Rondra
12. Dezember 1462
{Deggendorf}
Deggendorf. Da geht es dem Weib wie dem Kerl, weder mit Österreich, noch mit Bayern verbindet Rondra sonderlich viel. Landschaften die durchquert werden müssen um an das eigentliche Ziel zu kommen. Landstriche, die zwar etwas nach der einstigen Heimat aussehen, aber keinerlei Bedeutung haben. Sie waren nie Heimat, haben es nichtmal geschafft irgendwelche Erinnerungen zu setzen, selbst nicht, als Rondra noch Bürgerin des Deutschen Königreiches war. Nicht ganz richtig. Sie haben Linz passiert. Linz, vor dessen Toren einst ihre Lieben angegriffen wurden, einem Ereignis dem sie schließlich zwei Lehen geopfert hat und vieles mehr. Damals.
Opfern. Wie absurd dieser Gedanke in diesem Zusammenhang ist. Hat sie doch vor kurzem etwas ganz anderes geopfert. Etwas was eigentlich gar nicht zu opfern ist. Ihre Liebe zumindest fühlt es sich so an und damit irgendwie sich selber.
Die letzten Tage brachten eine Verschlimmbesserung. Anders kann man es kaum nennen. Da sind Gespräche, was gut ist aber sie sind unsicher, platt und haben absichtlich keinerlei Tiefgang. Berührungen, manchmal die sich genauso unsicher und zaghaft anfühlen.
Es ist als würde diese Mauer immernoch zwischen ihnen stehen und er somit unerreichbar. Wahrscheinlich kann man sich leichter an einen amputierten Arm, oder ein Bein gewöhnen als daran. Ein Stück von ihr fehlt, ein großes Stück und es ist traurig, wie ihr ausgerechnet jetzt klar wird wie sehr ihr Sein von ihm durchtränkt ist.
Die Tage allein mit sich selbst auf ihrem Apfelschimmel, oder in einen Eiertanz verwickelt, dessen Schrittfolge sie kaum beherrscht und die Nächte ein einziges Grauen.
Weshalb ausgerechnet in der vorletzten Nacht das Grauen von Marburg wieder in ihr erwacht ist, sie weiß es nicht. Es war der alte Traum. Kelian im Lazarett, bleich wie der Tod selber, die panische Angst um ihn doch mit der Neuerung, dass ihn am Ende der Tod bekommen hat. Vielleicht wäre es nicht ganz so überraschend, würden die Ereignisse, die sich in der Heimat seit ihrer Abreise mehrfach überschlagen haben müssen, bis an ihr Ohr gedrungen sein. Sind sie nicht, denn Deggendorf ist tatsächlich die erste Stadt seit Tagen, die sie erreichen.
Heute Nacht im Traum nun wieder auf diesem seltsamen Friedhof vor der Geisterstadt. Ein sehr realer Traum und auch in ihm hat sie den grauen Schatten, dem sie gefolgt ist und der ihr Mann ist, letztendlich in der Dunkelheit unwiederbringlich verloren.
Und ausgerechnet sie hat gestern Abend versprochen sich Mühe zu geben besser zu schlafen. Auf ganzer Linie versagt, eindeutig. Vielleicht sollte sie alte Gewohnheiten wieder aufnehmen. Vor einem Jahr war der Alkohol ein willkommener Freund, wenn es ums Schlafen ging.
