Kelian_
This is what it feels like
22./23.09.1462
Na also, sag ich doch. Die ganze Aufregung die Arioste da gerade für einen Moment verbreitet hat, die ist lächerlich. Die normale Gesichtsfarbe der Blonden lässt mich aufatmen, alles hat seinen normalen Gang. Ich kenne mich jetzt nicht besonders aus, aber sicherlich lag das Kind nur wieder einmal falsch. Mein Sohn. Wenn ich könnte, dann würden meine Augen sicherlich aus Herzchen bestehen, so aber muss Rondra damit leben, dass sie einen vollkommen klebrigen und verliebten Blick erhält. Für andere sicherlich nicht nachvollziehbar, aber in diesem Moment überrollt mich mal wieder die Erkenntnis, dass sie meinen Sohn in sich trägt. Schon allein deshalb würde ich sie wahrscheinlich ewig lieben. So lange wie ewig eben in dem Mund eines Erwachsenen bedeutet. Genauso wie für immer.
Mit einem Nicken deute ich an, dass ich sie natürlich begleite. Ihren anderen Arm zu nehmen halte ich nach der deutlichen Verbesserung nicht mehr für nötig, immerhin scheint der Alarm falsch gewesen zu sein. Mein Buch wird daher meinerseits in aller Ruhe zusammengeklappt, ich betrete kurz nach den Weibern den Flur. Ein kleines Stück, nur wenige Meter - erneut Pause. Diese ist es auch, die meine Nervosität wieder anheizt. Dies ist neu. Der Weg hinauf ist sehr viel schwerer als er sein sollte, noch ein weiteres Mal müssen wir anhalten. Nein, hier stimmt etwas nicht. Unendlich ruhig scheine ich zu sein, in mir tobt ein Sturm. Die Angst, sie geht in alle Richtungen, vortrefflich betrifft sie aber Rondra. Was nützt mir ein Kind, wenn das Weib nicht da ist? Nein, würde sie das Kind verlieren, es wäre mir in diesem Moment gleich, solange sie nur bei mir bleiben würde. Dass dieser neuerliche Verlust natürlich ein tiefes Lochen reißen würde, der uns beide vielleicht sogar entzweien könnte, daran denke ich in diesem Moment nicht. Hauptsache das Weib! Oben in unseren Gemächern, normalerweise ein Ort an dem Arioste uns sicher nicht begleiten würde, steht dieser heute für sie offen. Es scheint offensichtlich, dass heute entschieden wird, wie wir die nächsten Jahre weiter leben. Das Schicksal hat schon lange gewählt, wir unseren Weg vor Monaten bestimmt. Jede einzelne, kleine Verfehlung von uns kommt mir dabei in den Sinn. So schnell kann man arg gläubig werden. Es ist ihre Aufforderung, der mich weg treibt von unseren Liebesspielen am Anfang dieses Jahres. Sie sind sehr überschaubar und doch haben sie ausgereicht, dass ich das Weib schwängere. Ist eigentlich schon einmal jemand auf die Idee gekommen, dass ich bei dieser Erfolgsquote einen ganzen Haufen an Bastarden rumrennen haben könnte? Sicherlich der falsche Zeitpunkt.
Meine Finger bewegen sich wie von selbst. Die Schnüre sollen auf? Bekommt sie. Der trockene Witz, dass ich sie sehr viel lieber unter anderen Umständen wieder einmal ausziehen würde, bleibt mir wegen einiger Dinge auf den Lippen hängen. Es ist nicht Ariostes Anwesenheit oder der Umstand, dass es gemein ist ihr dies vorzuhalten, sondern die Situation. Es ist zu früh und zumindest wir beide wissen dies sehr genau. Vorsichtig bestimmt, mit leichten Aufmunterungsversuchen ziehe ich deshalb die Schnüre auf, meine Hand berührt immer mal wieder leicht ihre Seite. Es nützt nichts, es ist nun einmal soweit. Ja. Die einzige Erwiderung auf das Ganze, nichts mehr bekomme ich ihr gegenüber raus. Allerdings finden meine Lippen ihre, küssen sie noch einmal, auch wenn es irgendwie das Falsche vermittelt. Ich hab Angst sie zu verlieren, daher ein recht heftiger Kuss für diesen Moment. Viel bleibt nicht mehr übrig, doch ich bin natürlich nicht irre - also nicht...egal.
Neben Arioste bleibe ich stehen, ich schaue sie nicht einmal an. Keine Ahnung, wie gut sie mich wirklich kennt, ob sie mich gut genug einschätzen kann. Nach Außen bin ich immer noch die Ruhe selbst, nach Innen... Es fehlt nicht viel und ich würde mir das Weib zur Brust nehmen. Kann ja sein, dass sie schwerhörig ist oder was auch immer. Pass mir gut auf mein Weib auf. Sie ist das Wichtigste! Das letzte ist geknurrt, allerdings verzichte ich darauf meinen Worten irgendwelche Taten zu vollbringen, die das Ganze verdeutlichen sollen. Ich hab ja auch eine Aufgabe. Hinaus also, aus der Frauengeschichte, hinein in die Aufgaben des Mannes.
Schnell ist nach der Wehfrau geschickt, ich habe sogar eigene Anweisungen gegeben. Der Priester von Rabenstein soll ebenfalls kommen. Wir brauchen ihn in jedem Fall, mein Sohn - nein, ich sollte diese Albernheit für diesen Moment aufgeben - mein Kind wird getauft werden müssen. Mit diesen Handlungen beginnt die Zeit des Wartens für mich.
Stunden der Qual, in denen ich ständig meine Position ändere. Zuerst nah bei meinem Weib, nur wenige Türen getrennt. Allein als der erste Schrei durch das Anwesen zuckt, kann ich es nicht mehr ertragen. Es ist nicht so, dass ich es nicht kenne, es ist nur sehr lange her und - verdammt! Sie ist eben mein Weib. Auf den Beinen bin ich schnell, hinüber will ich, ihre Hand halten. Ich würde mir mit der verbliebenen Augen und Ohren gleichzeitig zu halten. Doch die Weiber waren schlau, haben die Tür mit einer resoluten Frau besetzt. Wahrscheinlich die Köchin, die mich mit einigen bösen Worten - die ihr normalerweise wahrscheinlich die Zunge kosten würden - verjagt. Danach irre ich eine Zeit lang durch das Schloss, zähle die Stufen, schaue in jedes Zimmer. Nein, es hilft nicht. Wann genau die Flasche mit gutem Whiskey in meine Hand gekommen ist - keine Ahnung. Warum genau die Welt sich plötzlich sehr auffällig dreht - keine Ahnung. Warum ich immer wieder leise hickse und 'Rontra' lalle, sollte wirklich lieber niemand fragen und warum ich dann letztendlich in das verhasste Malzimmer gehe auch lieber niemand.
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