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Grafschaft Rabenstein - Die Familie Peverell

Sofia
Am Fünften im elften Mond 1462 - Rabenstein

Nein, natürlich versagt Sofia der Tochter nicht, mit Johanna zu verschwinden. Weshalb auch, ist doch das Aufeinandertreffen der beiden mit ein Grund, den Weg hierher angetreten zu sein. Nicht allein deshalb, aber eben doch kein geringer Grund, deshalb gönnt man den Mädchen, was sie haben wollen.

Ein doch leicht amüsiertes Lächeln folgt bei Rondras Aufzählung. Wie auch nicht, schließlich ist sie selbst Mutter und auch wenn die Umstände gänzlich andere sind, so ist auch sie mehr als stolz, wenn es um Lienhart und Katerina geht.


"Ei, danke. Ich möchte zumindest meine Sachen ablegen, aber so weit ist der Weg nun zum Glück auch nicht." Will heißen, sie befindet es als nicht nötig, sich 'frisch zu machen'. "Ich wäre aber etwas warmem zum Trinken nicht abgeneigt und dann möchte ich natürlich euren Jüngsten begutachten."

Das Weib würde dem Paar selbstverständlich folgen, wenn sie nun hereingehen würden. Es dauert auch nicht lang, sich der Reisebekleidung zu entledigen, sodass das Weib kurze Zeit später präsentabel wäre, um dem Kommenden entgegenzutreten.

Einen kleinen Beutel hat das Weib noch in der Hand, der seinen Weg bald in Rondras Hände finden würde. Aber alles zu seiner Zeit.

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Rondra
05. November 1462
{Rabenstein}


Ein lebhaftes Nicken ist die Zustimmung der Cousine auf Sofias Ausführung. Nichts was überraschend kommt und natürlich wird die Dunkelhaarige auf ihren Wunsch hin zuerst in ihre Gemächer geführt. Kein anderer Besuch steht ins Haus und so erhält Sofia zwei aneinandergrenzende Zimmer. Nein, keiner rechnet damit, dass das Zimmer welches für Katerina gedacht ist auch tatsächlich genutzt wird. Aber es gehört sich nun einmal so.
Eine kurze Verabschiedung, denn das Paar lässt den Besuch selbstverständlich erstmal ankommen.
Auf dem Weg zum Kindertrakt wird eine Magd angewiesen sich um den gewünschten heißen Tee zu kümmern und ihn in der Kinderstube zu servieren. Manche Tage benötigen eben besondere Maßnahmen und sicherlich würden sie doch ein Weilchen bei Graham zubringen - zumindest geht Rondra davon aus.
Man würde sich also beim Rabensteiner Stammhalter wiedersehen, Sofia würde hinaufbegleitet werden von der ihr zugeteilten Magd. Wie erhofft ist es gerade ein recht günstiger Augenblick des Kennenlernens. Ausgeschlafen, gesättigt und trockengelegt - allerbeste Voraussetzungen. Rondra selber hat den Säugling auf dem Arm. Immernoch ist er ziemlich klein, aber dafür mittlerweile recht rund und drall - wie Babys eben zu sein haben.
»Darf ich dir deinen Neffen vorstellen?« Oder so ähnlich, vermutlich zweiten Grades, oder dritten. So zumindest wird die strahlende Rondra ihrer Cousine gegenübertreten, durchaus willens das kleine Bündel in ihre Arme zu legen, sofern sie es denn möchte.

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Sofia
Am Fünften im elften Mond 1462 - Rabenstein

Herrje. Mit einer gewissen Überraschung wird das hergerichtete Zimmer betrachtet, in dem sich Sofia nicht sonderlich lange aufhalten wird. Hat das Weib nicht in ihrem Brief von einem 'Tagesbesuch' gesprochen und auch im Thronsaal noch mal erwähnt, sich keine Umstände zu machen? Anders sieht es hier schon aus, aber es ist nicht am Weib, sich deswegen zu beschweren. Für einen Moment geistert die Frage im Kopf umher, wie die Cousine es aufnehmen wird, wenn sie eröffnet, am Abend wieder heimzukehren, aber wahrscheinlich ist es auch nichts, was sie jetzt ändern kann.

Verzückt landen schließlich die Augen auf dem jüngsten Spross des Hauses und irgendwie ist alles andere dann auch für den Moment vergessen. Was schert es schon, wie das Familienverhältnis gelitten haben mag, wenn man hier und jetzt grade ein kleines Wunder des HERRN in Armen halten kann? Selbstverständlich zögert das Weib, welches selbst eine Mutter ist, nicht eine Sekunde und nimmt den Neffen behutsam entgegen. Und da fragt einer, wie sich nicht alles um solch ein kleines Erdengeschöpf drehen kann?

Es folgt ein herzliches und in den Augen Unwissender vielleicht auch etwas kitschiges Geplapper und Begutachten Grahams. Für einen winzigen Moment sogar bedauert Sofia es, in ihrer Ehe nicht ein weiteres Mal empfangen zu haben; so ungeliebt auch der Gatte gewesen sein mag, ein Kind entschädigt beinahe alles.

Irgendwann geht der Blick dann auch wieder zu den Peverells.
"Ei, er ist wundervoll.", deutlich zu hören, dass es das Weib ernst meint."Ich habe eine Kleinigkeit dabei für Graham. Allerdings werdet ihr mit der Aufmerksamkeit des Hauses Murtal noch bis zur Taufe warten müssen." Und damit findet der kleine Beutel den Weg zu Rondra, während Sofia sich noch ein wenig weiter an Graham ergötzt. Im Beutel ist wirklich nichts von materiellem Wert. Weich ist der Inhalt und wenn die Blonde in den Beutel greifen würde, könnte sie ein kleines Paar gestrickter Strümpfe hervorholen. Allerdings sind es nicht einfach irgendwelche Strümpfe, sondern eigens von Sofia gefertigte, schon einige Jahre alt. Lienharts erste Söckchen... Ob Graham sie jemals tragen würde, ist fraglich, aber allein die Tatsache, dass die Schwarzhaarige dieses so lange aufbewahrt hat, sollte zeigen, dass sie ihr wichtig sind. Eine Erinnerung. Und nun gehörten sie Graham.
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Rondra
05. November 1462
{Rabenstein}


Strahlend wird die Cousine mit dem kleinen Bündel betrachtet und eifrig genickt. Ja. Graham ist wundervoll. Nein, nein. Eigentlich ist er Per-fekt. Wie sollte er das auch nicht sein? Er ist aus der perfekten Liebe entstanden. Außerdem, um alles was diesen eitlen Sonnenschein anstrengend machen könnte oder Rondras strahlendes Aussehen durch Müdigkeit mindern könnte, muss sich die frisch aufgebackene Gräfin schließlich nicht kümmern. Die volle, reine Dröhnung Mutterglück ist es also, die mitten im tristen Herbst Rabenstein erleuchtet. »Er hat schon zwei Pfund zugenommen.« Viel oder wenig? Man mag es kaum einschätzen, allerdings mit Blick auf Rondra muss es ein wahres Weltwunder sein. So - oder so ähnlich - würde das Geplapper also dahin plätschern.
Durchbrochen wird der Fluß schließlich durch die Übergabe des kleinen Beutels. Verwundert legt sich Rondras Kopf ein bisschen schief. Natürlich greift sie hinein. Neugier, dein Name ist Weib.
»Ooooh« Ein begeisterter, langezogener Ausdruck ihres Erstaunens ist die erste überraschte Reaktion, als die Blonde die scheinbar winzigen Socken in der Hand hält. Nein, es muss nicht immer etwas von materiellem Wert sein, definitiv nicht. Im Gegenteil. Manchmal sind es gerade die kleinen Dinge im Leben, die einen unermesslichen Wert haben, oder entwickeln.
Dass die Söckchen nicht neu sind, ist augenscheinlich - auch wenn Babysöckchen nicht wirklich abgetragen wirken. Wie lange ist es her, dass Rondra Sofia mit der Handarbeit in der verbeulten Pfanne in Augsburg ein ums andere Mal angetroffen hat? Lange. Man sieht es deutlich an Lienhart. Die Söckchen an sich erkennt sie nicht, doch Rondra mag ahnen wer sie vorher getragen hat. Zumindest kommen da lediglich zwei Kinder in Frage.
»Wie klein sie sind! Und hübsch. Vielen Dank.« Ihre Lippen schenken der Cousine ein dankbares Lächeln. »Er wird sie sehr gut gebrauchen können, vor allem wenn er beginnt die Welt zu entdecken und nicht mehr nur ruhig in der Wiege liegt. « Natürlich würden sie auf warme Felle und Decken auf dem Boden achten, aber wer weiß schon, sollte er nach seiner Halbschwester kommen, wird sich Gram dadurch nicht aufhalten lassen.
Weiter geht es natürlich und es gibt auch andere Themen als nur den Sprössling, auch wenn man es kaum für möglich halten mag. So wird sich nach dem Anwesen und der Murtals erkundigt. Die noch ungeplante Taufe angeschnitten und berichtet, dass Graham zwei Paten erhalten soll: Mirabel und Balthasar. Zeit verstreicht und sicherlich würde die Ankündigung dass es ein Tagesbesuch ist Rondra in Erstaunen versetzen - hatte sie das tatsächlich anders verstanden, aber das mag an ihr liegen. In der Zeit nach der Geburt scheint ihr Kopf nicht ganz so gut zu funktionieren wie sonst, woran auch immer es liegen mag: Es ist tatsächlich so. Umso mehr soll die gemeinsame Zeit genossen werden, denn häufig kommt so ein Besuch wahrlich nicht vor, auch wenn es eigentlich verwundert, denn allzu weit entfernt voneinander leben die Cousinen gar nicht.