Deggendorf also. Sie haben Pläne für den kurzen Aufenthalt. Kelian wollte Kaylis schreiben, denn bisher weiß niemand in Württemberg von ihrer Ankunft. Außerdem gilt es, sich nach einem Schlitten umzusehen. Hatte sie gehofft Württemberg vor dem ersten Schnee zu erreichen, so ist ihr diese Hoffnung gestern genommen worden. Ein Grund mehr rasch ans Ziel zu kommen. Hinunter in die Schankstube geht es, nachdem Rondra vergeblich versucht hat sich noch eine Mütze Schlaf abzuringen. Dick eingepackt, aber immerhin nicht so dick, wie wenn es wieder aufs Pferd gehen würde. Die suchenden Blauaugen finden ihr Ziel und schließlich tritt sie hinter den Schreibenden. Wieder dieses Zögern das, wenn man es einmal selber bemerkt, übermächtig wird und einen hilflos werden lässt. Er hat sie geküsst. Gestern Abend. Nichts was die Welt verändern würde, aber immerhin als sie allein waren also auch nichts was dazu gedacht ist irgendjemandem vorzuspielen dass bei ihnen alles im Lot ist. Trotzdem schafft sie es selber nun nicht, einfach ihre Lippen auf den braunen Schopf vor sich zu drücken, um sich bemerkbar zu machen. All dieses leichte Grau dazwischen. Richtig sichtbar wird dieser Ansatz erst, wenn man genau hinsieht. Genauso wie er häufiger Lachen sollte, sollte er weniger schnell grau werden. Sicherlich auch etwas woran sie die Schuld trägt, denn einfach war sein Leben in den letzten zwei Jahren definitiv nicht.
Also gut. Ihre rechte Hand legt sich auf seine Schulter, sanft und vorsichtig, fast warnend dass jemand hinter ihm steht. Wer weiß, vielleicht ist er sich dessen längst bewusst. Früher einmal schien sich die gesamte Aura eines Raumes zu verändern, sobald der andere ihn betreten hat. Früher. Selbst in ihrem Kopf klingt es entsetzlich. »Ich wollte auf den Markt, bevor die Mädchen wach sind begleitest du mich?« Wären sie erst einmal wach, würde zumindest Johanna mitkommen wollen und es wäre ein leichtes für die kleine Krabbe herauszufinden um was es geht. Umso größer wäre dann die Enttäuschung, wenn kein Schlitten aufzutreiben wäre. »An Kaylis?« Er hat geschrieben. Es war abgemacht, dass er es tun würde. Eins und eins ergibt recht schnell zwei oder bleibt eben eins und eins, wie man sieht.
Das Weib würde sich auf jeden Fall auf die Suche begeben. Wer weiß ob sie fündig werden würde(n).
{Deggendorf}
Deggendorf. Da geht es dem Weib wie dem Kerl, weder mit Österreich, noch mit Bayern verbindet Rondra sonderlich viel. Landschaften die durchquert werden müssen um an das eigentliche Ziel zu kommen. Landstriche, die zwar etwas nach der einstigen Heimat aussehen, aber keinerlei Bedeutung haben. Sie waren nie Heimat, haben es nichtmal geschafft irgendwelche Erinnerungen zu setzen, selbst nicht, als Rondra noch Bürgerin des Deutschen Königreiches war. Nicht ganz richtig. Sie haben Linz passiert. Linz, vor dessen Toren einst ihre Lieben angegriffen wurden, einem Ereignis dem sie schließlich zwei Lehen geopfert hat und vieles mehr. Damals.
Opfern. Wie absurd dieser Gedanke in diesem Zusammenhang ist. Hat sie doch vor kurzem etwas ganz anderes geopfert. Etwas was eigentlich gar nicht zu opfern ist. Ihre Liebe zumindest fühlt es sich so an und damit irgendwie sich selber.
Die letzten Tage brachten eine Verschlimmbesserung. Anders kann man es kaum nennen. Da sind Gespräche, was gut ist aber sie sind unsicher, platt und haben absichtlich keinerlei Tiefgang. Berührungen, manchmal die sich genauso unsicher und zaghaft anfühlen.
Es ist als würde diese Mauer immernoch zwischen ihnen stehen und er somit unerreichbar. Wahrscheinlich kann man sich leichter an einen amputierten Arm, oder ein Bein gewöhnen als daran. Ein Stück von ihr fehlt, ein großes Stück und es ist traurig, wie ihr ausgerechnet jetzt klar wird wie sehr ihr Sein von ihm durchtränkt ist.
Die Tage allein mit sich selbst auf ihrem Apfelschimmel, oder in einen Eiertanz verwickelt, dessen Schrittfolge sie kaum beherrscht und die Nächte ein einziges Grauen.
