir also so, als ob ich die Tatsache, dass die Mädchen das Haus irgendwann verlassen müssen, schon lange akzeptiert habe. Auch wenn dies eigentlich nicht der Fall ist. Letztendlich ist es dann also ein Nicken. Besprechen wir es mit seiner Heiligkeit und sehen danach weiter, wohin der Weg für Nora führen kann. Sie sollte eine angemessene Stellung innerhalb der Kirche erhalten. Selten dass ich den Namen des Balges ausspreche, aber nun da wir über sie reden, sie aber auch nicht in der Nähe ist, wird es langsam schwer dies zu vermeiden. Wäre es realistisch solch eine Stellung für das Kind herauszuarbeiten?
Die Frage trifft noch mehr auf Johanna zu. Zu den Murtals also. Ich kenne Adarana natürlich besser als Rondra, aber genau dies macht sie in meinen Augen ungeeignet dazu den kleinen Blondschopf zu erziehen. Sie ist zu gut, zu weich. Agatha. Eine Murtal. Ein unglücklich Zug hat den Platz des harten eingenommen, ich bin es nun, der seine Hand in das Wasser gleiten lässt. Murtal, hu? Nein, Rondra weiß nur, dass ich die Familie nicht mag, aber nicht warum. Wie auch? Vielleicht das einzige Geheimnis, welches ich bewusst bewahre und somit unseren Pakt breche. Immer ehrlich. Der Gedanke gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht, denn er könnte Johanna am Ende brechen. Dem Mädel die Lebenslust nehmen. Ernst ist mein Blick, der den ihren sucht. Eine andere Frage. Meinst du, dass DIE Murtal sich einer Peverell annehmen wird? Sicherlich kein Gedanke, den Rondra so schon einmal hatte, aber letztendlich hat Johanna meinen Namen mitangenommen. Kein Fugger mehr, welches einem die Türen öffnet. Ich bin mir da nicht so sicher, vor allem nicht, wenn ich an die alte Hexe denke. Ich halte es für falsch, werde aber nicht großartig intervenieren und dir vor Johanna den Rücken stärken. Beziehungsweise sollte es wirklich so weit kommen, sie selbst wegschicken. Die Aussage dessen ist klar. Es reicht, wenn sie einen von uns beiden hasst - dann lieber mich als Rondra. Ich möchte, dass sie ihren Bruder kennenlernt. Was soviel heißt, dass die Abreise am Tage nach der Geburt stattfinden soll. Frühstens. Falls dieser unsägliche Vertrag zustande kommen sollte. Was mich wiederum auf etwas bringt. Was willst du da eigentlich auch schon wieder mit der Kirche? Johanna soll doch sicherlich einen anderen Weg beschreiten?Das der Murtaljunge da eine Rolle spielen könnte, kommt mir persönlich gar nicht in den Sinn. Warum auch? Ich weiß nicht einmal, dass die Krähe einen Sohn hat, dementsprechend auch nicht, dass dieser der Kirche dient. Solange es das Beste für Johanna ist. Abschlussaussage dazu, auch wenn ich letztendlich erschreckend wenig Gegenwehr gebe. Vielleicht ist es die Hitze oder Rondra hat einfach gut gearbeitet die letzten Monate.
Es folgt ein Augenblick, in dem ich sie betrachte bevor ich ohne jeder Vorwarnung einfach mein Hemd über den Kopf ziehe. Ein wohliges Geräusch erklingt, wobei es natürlich nicht sehr nett ist. So liege ich hier immer. Ich grinse sie kurz bubenhaft an, mein Arm verschwindet recht weit im Wasser, weil ich mich zur Seite überkippe. Gerade soweit, dass es nicht gefährlich wird. Weder für's Boot, noch für uns. Wir könnte mein Hemd nass machen und dir kühlend in den Nacken legen? Fast versöhnlich gefragt, unterstrichen durch die Tatsache, dass ich es ihr fast ein wenig treudoof hinhalte. Ich muss dir auch noch etwas sagen. Schuld blitzt durch mein Gesicht, weil ich es schon eine Weile mit mir herumtrage und noch nicht zu ihr gesagt habe. Manchmal, da dauert es eben.