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Rondra
26. November 1462
{Rabenstein}


Drei Wochen ist jener unsägliche Tag her. Wer hätte gedacht, dass der Abend des Besuchtages der Cousine so endet? Gut. Rondra wohl schon, denn sie mag einiges sein, dumm ist sie nicht.
Wo stehen sie? Rondra weiß es mittlerweile selbst nicht mehr genau. Kühl ist der Herbst und kühl geht es auch zwischen der rabensteiner Herrschaft zu. Oder auch nicht, denn eigentlich versuchen sie sich beide möglichst normal zu behandeln.
Es ist aber nicht normal. Zumindest nicht in Rondras Kopf. In ihrem Kopf wird diese ganze Sache zur unüberwindbaren Mauer und wo sie steht ist sicherlich nicht schwer zu erraten. Unüberwindlich, weil Rondra ihre Handlung nicht ändern würde, könnte sie die Entscheidung noch einmal fällen. Unüberwindlich, weil sie somit zwischen ihr und demjenigen steht, den sie neben ihren Kindern mehr als alles andere auf dieser Welt liebt.
Aussitzen scheint schwierig zu sein, ansprechen unmöglich. Was schon hätte sie im Angebot? Nicht mehr als.…gar nichts.
Anders als versprochen, hat es doch einige Tage gedauert bis Rondra schließlich wie versprochen Mirabel Nachricht gegeben hat. Zuerst war da die Hoffnung doch irgendwann den Mut zu finden alles irgendwie zu klären. Irgendwie ist in diesem Fall aber nicht genug. Weiß sie selber.





Liebe Mirabel,

er weiß es. Alles.

Rondra.


Mehr war es nicht, was auf den Weg gegeben wurde. Bereits vor einigen Tagen schon. Doch sicherlich bedarf es auch nicht mehr Worte. Mirabel würde verstehen. Tut sie das nicht, so wäre es weiter nicht schlimm, denn letztlich ist dies hier die Konsequenz, mit der Rondra rechnen musste. Ungefähr zumindest.
Trotzdem geht es der Blonden nicht gut. Scheinbar alles wie gehabt und doch schreit alles in ihr. Womöglich ist das eigene, innerliche Kreischen nach diesem Verrat lauter als jeder andere brüllen könnte.
Alltag auf Rabenstein also.
Edith erfreut sich erstaunlich oft über die Anwesenheit ihrer Herrin im Wirtschaftstrakt. Die Ernte ist längst eingebracht. Die meisten Vorräte für den Winter bereits eingemacht, eingelegt und verstaut. Zeit für alles, was in den letzten Monaten warten musste. Die Burg gilt es winterfest zu machen. Schwere Vorhänge werden zum Teil auf den Fluren angebracht, um die kostbare Wärme in den Wohnbereichen zu halten. Wintersachen müssen hervorgeholt und angepasst werden. Sommerwäsche gilt es auszubessern. Herb ist der Duft, der in diesen Tagen immer wieder über Rabenstein liegt. Kräutersträußchen werden gebunden und Lavendelsäckchen gefüllt, um zwischen die Lagen der Wäsche und leichten Decken in die Truhen und Schränke gelegt zu werden und somit Motten und Insekten fernzuhalten. Die Räume gilt es zu sichten. Beschädigte Möbel müssen repariert werden, von der Dienerschaft oder eben Handwerkern aus dem Dorf. Alles die Dinge für die keine Zeit gewesen ist im Frühling und Sommer.
Rondra stürzt sich geradezu hinein. Statt wie früher den Duft des frischgebackenen Brotes im Haar zu tragen, sind es nun die getrockneten Wiesenkräuter - manchmal der ätzende Geruch irgendwelcher Trinkturen, mit denen das Holz bestrichen wird. Nein, Rabenstein schläft nicht.
Rondra tut es erstaunlich gut, schlafen. Wahrscheinlich weil sie reagiert wie sie es immer tut, wenn sie mit sich und ihrer Umwelt uneins ist und sich in die Arbeit stürzt.
Uneins. Oh ja. Als gäbe es nicht genug Dinge, mit denen sie sich den hübschen Kopf vollstopfen könnte. Immerhin, Kelian, Graham, Mirabel und Balthasar nehmen ihre Gedanken und ihr Herz so vollkommen ein, dass eine andere Sache gänzlich nebensächlich geworden ist. Die Fugger und die mögliche Nachfolge im Familienvorsitz, sollten Adam und Graufang das Zeitliche segnen. Das Entsetzen und empfundene Wut auf Adam, beides ist nicht fort, aber so unwichtig geworden, dass es Rondra selber wundern würde - würde sie darüber nachdenken.

Oh wie sehr sie doch eine Freundin vermisst. Nicht eine. Die eine. Bislang hat Rondra alles was in ihrer Ehe geschieht mit sich selber ausgemacht, oder eben mit Kelian. Doch gerade jetzt könnte sie das offene Ohr und den Rat eines Weibes so sehr gebrauchen. Genug Handarbeit und ruhige Stunden sind vorhanden. Aber es gibt niemanden hier, der Arioste ersetzen könnte, dem sich Rondra so weit öffnen würde.
Manchmal, da ist es dann doch Schicksal. Schicksal, welches einem sanft über die Wange streicht und aufmunternd zuraunt, dass es irgendwie weitergeht und man nicht alleine steht.
So ist es für Rondra heute, wo der Tag bisher doch ereignislos verlaufen ist. Zwischen den Truhen im Gesindetrakt geht es hin und her, gemeinsam mit Edith. Hier ist man fertig und nun wird beaufsichtig wie die Knechte die Truhen fortschaffen. Bis zum Sommeranfang, wo sich das Spiel in umgekehrter Weise wiederholen würde. Ein endloser Reigen.
Eilig sind die Schritte, es ist Thomas selber, der Rondra den Brief überbringt. Ein Blick der Blauaugen genügt um zu erkennen von wem er ist. Vergessen ist die Arbeit. Edith kann das gut alleine. Wochen ist es her, dass Rondra der Freundin geschrieben hat und mittlerweile hat sich doch Sorge eingeschlichen. Arioste muss längst in Württemberg angekommen sein.
Dieser Brief soll also die Erlösung sein, zumindest was diese eine Sorge angeht.
Hastig führen Rondras Schritte hinaus. Hinaus in den kleinen Burggarten. Es ist jämmerlich kalt, aber hier ist es still. Ganz in Erinnerung an jenen ersten Besuch der Freundin auf Rabenstein, setzt sich Rondra auf die Mauer, auf der sie damals saßen, bevor es zur Ruine hinauf ging.




Reutlingen, den 15. Nebelung 1462

Meine liebe Rondra,

...