Weshalb ausgerechnet in der vorletzten Nacht das Grauen von Marburg wieder in ihr erwacht ist, sie weiß es nicht. Es war der alte Traum. Kelian im Lazarett, bleich wie der Tod selber, die panische Angst um ihn doch mit der Neuerung, dass ihn am Ende der Tod bekommen hat. Vielleicht wäre es nicht ganz so überraschend, würden die Ereignisse, die sich in der Heimat seit ihrer Abreise mehrfach überschlagen haben müssen, bis an ihr Ohr gedrungen sein. Sind sie nicht, denn Deggendorf ist tatsächlich die erste Stadt seit Tagen, die sie erreichen.
Heute Nacht im Traum nun wieder auf diesem seltsamen Friedhof vor der Geisterstadt. Ein sehr realer Traum und auch in ihm hat sie den grauen Schatten, dem sie gefolgt ist und der ihr Mann ist, letztendlich in der Dunkelheit unwiederbringlich verloren.
Und ausgerechnet sie hat gestern Abend versprochen sich Mühe zu geben besser zu schlafen. Auf ganzer Linie versagt, eindeutig. Vielleicht sollte sie alte Gewohnheiten wieder aufnehmen. Vor einem Jahr war der Alkohol ein willkommener Freund, wenn es ums Schlafen ging.
Deggendorf also. Sie haben Pläne für den kurzen Aufenthalt. Kelian wollte Kaylis schreiben, denn bisher weiß niemand in Württemberg von ihrer Ankunft. Außerdem gilt es, sich nach einem Schlitten umzusehen. Hatte sie gehofft Württemberg vor dem ersten Schnee zu erreichen, so ist ihr diese Hoffnung gestern genommen worden. Ein Grund mehr rasch ans Ziel zu kommen. Hinunter in die Schankstube geht es, nachdem Rondra vergeblich versucht hat sich noch eine Mütze Schlaf abzuringen. Dick eingepackt, aber immerhin nicht so dick, wie wenn es wieder aufs Pferd gehen würde. Die suchenden Blauaugen finden ihr Ziel und schließlich tritt sie hinter den Schreibenden. Wieder dieses Zögern das, wenn man es einmal selber bemerkt, übermächtig wird und einen hilflos werden lässt. Er hat sie geküsst. Gestern Abend. Nichts was die Welt verändern würde, aber immerhin als sie allein waren also auch nichts was dazu gedacht ist irgendjemandem vorzuspielen dass bei ihnen alles im Lot ist. Trotzdem schafft sie es selber nun nicht, einfach ihre Lippen auf den braunen Schopf vor sich zu drücken, um sich bemerkbar zu machen. All dieses leichte Grau dazwischen. Richtig sichtbar wird dieser Ansatz erst, wenn man genau hinsieht. Genauso wie er häufiger Lachen sollte, sollte er weniger schnell grau werden. Sicherlich auch etwas woran sie die Schuld trägt, denn einfach war sein Leben in den letzten zwei Jahren definitiv nicht.
Also gut. Ihre rechte Hand legt sich auf seine Schulter, sanft und vorsichtig, fast warnend dass jemand hinter ihm steht. Wer weiß, vielleicht ist er sich dessen längst bewusst. Früher einmal schien sich die gesamte Aura eines Raumes zu verändern, sobald der andere ihn betreten hat. Früher. Selbst in ihrem Kopf klingt es entsetzlich. »Ich wollte auf den Markt, bevor die Mädchen wach sind begleitest du mich?« Wären sie erst einmal wach, würde zumindest Johanna mitkommen wollen und es wäre ein leichtes für die kleine Krabbe herauszufinden um was es geht. Umso größer wäre dann die Enttäuschung, wenn kein Schlitten aufzutreiben wäre. »An Kaylis?« Er hat geschrieben. Es war abgemacht, dass er es tun würde. Eins und eins ergibt recht schnell zwei oder bleibt eben eins und eins, wie man sieht.
Das Weib würde sich auf jeden Fall auf die Suche begeben. Wer weiß ob sie fündig werden würde(n).
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