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Rondra
03. August 1462 ~ Wir müssen reden
{Bruck gegen Mittag}


Mit seiner letzten Aussage zu ihrer Jüngsten, scheint das Thema Nora für heute erschöpft. Ein Nicken und die leise Ansage, dass sie seiner Heiligkeit schreiben würde. Wer weiß ob und wenn ja wann er das Kind in den Schoß der Kirche aufnehmen wollen würde. Das gilt es zu klären.
Johanna. Kelian ist durchaus nicht der einzige, dem der Gedanke nicht gefällt. Würde er Rondra gefallen, hätte sie schon längst darüber gesprochen und Nägel mit Köpfen gemacht. Doch stattdessen hat sie auf diesen Gedanken herumgekaut wie auf einem Stück Knorpel, den man sich nicht getraut auszuspucken.
Aufmerksam beobachtet das Weib die Gesten ihres Liebsten. Die Hand im Nacken ist so vertraut, dass sie trotz des Themas unwillkürlich lächeln muss. Das Lächeln allerdings ist nicht von langer Dauer. Es erlischt und weicht einem verstockten, fast hochmütigen Ausdruck. Die Murtal kann sich glücklich schätzen, wenn eine Peverell an ihre Tür klopft und ihr derartiges vorschlägt. Immerhin halten sie ein Lehen in den Händen und Johanna ist weiß Gott kein niemand, auch wenn ihr früherer Name unbestritten mehr Gewicht hatte. Aber vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass Kelian das Ausmaß ihres Denkens noch nicht erfasst hat. Der junge Murtal.
Doch zuerst wird Rondra von seinem weiteren Treiben abgelenkt. Das Hemd, das abgestreift wird und damit verbunden die leichte Bewegung, die das Boot leicht schwanken lässt. So liegt er hier also immer. Ein Gedanke der dafür sorgt, dass sich Rondras Lippen sinnlich kräuseln. Ein gefährliches, leichtes Lächeln.
»Und das sagst du mir jetzt, nachdem ich letzten Tage gelangweilt im stickigen Zimmer auf dich gewartet habe?.« Nie würde sie sich an ihm sattsehen können. Ja, es ist wohl gut dass sie in einem Boot sitzen. »Andererseits ein kluger Schachzug. Meine verzückten Seufzer hätten dir bestimmt die Fische vertrieben.« Schließlich sollte man beim Angeln ruhig sein. Das Hemd in ihren Nacken? Selbstverständlich greift Rondra danach, als es ihr hingehalten wird. Doch von der Idee scheint sie erstmal nicht viel zu halten. »Meine Füße machen mir viel mehr zu schaffen….« geschwollene Krautstampfer sind es am Abend, zumindest kommt es ihr so vor. Weshalb Rondra nun ihrerseits beginnt sich etwas umständlich die Schuhe auszuziehen und die Socken von den Füßen zu streifen. Sie hätte viel früher auf die Idee kommen sollen die Füße in den See baumeln zu lassen. Sie müssen beide nur darauf achten dass das Gewicht im Boot richtig verteilt ist – ein Unterfangen was Rondra mit äußerster Vorsicht und viel Bedacht angeht. Seine Miene entgeht ihr dabei nicht. Sie verheißt nicht viel Gutes. Die Schuld darin lässt Alarmglocken schrillen, die sich lange nicht mehr gemeldet haben. Es ist kein gutes Zeichen, wenn in den Augen des Ehemanns Schuld steht. Ihr Mund fühlt sich trocken an, während Rondra ihr Kleid bis übers Knie rafft und die Füße über den Rand des Bootes schiebt. »Nicht der Kirchenweg für Johanna, nein.« Greift sie das Thema aus der Luft. Plötzlich scheint es einfach darüber zu reden – zumindest einfacher als sich Gedanken zu machen was er wohl loswerden will. »Um dem Willen der Murtal auf die Sprünge zu helfen, könnte ich mir vorstellen, dass Nora an die Stelle des Buben in die Kirche eintritt. Ein Versprechen zwischen den Häusern, die Zukunft der Kinder betreffend. Ein Verlöbnis, wenn du so willst, was zu gegebener Zeit in Kraft tritt. Sofern sich die Dinge nicht grundlegend ändern. Sie würde sich die eigene Schwiegertochter erziehen, wenn du so willst. Damit würde sie die Erziehung ernst nehmen und gleichzeitig Johanna nicht allzu hart rannehmen.« Denn jede Schwiegermutter ist irgendwann den Launen der Schwiegertochter ausgesetzt – auch wenn das noch ein Weilchen auf sich warten lassen würde.
Der linke große Zeh berührt vorsichtig die Wasseroberfläche, sie zuckt zurück, es wackelt, das Gewicht wird verlagert, um dann einen weiteren Versuch zu unternehmen. Am Ende würde sie seitlich sitzen, sofern sie nicht beide vorher im Nass liegen. Eine gute Gelegenheit diesen Blick nicht mehr sehen zu müssen.
»Was…. hast du auf dem Herzen?« Es ist nicht direkt Angst die in der leisen Frage durchschwingt, aber natürlich zumindest Beunruhigung. Ob sie es will oder nicht, ihr Herz beginnt schneller zu schlagen.