Langsam sinkt das Papier auf Rondras Schoß. Die Hand die ihn hält ist längst eisig, es ist ein langer Brief, sehr lang. Es klingt nicht gut. Es klingt nach Arioste. Der verlobten Arioste. Nachdenklich gleiten die Blauen durch den tristen Garten, der auf den ersten Frost wartet und darauf mit weißem Schnee bedeckt zu werden, nur um wieder hübscher auszusehen. Wie lange würde es noch dauern bis Eis und Schnee die Steiermark packen würden? Es ist erstaunlich mild, trügerisch mild. Arioste.
Der Wunsch, das Verlangen ist so plötzlich da, dass Rondra die Sehnsucht nach der Freundin körperlich zu spüren meint. Herrgott. Niemals hätte sie sich träumen lassen einmal derart für Kaylis zu sprechen. Sie kennt ihn kaum. Es gibt vieles was sie ihm vorwerfen könnte. Aber trotz allem hat er geschafft, was bisher keiner geschafft hat. Sie mag ihn wirklich und möchte diese Verbindung zwischen ihm und Arioste.
Gleichzeitig ist es nicht schwer sich in die Gefühlswelt der Cousine hinein zu fühlen. Allein in Württemberg.
Der Wunsch sie zu besuchen, er flammt heiß auf und ist doch irgendwie kümmerlich.
Suchend wird ihr Blick, als müsste der, an den sie in diesem Augenblick denkt zwangsläufig hier im Garten sitzen. Klar. Es gibt nichts schöneres zu dieser Jahreszeit. Längst ist es Zeit wieder hinein zu gehen. Die Steinmauer ist nicht für herbstliche Lesestunden gedacht.
Nachdenklicher, langsamer ist ihr Gang, als es zurück in die Burg geht.
Kelian. Rondra weiß was sie gerne möchte, allerdings nicht wie sie es verpacken soll. Eigentlich weiß sie nicht mal, wo er gerade steckt, wenn sie genau darüber nachdenkt. Das Mittagessen ist bereits einige Stunden her, doch bis zum Abend warten?
»Thomas.«Ha. Der kommt gerade wie gerufen. »Sicherlich wisst Ihr wo mein Mann ist.«Ihre rechte Hand hält den Brief und beginnt das Papier nachdenklich in die linke Handinnenfläche zu klopfen. »Bringt mich bitte zu ihm.« Und so wird ein Verwalter zum Diener degradiert. Passiert.

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Kelian_


An Ocean and a Rock
26.11.1462

Wann ist eine Ehe zu Ende? Wenn man sich nichts mehr zu sagen hat. Aber, ich habe genug Aussagen und Versprechen in den letzten Monaten gemacht, so dass ich es besser weiß. Eine Ehe ist niemals zu Ende. Sie kann vielleicht bröckeln. Sie kann auch einbrechen, kann nur noch leeren Raum übrig lassen und manchmal reicht dazu eine einzige Handlung. Ein Wort. Wenige Minuten. Reicht das gegebene Versprechen eines Mordes genau dazu aus? Nein. Nein unsere Ehe ist nicht kaputt, aber sie bröckelt gerade. Nicht nach Außen, sondern nach Innen. Wie eine Mauer, die nach Außen hin stark wirkt, aber nur einen kleinen Schubs bedarf, um einzufallen. Genauso ist es bei uns. Äußerlich hat sich nichts verändert, wir nehmen die Mahlzeiten zusammen ein, wir verbringen den Abend gemeinsam mit den Kindern, jeder kümmert sich am Abend um das ihm zugewiesene Mädchen und danach haben wir Zeit für uns. Jeder für sich alleine, manchmal auch in einem Gespräch vertieft – es steht diese Mauer zwischen uns, die die stärker ist als unsere Ehemauer. Es sind die Kleinigkeiten, die fehlen, die selbstverständlichen Berührungen und Blicke. Ich meide mein Weib. Ich schlafe mit ihr in einem Bett, ich bin freundlich zu ihr, berühre sie für alle sichtbar. Allerdings ist es dies auch. Keiner von uns beiden kann leugnen, dass etwas nicht stimmt, aber wir ändern auch nichts daran. Zumindest nicht offensichtlich. Ich weiß, dass sie darunter leidet – but so do I.
Ich leide. Ich führe Zwiegespräche mit mir selbst, gehe immer wieder durch, ob ich nicht genauso gehandelt hätte. Frage mich, ob es eine falsche Analyse der Geschehnisse war, ob ich voreilig mit der Aussage, dass dies nicht ihr Recht war. Doch ich komme immer wieder zu derselben Einsicht: Nein. Ich frage mich, ob ich vielleicht zu hart bin, es Mirabels Entscheidung war diese Bitte abzulehnen oder eben nicht. Aber wie kann sie nur? Wie kann mein Weib hinter meinem Rücken meine beste Freundin in solch eine Lage bringen? Sie dazu verdammen eine Mörderin zu sein? Ich weiß natürlich nicht, was die Weiber im Einzelnen besprochen haben, aber es scheint eine hohe Wahrscheinlichkeit zu geben, dass genau diese Folge eintreten würde. Es hätte alles anders geregelt werden können, man hätte Vorkehrungen treffen können. In jedem Fall finde ich es ungeheuerlich, nach wie vor. Es spielt natürlich auch die Entscheidung mit hinein, dass Rondra sich erst gegen ihren Bruder gesperrt hat, bevor sie ihm plötzlich eine viel größere Ehre angetragen hat, als ich eigentlich für ihn vorgesehen habe. Ich kann einfach nicht nachvollziehen, was genau sie da geritten hat, warum sie ihn plötzlich so sehr im Leben unsere Sohnes haben möchte, nachdem sie mir genau dies davor verwehrt hat, nur um quasi wenige Momente danach loszureiten, um einen Auftragsmord zu bestellen. Jedes Mal, wenn ich bei diesem Gedanken angekommen bin, verlässt ein unwilliges und sehr lautes Schnauben meine Nase, so dass meine Nasenflügel extrem beben. Nein, beide Weiber haben mich hintergegangen, mir ein Recht abgesprochen. Noch viel schlimmer, stellt Mirabel damit nicht irgendwie auch unter Beweis, dass sie nicht verstanden hat, was ihre Aufgabe ist? Klar, sie soll Unheil von meinem Sohn fernhalten, wenn wir als Elternteile nicht mehr sein sollten. Seinen Onkel umzubringen gehört sicher nicht dazu. Ihn vor dessen langen Fingern beschützen, vor seiner Sucht sich in die bestmögliche Position zu bringen – Ja. Aber alles andere? Eine vollkommene Überinterpretation der Lage. Meine erste Wut ist verraucht, ich bin in der Nacht nicht mehr wie der Teufel zu dem Weib geritten und habe sie aus dem Bett gerissen. Im Nachhinein auch nicht mehr. Ich habe eine Mauer um mich gebaut, lasse Rondra dagegenrennen – zumindest sollte es so sein, aber irgendwie entspricht nicht einmal dies der Wirklichkeit. Sie ist stur, wie immer. Die Frage ist, macht sie damit mehr kaputt als ganz? Ich weiß es nicht, würde wahrscheinlich jeden Versuch ihrerseits dies zu rechtfertigen, abwinken. Gemeinsame Entscheidungen. Sie hat diesen Grundsatz gebrochen, hat mein Recht als Ehemann mit Füßen getreten. Nein, wir haben etwas Essentielles verloren, wer weiß, ob wir es wieder finden. Nur, zu meinem Wort stehe ich. Sie ist mein Eheweib und sie wird es auch bleiben. Es gibt kein Universum, in dem dies anders sein würde. Allerdings frage ich mich, wie dies so schnell nach der Hochzeit hat passieren können. Zwei Jahre? Sind es wirklich erst zwei Jahre in denen wir uns kennen? Oder sind es doch schon mehr? Nein, es kommt ungefähr hin und manchmal ist dann da doch der Gedanke, dass wir doch überstürzt gehandelt haben. Egal wie, es ist nicht mehr wie es vorher war. Sicherlich auch daran bemerkbar, dass wir zwar das Bett miteinander teilen, aber nicht so, wie Mann und Frau es mittlerweile wieder tun sollten. Ende September wurde unser Sohn geboren, vor zwei Monaten. Natürlich keine Ewigkeit, nichts was man nun als dramatisch ansehen müsste, aber ich hätte Rondra durchaus schon an ihre ehelichen Pflichten erinnern können. Nicht, dass ich keine Lust darauf hätte, es scheint Ewigkeiten her zu sein. Welch Ironie, dass ich die größten Durststrecken – abgesehen meiner Zeit an Bord eines Schiffes – mit Rondra erlebe und nicht ohne sie. Man sollte meinen, dass nun wo ich verheiratet bin, ich mich gerade nicht um mein Liebesleben sorgen sollte, aber es scheint ganz das Gegenteil zu sein. Immer öfter fallen mir die durchaus hübschen Mägde auf, die auf dem Anwesen rumrennen. Hier ein Weib, welches seine Hüften ein wenig zu sehr wiegt, da ein Mädchen mit sehr hübschen Beinen. Ja, manche tragen einen recht tiefen Ausschnitt, der einen nur zu deutlichen Einblick gibt. All dies lässt mich nicht mehr ganz kalt, lässt mich nach heißen Nächten oder auch Tagen sehnen und besucht mich durchaus auch manchmal in der Nacht. Bleibt nur zu hoffen, dass ich wenigsten keine Namen nenne – dies würde wahrscheinlich unserer Ehe auch nicht zuträglich sein.
Wie dem auch sei, alles auf Rabenstein geht äußerlich seinen Gang. Dass auch ich mit Arbeit trotz des Endes der Ernte zugeschüttet bin, ist selbstverständlich. Oftmals lege ich selbst Hand an, unterstütze die Burschen. Ich kann mir schlicht nicht zu fein sein. Thomas behält dabei den Überblick, was wo wie gemacht werden muss und was wir auf die Liste setzen sollten. So ist die Frage oder der vielleicht auch leise Vorwurf von Rondra sicher nicht an den Falschen gerichtet. Natürlich weiß der gute Mann wo ich bin. Zusammen mit zwei Burschen bin ich gerade dabei einen der doch etwas ramponierten Schränke zu reparieren. Da braucht man mehrere Hände und so können sie gleich noch etwas lernen. Leise Scherze hört man durch die Gegend fliegen, hört das Hämmern und das Anbringen des Holzes. Anweisungen in ruhigem Ton. Es gibt einen Zukunftsblick, wenn auch nur einen kurzen. So könnte es in zehn Jahren auch mit Graham sein. Vielleicht. Falls wir nicht schon tot wären und meine beste Freundin eine Mörderin. Doch, man könnte sagen, dass ich über diesen Gedanken verbittere.

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Rondra
26. November 1462
{Rabenstein}


Eigentlich war es anzunehmen, dass Kelian sich ebenfalls nützlich macht. Schließlich war es in den letzten Monaten stets der Fall und es ist tatsächlich einiges liegengeblieben. Rondra hat ihn zwar auch nicht lesend in der Bibliothek gewähnt, trotzdem. Tja, was trotzdem? Trotzdem ist sie ziemlich durcheinander, als sie hinter Thomas durch den Flur geht in welchem die Hammerschläge deutlich zu vernehmen sind. Die Schläge und das Hin und Her von Stimmen, ohne dass man Worte wirklich verstehen könnte. Eine Tonlage würde sie wohl sogar aus jedem Stimmgewirr heraus ausmachen können. Was für eine blöde Idee von ihr. Natürlich ist er beschäftigt, Rondra selbst ja eigentlich auch. Sie würde ihn von der Arbeit abhalten, um eine Bitte vorzutragen, die ihn noch viel weiter von der Arbeit abhalten würde und welche sie im Augenblick noch nicht in Worte und Argumente verpacken kann. Zu allem Übel ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt, wo alles ohnehin so unnormal normal ist.
Der Raum ist noch nicht ganz erreicht, da verschlingt das schwarze Loch in ihrer Brust jegliche Freude über das Lebenszeichen der Freundin und die Sehnsucht versackt zu einem zentnerschweren Klumpen in ihrer Magengrube. Früher, da wäre es fürchterlich einfach gewesen. Sie hätte den Raum geentert, den Brief freudestrahlend schwenkend, um dann aufgeregt zu erzählen und zu plappern, um dann darin zu enden dass Arioste sie einfach braucht, damit sie keinen Mist macht. Zumindest so ähnlich.
Macht Arioste überhaupt einen Fehler, wenn es tatsächlich nicht zur Hochzeit kommen sollte? Das mittelgroße, anvertraute Geheimnis scheint plötzlich gar nicht so abwegig, sondern fast schon vernünftig. Es sichert der Cousine eine gewisse Unabhängigkeit. Einen Rückzugsort, etwas Eigenes. Etwas was man als Ehefrau wohl eher nicht braucht, Rondra selber gerade aber schmerzlich vermisst. Nicht wirklich einen Rückzugsort, nirgends könnte sie glücklicher sein als hier – normalerweise -, aber allein dieses Gefühl auch alleine Entscheidungen zu treffen. Andererseits, genau das hat sie doch auch getan, vielleicht sollte sie die Freundin warnen.
Nein es sind wahrlich keine guten Voraussetzungen im Kopf der Blonden, als Thomas schließlich die Tür öffnet und dann seiner Herrin den Vortritt gibt. Im Kopf des Weibes befindet sich nur Watte, weshalb der Blick welchen sie zu den drei Kerlen schickt genauso desorientiert ist. Man könnte meinen Thomas hat sie hergeschleppt und Rondra weiß nicht was sie hier soll. Das wäre dann allerdings schon sehr seltsam.
“Die Herrin wünscht den Grafen zu sprechen.“ munter erklingt es hinter Rondra und dem Tonfall des Treuen nach, lächelt er dabei. Natürlich muss es korrekt sein, doch nicht so korrekt, dass Thomas seine gute Laune deshalb verbergen muss. Klar, an sich ist das hier schließlich auch vollkommen normal. “Das sieht gut aus. Davon haben wir noch einen, in ihm ist ein Regalboden durchgebrochen, dabei sage ich Edith ständig sie soll sie nicht so voll beladen….“ Geht es auch gleich anerkennend weiter. Wenn es eins auf Rabenstein genug gibt, dann sicherlich Schränke und Truhen, zumindest schien es Rondra in den letzten Tagen so. Sie schafft es immerhin nun den beiden Burschen freundlich zuzunicken.
»Oh. So wichtig ist es nicht.«, winkt Rondra hingegen schon fast ab. »Ich hatte nur … « die Idee abzureisen. »… einige Gedanken zur Taufe.« auch ein grandioses Thema, hängt irgendwie unmittelbar mit Balthasar und Mirabel zusammen. Vielleicht sollte sie zurück zu ihren Kräutern gehen. Seltsam was angespannte Situationen für Gelüste wecken. Rondra hat auch plötzlich eins. Das hat allerdings nichts mit Mägden zu tun und auch nicht mit Knechten. »Aber das hat sicherlich Zeit bis heute Abend.« Himmelherrgottnocheins. Diese Unsicherheit. Das ist nicht sie, zumindest war sie es nie – und will es auch gar nicht sein. Bisher haben die Blauen tatsächlich eher fragend auf Kelian gelegen und genau das stört das Weib plötzlich. Ihre Lippen pressen sich kurz aufeinander und ihr Blick verdunkelt sich. Wahrscheinlich wäre er nicht für Kelian bestimmt, sondern für sich selber. »Außerdem wollte ich dir Bescheid geben, dass ein Brief aus Württemberg eingetroffen ist.« Na immerhin. Einige Momente hat Rondra selber daran gezweifelt die Nachricht jetzt loszuwerden. Das folgende Lächeln ist klein, ein Anflug dessen was sie vorhin gefühlt hat. Ein kurzer Sonnenstrahl, der schnell wieder verblassen würde. »Endlich.« Schiebt sie leiser hinterher, denn immerhin ist die Abreise bereits über zwei Monate her. Ein Thema mit welchem Kelian vertraut sein sollte, denn es ist bereits seit geraumer Zeit aktuell. Rondra wäre damit fertig, bereit den Raum – den sie kaum betreten hat – wieder zu verlassen. Aufgeschoben wäre nicht aufgehoben, oder? Nein, sicherlich nicht.