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Kelian_


To be alone with you
03.08.1462


Eine Heirat also. Der Murtaljunge und Johanna. Ich kenne den Knaben nicht, wenn dies der Fall wäre, dann würde ich wohl bereits hier lautstark protestieren. So ist es nur ein nachdenkliches Brummen, welches sie zu dieser absolut wahnwitzigen Idee erntet. Wieder schweift mein Blick durch die Gegend, in meinem Kopf wäge ich die Worte ab. Murtal. Ein eiskalter Schauer läuft mir über den Rücken, aber meine Position hat sich sicherlich in den letzten Monaten verändert. Was kümmert mich das Glück von Johanna? Sehr viel, wenn wir ehrlich sind. Wieder schleicht sich meine Hand in den Rücken oder besser Nacken, langsam reibend. Hilft es? Nein. Eine Heirat zwischen den beiden, ja? Nein ich erwarte darauf keine Antwort. Wieder brumme ich leise, man könnte fast meinen, dass ich ein wenig langsam bin und erst einmal begreifen muss, was sie da gesagt hat. Meinst du nicht, dass sie den Knaben nicht ohne Grund ins Kloster gegeben hat? Ein wenig schaue ich sie zweifelnd an, denn natürlich sagt nichts davon, was eigentlich in mir vorgeht. Besser noch, auch das nächste wird es nicht machen. Es wäre eine vorteilhafte Verbindung und würde der Familie nur zum Vorteil gereichen. Ich verziehe ein wenig mein Gesicht, denn so spricht jemand der auch wirklich darauf wert legt, dass dem so ist. Auf der anderen Seite habe ich mir eine Fugger geangelt, ich habe geschworen sie glücklich zu machen. Gehört dies nicht dazu? Nein Rondra, Johanna an die Murtals verschachern? Ich weiß nicht... Diese Familie... sie sind bösartig. Ha genau und nun könnte man meinen, dass ich ein wenig zu Theatralik und Aberglaube neige. Fehlt nur noch ein richtig reißerischer Spruch. Vielleicht fragst du einfach so bei ihnen an, wenn es denn sein muss, aber einer Verheiratung werde ich nicht zustimmen. Schon gar nicht, wenn ich den Jungen nicht kenne. Es könnte ein Machtwort sein, ein Abschluss, der das Schicksal von Johanna auf ewig besiegeln könnte, aber dafür hat Rondra viel zu viel ungebändigtes Temperament. Anscheinend hat sich auch niemand gefunden, der dieses Gör erzogen hat. Ein kleines Schmunzeln huscht über mein Gesicht, bevor ich mich daran mache ein Gegengewicht zu Rondra zu schaffen.
Da ist dann also noch die andere Sache. Sie fällt mir bei Weitem nicht so schwer, wie man meinen sollte, dass sie mir fällt. Uhm well, was soll ich sagen. Gut, eindeutig ich habe heute einen Hang zu Theatralik. Fangen wir also an. Es scheint, dass wir unseren Stand in der Steiermark verlieren. Ich kenne Adam nicht gut genug, um ihn richtig einschätzen zu können...vielleicht möchte er mich bald als Lehnsnehmer loswerden. In jedem Fall gehöre ich ohne Worte nicht mehr seinem Kronrat an. Er hat einen Boten geschickt, der mir die Schlüssel abgenommen hat. Selbsterklärend, dass ich die letzten Wochen auf dem Lehen beschäftigt gewesen bin und davor reisen. Ich zucke leicht mit den Schultern. Ich dachte du solltest es wissen und auch, dass ich nicht vor habe mich erneut darum zu kümmern. Er hat deutlich gemacht, wie sehr er mich schätzt oder braucht... Nur könnte dies eben auch Auswirkungen auf unser Leben haben. Nicht, dass es mich sonderlich stören würde. Nein, wenn wir ehrlich sind, scheint da eine ungestillte Sehnsucht zu sein. Der Duft von Freiheit, der greifbar ist und doch nicht erfüllt wurde.

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