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Kelian_


An Ocean and a Rock
26.11.1462

Doch es ist entspannt zwischen uns Männern. Oder besser zwischen mir als Mann und den Burschen. Klar, ich bin der Graf, es gibt Hemmungen, die ich aber versuche abzubauen. Die beiden sind nicht ganz mein Alter, ich gehe stark auf die dreißig zu, die beiden haben gerade erst den ersten Flaum abgeworfen. Jünglinge, die sich erst noch die Hörner abstoßen müssen, die ihre Erfahrungen gemacht haben. Ich habe sie reichlich gemacht, vielleicht sogar auch zu viele, aber daher weiß ich auch, dass jede Beziehung gute und schlechte Zeiten hat. Manchmal geht es eben schneller, manchmal braucht es länger. Ich vergrabe mich ebenso in Arbeit, wie Rondra es macht. Wie viele Möbel habe ich die letzte Zeit repariert, die Burschen unterstützt, Anleitung angeben, wo es auch andere hätten machen können? Die Ställe winterfest gemacht, die Ländereien überprüft, meinen Bauern geholfen. Ich bin nicht traurig darüber, den Tag über Rabenstein als solches zu entfliehen, mir ein wenig Freizeit zu gönnen. Nicht, dass es solche wäre, aber es gibt mir die Zeit zum Grübeln, die ich manchmal brauche. Zumindest kann ich mich so im Kreis drehen.
Wir sind also gerade dabei den Schrank wieder zusammenzubauen, einer von vielen. Die Jungs halten, ich schlage zu. So wie es sein muss. Draufhauen, Wut rauslassen. Ist da überhaupt Wut? Nein, irgendwie ist da einfach nur dieses große, schwarze Loch. Sollte Rondra bekannt vorkommen. Thomas reißt mich aus den Scherzereien mit den Burschen, die natürlich verhaltender sind als mit Gleichgesinnten - was absurd sind, denn ich bin ihnen näher als all den anderen Adligen in der Steiermark. Gerade liegt mir ein frecher Spruch auf den Lippen, ob auch der Verwalter einmal den Hammer schwingen möchte, anstatt immer nur den Moralapostel zu spielen - da trifft mich die Ankündigung. Die Herrin möchte also den Grafen sprechen - na soll sie doch. Ach huch, seit Neuestem bin dies ja ich. Wie ungewohnt. Mein Blick sucht diejenige welche, irgendwie ist mir entgangen, dass sie bereits im Raum war. Wie kann es nur? Ich richte mich vollkommen auf, der Hammer wandert wie selbstverständlich weiter an den Burschen links von mir. Auch, wenn das Weib verhalten ist, ja geradezu Schwachsinn redet, sie ist mein Weib, sie hat die Aufmerksamkeit verdient. Vor allem vor den Bediensteten. Also, dann mal los, der nächste Eiertanz beginnt, warum hätte sie denn nicht bis zum Abend warten können? Das wäre irgendwie einfacher gewesen, aber nun müssen wir da durch. Beide. Wie schlimm kann es werden? Natürlich ist es wichtig, wenn du es bist. Klingt es falsch? Nein, ich bin kein hinterhältiger Mensch, nicht im Allgemeinen, aber es ist auch irgendwie nicht ganz richtig. Natürlich ist es wichtig, aber letztendlich haben wir Probleme. Dies können wir leider nicht verleugnen. Uhm...zur Taufe? Wow, dies habe ich irgendwie nicht erwartet, mein Blick sagt dies auch aus. Dennoch, ich nähere mich dem Weib, ich würde sicherlich nicht hier bleiben und dies vor den anderen diskutieren. Vorschriftsgemäß, so wie es sich eben gehört, biete ich der Blonden den Arm an. Ein kleiner Spaziergang, auch wenn es vielleicht nur durch die Gänge des Anwesens ist. Nur eben mehr oder minder ohne Publikum, denn wann ist man hier schon alleine? Noch bevor ich richtig fertig bin, der Arm ist noch ganz bei ihr, funkt es - aha, das ist also der Grund?! Gut, dies ist in der Tat wichtiger als die Taufe. Also dringender. Sehr gut. Komm. Die anderen würden schon wissen, was sie ohne mich zu tun haben und so können wir beide in Ruhe reden. Darüber. Nicht über unsere Ehe oder unsere Probleme, denn dies braucht weit mehr als einen kleinen Spaziergang über den Gang. Womit wäre der erste Schritt getan? Mit einer Entschuldigung? Nein. Nein, ich weiß es nicht.

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Rondra
26. November 1462
{Rabenstein}


Aufmerksam liegt ihr Blick auf dem sich nähernden Ehemann. Automatisch versucht Rondra in seiner Miene zu lesen. Etwas was meistens gar nicht so schwer ist, in letzter Zeit aber oft genug von dieser Mauer blockiert wird. Natürlich redet sie Schwachsinn und das Thema der Taufe kam wohl für sie beide überraschen über ihre Lippen. Idiotin. Immerhin entgeht ihr dadurch aber auch nicht, wie das eigentliche Thema – der Brief – ankommt. Außerdem hat ihr Blick noch einen Grund: Sie sieht ihn einfach gerne an, auch jetzt. Der feine Unterschied zu den ganzen Gänschen hier ist, dass sie sich mit diesem Blick weder anbietet, noch ihn auszieht oder ihn gedanklich in ihr Bett befördert. Sollte sie vielleicht mal. Das allerdings ist nur bedingt in ihrem Sinn. Natürlich fehlt Kelian ihr, doch eher seelisch als körperlich. Ach, die ganze Situation wäre ohne diese Mauer schon verkorkst genug. Gewisse Ängste auch so vorhanden, die nun nur noch verstärkt werden. Einen Ausweg sieht Rondra selber nicht. Um diese Mauer zwischen ihnen zu zerstören, müsste sie ihre Entscheidung wahrscheinlich rückgängig machen. Theoretisch möglich, praktisch allerdings unmöglich – immerhin sieht Rondra die Vorkehrung an sich als richtig an.
Als er sie erreicht hat schiebt sich ihre kalte Hand wie von selbst in die angebotene Armbeuge.
»Danke.« Dafür dass er seine Arbeit unterbricht, sich Zeit nimmt, selber interessiert ist, ihr den Arm reich – was auch immer. Einige Schritte wird sie gehen. Recht ziellos, nur um der Bewegung willens. Soll er es entscheiden. Ein Schlendern durch die Gänge ist genauso willkommen wie ein heißer Tee in ihren Gemächern – oder die Kälte draußen. Wobei das Gehen definitiv Vorteile hat. Es hilft ihn nicht ständig ansehen zu müssen und Rondra bewegt sich nun mal gerne, wenn sie nachdenkt. »Es geht ihnen gut. Zumindest den Umständen entsprechend, es scheint einiges passiert zu sein, seit ihrem Aufbruch.« Beginnt der Blondschopf schließlich zu erzählen, leise und in einem recht vertraulichen Ton. Es sind zwar keine Dienstboten in Sichtweite und das was sie erzählt kein Geheimnis, allerdings muss auch nicht immer die ganze Burg an allem teilhaben und letztlich geht es um ihre Freunde, irgendwie.
»Kaum angekommen wurde Kaylis zu den Waffen gerufen. Eine Räuberjagd. Arioste war auf sich allein gestellt und scheint nicht ganz damit einverstanden gewesen zu sein, dass er dem Ruf gefolgt ist.« Welches Weib wäre das schon? Andererseits ist eine Räuberjagd nun kein Krieg – und die Peverells wissen wovon sie sprechen. Allerdings sofort allein in der Fremde zu stehen, ist auch für Rondra nicht unbedingt ein Traum. »Sie schreibt… dass er zurück zu ihr kam, allerdings hat er sich bei der Jagd selber überschätzt und wurde dann auch noch überfallen.« Immerhin scheinen sie nicht das einzige Paar zu sein, das Dramatik regelrecht anzieht. Aber letztlich ist er zurückgekommen. Rondra stockt ein wenig. So viel zum einfachen Teil der Geschichte und es ist mehr als ein bisschen grotesk nun weitere Worte zu finden. »Sie scheinen ebenfalls….« ja, es ist sehr schwer und dass das Weib ins rudern kommt ist offensichtlich, zumal sie abbricht. Ja, die beiden haben offensichtlich ebenfalls Probleme, aber dann doch andere als sie selber. »Er hat scheinbar das Gefühl sie glaube nicht daran, dass es jemals ein gemeinsames Leben geben wird.« Sollte das bei Paaren nicht eigentlich umgedreht sein, dass das Weib solche Vorstellungen hat? Egal. Es ist ein Problem und da Rondra die Cousine kennt, wahrscheinlich kein geringes – zumal sie es erwähnt. »Sie haben über die Hochzeit noch nicht weiter gesprochen!« Jetzt aber wirklich! Das Thema scheint Rondra derart mitzunehmen, dass sie darüber die leicht angekühlte Distanz vergisst und vollkommen darin aufgeht. Ja, fast ist sie empört, oder gar schockiert darüber. »War nicht der Januar angedacht? Das wäre in vier bis acht Wochen. Ich hatte hier den Eindruck, sie hatten es eiliger.« Gut, eilig muss nicht gleich heißen, dass das auch richtig wäre. Aber die beiden haben nun wirklich nicht den Eindruck gemacht als sei in dieser Beziehung etwas unklar. Fest legen sich ihre Lippen nun aufeinander. Sie kennt Arioste und hat mehr als zwei ihrer Verlobungen miterlebt. Man muss keine Unke sein um bei diesem Brief nun auf die richtigen Gedanken zu kommen. Erst nachdem sie Derart geplappert hat, geht ihr auf dass er ihn auch einfach hätte selber lesen können. Eigentlich. Andererseits eben auch nicht. Leicht hebt sie die freie Hand an, welche den Brief immernoch hält. »Er ist natürlich an mich gerichtet und ich bin mir nicht sicher ob sie…« Spielen wir das Spiel „meine Freundin – deine Freundin“ doch nochmal. »Willst du ihn selber lesen?«

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Kelian_


An Ocean and a Rock
26.11.1462

Es dauert einen Moment, vielleicht ist es dem Verlassen des Raumes geschuldet, vielleicht auch einer kurzen Phase, indem wir uns an die Nähe gewöhnen müssen, bevor das Weib anfängt zu reden. Nicht irgendein Thema, sondern endlich ein interessantes. Also, die Taufe ist sicherlich auch interessant, aber letztendlich eher Weiberkram und mir wurde ja sowieso anscheinend jegliches Mitspracherecht abgesprochen. Natürlich nicht offiziell, aber ich habe genug Argumente auf meiner Seite, warum ich das so empfinde. Oder auch nur empfinden könnte.
Was folgt, damit habe ich irgendwie nicht gerechnet. Ich habe mir kaum Gedanken darüber gemacht, wie es für Rondra sein muss, seitdem Arioste weg ist. Also doch, schon, immerhin war es oft Thema zwischen uns, aber dass sie einsam ist, war irgendwie in meinen Gedanken nicht vorhanden. Natürlich muss es so sein, denn auch davor sah es eher mau aus, was Freundinnen angeht. Ob nun selbstverschuldet oder nicht. Ich mag die Schwarzhaarige, mag den Blonden - dem ich schon vor langer Zeit hatte schreiben wollen - aber jeweils ist es keine tiefe Freundschaft. Bei ersterer würde ich es mir nicht anmaßen, da sie die beste Freundin meines Weibes ist, ich persönlich empfinde es als wichtig, dass wir ein gutes Verhältnis haben. Was den Kerl angeht, er ist einfach weggezogen, bevor wir eine tiefe Männerfreundschaft aufbauen konnten. Dennoch weiß ich ihn zu schätzen. Problematisch an der Sache ist, das Rondra für meinen Geschmack gerade ein wenig zu tief in dieses Thema einsteigt. Ich fühle mich regelrecht erschlagen von dem ganzen Gebrabble, brumme aber hin und wieder zustimmend. Klingt alles sehr vernünftig beziehungsweise nachvollziehbar. Allerdings, was interessieren mich die Probleme von anderen Ehen beziehungsweise nicht einmal Ehen, wenn unsere ebenfalls in Gefahr ist und wir nicht einmal wissen, wie wir es wieder beseitigen können. Es würde nicht reichen alles wieder ungeschehen zu machen, es ist der Vertrauensbruch, der so schwer wiegt. Aber das Weib weiß es ja selbst. Ebenfalls. Pah. Ich warte ab bis sie zu Ende geredet hat, die Frage kommt dann doch ein wenig plötzlich. Ob ich...? Nein. Es kommt sehr bestimmt, mehr als das. Es klingt fast ein wenig grantig. Sie ist deine Freundin, ich sollte ihn nicht lesen. So wie sie nicht mit meiner Freundin einen Mord hätte planen sollen. Oder was auch immer. Ich bleibe stehen, nachdem wir beide bisher durch die Gänge unsere Anwesens gewandert sind. Also, unter anderen Umständen würde ich vielleicht anders reagieren, aber es ist nun einmal so wie es zwischen uns ist. Was möchtest du... eine kurze Pause, es sind wirklich zwei Fragen. ...denn tun? Ist ja offensichtlich, dass sie irgendetwas möchte.

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Rondra
26. November 1462
{Rabenstein}


Es ist eindeutig eine gewisse Erleichterung vorhanden, als er ablehnt. Die grobe Zusammenfassung des zweiseitigen Briefes reicht aus, alles andere würde Arioste hoffentlich mit Kaylis klären. Womöglich hat sie es auch bereits. Womöglich steht da genau dieselbe Mauer wie hier. Da ihr Spaziergang ein Ende gefunden hat, bleibt Rondra natürlich ebenfalls stehen. Sie wendet sich ihm zu, doch lange schafft sie es nicht Kelian direkt anzusehen. Was sie möchte? Oh Geliebter, darauf könnte es mehr als eine Antwort geben und keines der Dinge, die der Blonden gerade einfallen, hat auch nur im Entferntesten mit Arioste zu tun. Wünsche aus scheinbar längst vergangenen Tagen, das Leben ist kein Wunschkonzert, auch ihres nicht. Mehrere Herzschläge braucht sie, bis die Gedanken an seine Arme nicht mehr ihre Synapsen verstopfen. Klarer denken kann der Blondschopf danach nicht. Scheinbar ist es sehr offensichtlich dass sie etwas will, das macht es aber nicht leichter damit herauszurücken. Ist sie in der Position solche Wünsche zu äußern? Muss sie bitten, oder kann es sogar eine Art Forderung sein? Himmel. Rondra Peverell kann sich in einigem scheinbar noch eine Scheibe von Rondra Fugger abschneiden. »Ich würde sie gerne besuchen. Es war doch ohnehin zur Hochzeit beschlossene Sache.« Wenn es zu dieser überhaupt kommen würde. Vielleicht – nein, wahrscheinlich – überinterpretiert sie den aktuellen Brief, aber Ariostes Wesen kennt Rondra wohl wie niemand sonst. Es ist nicht vollkommen absurd sich Gedanken zu machen. »Ich habe die Befürchtung, dass Schnee und Eis es bald unmöglich machen. Wir müssten bis zur Schneeschmelze warten.« Wir. Es wäre doch ein „wir“? Es ist grausam auf was für Gedanken man so kommen kann und bei dieser Ansammlung in ihrem Kopf grenzt es fast schon an ein Wunder, dass Thomas seine Herrin noch nicht morgens mit verrenkten Gliedern und recht unansehnlich im Burghof gefunden hat.
Wir. An sich ist es in ihren Kreisen nicht unüblich die meiste Zeit des Jahres getrennt voneinander zu verbringen – und froh darüber zu sein. Schließlich reichen mit Glück wenige Wochen im Jahr, um weiteren Nachwuchs auf den Weg zu bringen. Bei ihnen scheinbar nicht einmal eine ganze. Aber zu welchem Kreis gehören sie schon? Nein. Niemals. Rasch befeuchtet sie ihre Lippen, um fortzufahren, raus ist es nun sowieso schon.
»Mit Glück könnten wir es bis Christos Geburt schaffen….« mit großem Glück, denn eigentlich ist das fast ein Ding der Unmöglichkeit – aber eben auch Zeugnis davon wie sehr sie es möchte. Dieses Fest mit der Freundin zu verbringen, es wäre zu schön. Natürlich wäre es genauso schön es auf Rabenstein zu verbringen, wenn gewisse Umstände anders wären – doch in Württemberg würde sie nicht auf den Gedanken kommen müssen dass dies das erste Weihnachten ist, das sie nicht im Kreis der einstigen Familie verbringt. Ein Gedanke der ihr im Augenblick nicht zusetzt, zu viel ist geschehen seit Adams deutlichen Worten. Aber an diesem Abend würde es anders sein, egal wie schön und geborgen sie es haben können würden. »Oder zumindest bis zur Fastenzeit.« Ganz weltfremd ist sie schließlich auch nicht. Jetzt erst heben sich die Blauen und suchen seinen Blick. Ja, es wäre kurzfristig und wahrscheinlich vollkommen dumm. Doch sie wissen beide, dass nach der Schneeschmelze der Frühling kommt und damit der Erntezyklus wieder beginnt. Was geerntet werden will, muss vorbereitet werden sein. Genaugenommen ist es ein recht eindeutiges „Jetzt oder gar nicht.“. Zumindest wenn sie sich beide wieder im selben Maße einbringen wollen wie dieses Jahr.

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Kelian_


An Ocean and a Rock
26.11.1462

Verreisen. Klar, was hätte es auch anderes sein sollen. Eigentlich sollte mein Herz gerade schneller schlagen, oder nicht? Die Möglichkeit aus diesem Käfig auszubrechen, den Grafen für eine Weile hinter sich zu lassen. Doch gerade diese Reaktion tritt nicht bei mir ein. Es gehen mir viele andere Dinge durch den Kopf. Das meine Grafschaft mich braucht. Wie soll denn hier alles weiter laufen, wie sollen sie denn verkraften, dass noch ein Mann weniger da ist? Na klar, Thomas organisiert das meiste, aber dennoch brauchen sie mich. Die Burschen, im Frühjahr die Menschen auf dem Feld - sie wollen doch ihren Grafen da haben?! Es ist fürchterlich, dass ich so denke, aber es graut mir ein wenig vor einer solchen Reise mit Rondra. Zumindest zur Zeit, denn wir würden auch den letzten Teil Sicherheit von uns stoßen. Alles in ein neues Umfeld packen. Vielleicht auf Null gehen? Nein, nein so fühlt es sich nicht an, es fühlt sich eher so an als ob wir den letzten stützenden Balken vom Gerüst entfernen würden und dies dann letztendlich alles zum Einstürzen bringen würde. Das Kartengerüst würde zusammen brechen. Aber da sind natürlich auch noch andere Gründe. Wir würden ewig unterwegs sein, der Schnee und der Winter sind am Kommen, es wird kein Zuckerschlecken sein. Eine grausame Reise und wenn wir schon dabei sind zu planen, dann sei hier gleich gesagt: Es kommt keine Kutsche mit. Kann sie gleich knicken, denn dies würde uns noch länger fernhalten. Nicht von meiner Grafschaft. Nicht von meiner Heimat. Nein, es würde mich fernhalten von meinem Sohn. Denn das ist die Bedeutung dessen: Wir würden die Kinder den Winter über alleine lassen. Diesen kleinen, wohl braunhaarigen Fratz, der doch sowohl mich als auch seine Mutter braucht. Wie kann sie dies nur vorschlagen? Ich weiß es ganz genau, wie es sich anfühlt, wenn der eigene Vater nur sporadisch da ist. Klar, der Junge würde es jetzt noch nicht merken, aber ihn mitzunehmen grenzt ebenso an Wahnsinn, oder? Vielleicht hilft ja darüber zu reden. Wie stellst du dir das vor? Wir lassen alles stehen und liegen und kommen im Frühjahr wieder? Was ist mit Graham? Mit der Taufe? Der Grafschaft? Es sind keine vorwurfsvollen Fragen, auch keine die implizieren wie abgeneigt ich wirklich bin, aber letztendlich zucke ich mit den Schultern. Seit wann wird mir überhaupt Entscheidungsgewalt zugestanden? Plane, aber ich werde mir keine Kutsche ans Bein binden. Sicher nicht. Ich beuge mich Richtung des Weibes, ein Kuss auf die Wange soll es werden, der dann auch andeuten würde, dass ich mich wieder zu meinem Schrank zurückziehen würde. Sie hält es für nötig, dass wir diese Reise unternehmen? Gut, dann satteln wir eben die Pferde und lassen alles zurück. Ist doch eh alles egal.

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Rondra
26. November 1462
{Rabenstein}


Wie sie sich das vorgestellt hat? Der Blondschopf hat keine Jubelrufe erwartet, diese grundsätzlichen Fragen allerdings genauso wenig. Abgesehen davon dass es nun sicherlich etwas plötzlich kommt, wären dies Dinge die beim Besuch der Hochzeit genauso angefallen wären. Stand dieser Besuch jemals in Frage? Das Weib ist vollkommen überrumpelt, als sie in dieser Beziehung versucht den Anschluss an seine Gedankengänge zu finden. Noch während sie versucht all diese losen Enden zu verknoten folgt auf seine Fragen der Beschluss, dass es keine Kutsche sein soll. Keine Kutsche. Die Schlüsse daraus lassen sich hingegen sehr schnell ziehen. Keine Kinder. Ist das sein ernst? Abgesehen davon dass sie – nach seiner Meinung – nicht einen Mord in Auftrag gibt, der ihren Buben schützen soll, um genau diesen drei Wochen später zurück zu lassen, verbaut er damit Johanna die geplante Zukunft. Wie oft macht man so eine Reise? Wären sie im Frühjahr zurück würde bald die Aussaat beginnen, eins reiht sich ans andere, bis zur nächsten Ernte. Ein weiteres Jahr für das Mädchen zu Hause. Unmöglich, denn eigentlich hätte sie schon längst unter fremden Fittichen sein müssen. Sie muss nachdenken, auch wenn damit bereits irgendwie alles gesagt ist. In der Position gegen diese Mauern anzureden ist sie nicht. Welch dumme Idee von ihr.
Der Kuss, gedankenverloren neigt Rondra den Kopf ein bisschen, um ihn entgegen zu nehmen. Wie hatte sie sich das alles vorgestellt? Gar keine schlechte Frage.
»Ich hätte vorgeschlagen Grahams Taufe am Sonntag im Rahmen des Gottesdienstes unten im Dorf abzuhalten. Die Rabensteiner hätten es verdient und die Familie hätte sicherlich auf die vordersten Bänke gepasst. Ich hätte ihn nicht ungetauft mit in die Fremde genommen.« Womit zumindest zwei seiner Fragen indirekt beantwortet sind. Was bleibt ist für ihn wohl der Schrank und für sie die Kräutersträußchen. Jedenfalls würde sich auch Rondra anschicken ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

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Rondra
Anfang Dezember 1462
{Rabenstein}


Reden hilft. Sollte man manchmal meinen und vielleicht häufiger tun. Andererseits hilft es ab und an auch, wenn man seinen Kopf nicht allzu sehr benutzt. Die Rabensteiner Herrschaft jedenfalls scheint langsam zu Höchstform aufzulaufen, wenn es darum geht etwas falsch zu verstehen, nicht anzusprechen. Einen Maurer sollten sie in nächster Zeit nicht benötigen, das können sie wunderbar allein. Wo ist nur die Zeit des Einklangs geblieben?
Letztlich haben sie es dann doch geschafft, zu reden. Die Stunden bis dahin sind für den Blondschopf mehr als quälend gewesen. Keine Reise. Den Winter eingeschneit auf Rabenstein – oder zumindest in der Steiermark. Gefühlt bereitet sie nicht die Burg auf den Winter vor, sondern ihr eigenes Gefängnis. Ja, es geht sogar so weit, dass sie innerlich beginnt über Kelian zu schimpfen. Über wen auch sonst? Schließlich hat er die Reise abgesagt, oder zumindest die Voraussetzungen derart beschlossen, dass sie unmöglich zu erfüllen sind. Ha! Da kommt auch der Vergleich mit dem goldenen Käfig wieder auf. Lange ist es her. Nur damals hat er Rondra die Stäbe ihres Käfigs gezeigt, heute setzt er sie eigenhändig enger. Oh natürlich geschieht all das nur in ihrem Kopf. Nach außen läuft es eben wie gehabt, lediglich mit etwas weniger Freude. Scherze und Neckereien hört man in jenen Stunden bei der Frauenarbeit kaum. Zuerst sind sie noch da, doch da die Herrin anwesend ist, einsilbig und in sich gekehrt, verstummen sie eben.
Doch auch auf diese Stunden folgt ein Abend und da man aneinander nicht vorbei kommt, verbringt man eben auch diesen miteinander. Es dauert auch gar nicht so lange bis das Missverständnis erkannt und benannt ist. Johanna, oder besser gesagt ihre Zukunft, wenn sie nicht mitreist. Diese Fehlinformation enthüllt sich, als Kelian seine Vorstellung äußert Johanna könne reiten, ihr Gepäck mit einer Kutsche nachkommen. Woher soll der Blondschopf wissen, dass Kelian nicht weiß, dass das Kind nicht reiten kann? Nicht allein. Das Pony ist aus gutem Grund seit gefühlten Ewigkeiten ihr Dauerthema. Ein wenig hin und her geht es, doch letztlich ist die Entscheidung dann klar: Eine Kutsche muss mit – und in so einer Kutsche ist auch genug Platz für Graham und seine Amme. Rondra selber würde reiten wollen, es war für sie einfach zu lange nicht möglich und ihr Bedarf an Kutschen ist ebenfalls erstmal gedeckt.
Erleichterung ist da. Es würde tatsächlich losgehen. So vieles muss rasch bedacht, geplant und organisiert werden. Dinge für die Reise, für die Ankunft, aber auch das was erledigt werden muss, bis sie aufbrechen. Ein Besuch beim Herzog steht an und die Taufe muss von statten gehen. Graham mitnehmen, ungetauft, das ist keine Option für Rondra. Es würde ohnehin nicht leicht werden mit ihrem Glauben in jenen Monaten im Deutschen Königreich zu sein. Vielleicht sollte sie vor ihrer Abreise auch nochmal mit seiner Seligkeit reden, oder mit ihrem Bruder. Er wollte Familie. Das gehört auch dazu.
In den folgenden Tagen sind es einfach zu viele Briefe die geschrieben werden müssen, um auch Arioste davon in Kenntnis zu setzen. Eine Einladung nach der nächsten schreibt das Weib, während man auf Rabenstein beginnt die Taufe zu planen und sich auf Christos Geburt vorzubereiten.




Eure Seligkeit,

Nach langen Überlegungen haben wir uns dazu entschlossen Graham Ulrich William Peverell in der Dorfkapelle von Rabenstein taufen zu lassen. Am Sonntag, den 07.12.1462 anstelle des eigentlichen Gottesdienstes. Die Rabensteiner sollen dabei sein können, denn sie haben viel zu dem Glück beigetragen, welches wir täglich erfahren.
Wie angedacht sollen mein Bruder, seine Eminenz Balthasar Fugger-Mattei und unsere gute Freundin Mirabel die Taufpaten sein. Meinem geliebten Bruder soll die Ehre zuteilwerden den Täufling während der Taufe zu halten. Wir hoffen all dies ist in Eurem Sinne und freuen uns darauf Euch auf Rabenstein willkommen heißen zu dürfen.
Gott zum Gruße

Rondra und Kelian Peverell
Graf von Rabenstein




Liebster Bruder,

es ist so weit, dein Patensohn soll nun offiziell in die schützenden Hände des HERRN gegeben werden. Diesen Sonntag soll es geschehen, in der Dorfkapelle von Rabenstein selbst. Ich denke ich muss dich nicht offiziell einladen, denn natürlich bist du ein Teil von uns und wirst anwesend sein. Ich freue mich darauf und möchte dich bitten etwas früher zu uns zu kommen. Zum einen würde ich dir Graham gerne vorher ans Herz legen. Sicherlich wird es nicht ganz einfach sein ihn während der Taufe zu halten, du solltest vorher damit vertraut sein. Zum anderen planen Kelian und ich unsere Abreise ins Deutsche Königreich. Wir wollen mit den Kindern Cousine Arioste besuchen und bis nach ihrer Hochzeit bleiben. Kein leichter Weg in diesen Tagen und ich habe Befürchtungen wie ich unseren Glauben dort leben kann. Sicherlich kannst du mir in diesen Fragen ein Ratgeber sein.
Auf bald

Deine Schwester




Liebe Agatha, liebe Sofia, liebe Katerina,

großes Glück ist uns durch die Geburt unseres Sohnes Graham Ulrich William beschieden worden. Ein Glück, das wir teilen möchten, mit der Familie aber auch allen Rabensteinern. Am heiligen Sonntag, den 07.12.1462 wollen wir in der Kapelle des Dorfes Rabenstein seine Taufe feiern. Dazu ist das Haus Murtal natürlich herzlich eingeladen.

Mit allerherzlichsten Grüßen
Rondra und Kelian.




Liebe Sofia,

einige private Zeilen an dich, wenn der Bote den Weg ohnehin zu euch kommt. Ich hoffe bei euch ist alles in Ordnung? Rabenstein bereitet sich auf den Winter vor, bei den Murtal wird es kaum anders sein. Die ganze Burg riecht mittlerweile wie eine Bäckerei, denn schließlich gilt es diesen Monat gleich mehrere Feste zu feiern.
Kelian und ich werden mit den Kindern nach der Taufe aufbrechen um Arioste und Kaylis zu besuchen. Noch lassen es die Wege zu und ich hoffe zumindest Bayern, wenn nicht gar Württemberg zu erreichen, bevor der Schnee so hoch liegt, dass die Reise zur Qual wird.
Natürlich ist der Grund für die Reise Ariostes Hochzeit. Es scheint noch kein Termin festzustehen, doch war sie einst für Anfang des Jahres angedacht. Ich könnte mir nicht verzeihen nicht dabei zu sein, weshalb wir lieber frühzeitig aufbrechen. Ferner soll natürlich Johanna nach Möglichkeit bei ihnen bleiben. Wir werden sehen.
Ich freue mich auf Sonntag

Rondra




Lieber Bero,

ich habe keine Ahnung ob meine Zeilen dich erreichen, ich versuche es einfach. Graham Ulrich William Peverell, mein Sohn, wird am Sonntag im Dorf Rabenstein während des Gottesdienstes getauft und ich würde mich freuen, wenn du meiner Einladung folgen würdest und an diesem Fest teilnehmen würdest.

Sei herzlich gegrüßt
Rondra




Lieber Adam, liebe Anakonda, lieber Graufang, lieber Lienhart

großes Glück ist uns durch die Geburt unseres Sohnes Graham Ulrich William beschieden worden. Ein Glück, das wir teilen möchten, mit der Familie aber auch allen Rabensteinern. Am heiligen Sonntag, den 07.12.1462 wollen wir in der Kapelle des Dorfes Rabenstein seine Taufe feiern. Dazu seid ihr natürlich herzlich eingeladen. Wir freuen uns auf euch, besonders ich bin gespannt wie sich der kleine Graufang gemacht hat.

Mit allerherzlichsten Grüßen
Rondra und Kelian.


Was für eine Schreibarbeit, man will meinem dem Weib fällt bald die Hand ab. Doch schließlich ist es erledigt. Als nächstes würde es wohl nach Graz gehen, wahrlich es gibt noch so viel zu tun.

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Kelian_


Holy night, silent night
07.12.1462


Es ist also beschlossen. Die Reise würde stattfinden, es ist genehmigt, alles soweit organisiert. Nun fehlt nur noch ein wichtiges Element, die Taufe. Heute soll sie statt finden, im Kreise unserer Lieben und denen, die Graham einmal eine Hilfe sein sollen. Ich bin doch etwas angespannt, was all dies angeht. Wie würde mein Sohn es finden, dass er in ein Becken voll Wasser muss? Er ist getauft, wir setzen ihn nicht bereits dem Mond aus, dennoch ist dies hier etwas ganz anderes. Alle würden dabei sein, es würde eben doch nun ganz offiziell, dass er dem gleichen Glauben angehört wie wir. Daran hatte bisher wahrscheinlich niemand Zweifel.
Vorbereiten gab es für uns gar nicht so sehr viel. Es sind mehrere Zimmer fertig gemacht worden, auch wenn die Entourage, die sich angekündigt hat gar nicht so einfach unterzubringen ist. Was bleibt war sie richtig anzuordnen. Zimmer für Herzog und Herzogin. Zimmer für Balthasar, meinen Schwager - klingt komisch, nicht wahr? Dann natürlich für Mirabel und Tunny, der Rest würde sich finden. Alle Zimmer sind fertig, für die Gäste gemäß eingerichtet, was aber erst einmal irrelevant ist, da die Taufe ein kleines Stück vom Anwesen entfernt stattfindet. Im Dorf. Dort in der Kirche, nur dass es heute eben ein besonderer Anlass ist. Rondra hat recht, dass die Rabensteiner es durchaus verdient haben, daran teil zu haben und so habe ich diese Idee mehr als begrüßt. In sehr guten Klamotten - so wie es sich als Graf eben gehört -, bin ich an diesem Tag unterwegs. Taufe, du kannst beginnen, ich bin bereit und mein Sohn, der muss einfach bereit sein.

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